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Shadow Gallery: Digital Ghosts (Review)

Artist:

Shadow Gallery

Shadow Gallery: Digital Ghosts
Album:

Digital Ghosts

Medium: CD
Stil:

Progressive Metal

Label: InsideOut
Spieldauer: 55:26
Erschienen: 23.10.2009
Website: [Link]

Fast genau ein Jahr nach dem tragischen und völlig überraschenden Tod von Mike Baker veröffentlichen SHADOW GALLERY mit “Digital Ghosts” ihr sechstes Album, das erste, auf dem nicht sein markanter Gesang zu hören ist. Die verbliebenen Mitglieder entschieden sich, die Band in seinem Gedenken fortzuführen, auch wenn zunächst völlig unklar war, wer denn nun die Leadvocals übernehmen könnte, oder ob es überhaupt einen neuen festen Sänger geben würde.

Natürlich kann Mike Baker nicht ersetzt werden. Sein außergewöhnlicher, warmer und unglaublich emotionaler Gesang hat das Klangbild von SHADOW GALLERY zu sehr geprägt. Demzufolge möchte und muss die Band auch gar keinen “Ersatz” bieten, stattdessen wird mit “Digital Ghosts” in vielerlei Hinsicht ein neues Kapitel aufgeschlagen. Trotzdem ist man zunächst natürlich gespannt, wie der neue Mann am Mikro klingt, zumal mit Brian Ashland ein bisher völlig unbekanntes Talent vorgestellt wird. Schnell wird klar, warum die Band sich doch entschieden hat, einen neuen festen Sänger zu engagieren, nachdem sie ihn gefunden hatte: Er singt ebenfalls überaus melodisch und sehr gefühlvoll und passt somit perfekt zu den typischen Gesangslinien der Band, ohne jedoch einen Vergleich mit Mike Baker heraufzubeschwören. Stattdessen erinnert er stellenweise eher an Geoff Tate (QUEENSRYCHE), wobei Brian jedoch nie in höhere Lagen abdriftet, sondern immer sehr angenehm klingt. Aufgrund der zum Zeitpunkt seines Einstiegs bereits weit fortgeschrittenen Produktion übernahm der neue Sänger allerdings nur auf fünf der sieben Tracks die Leadvocals. Auf “Venom” ist stattdessen Clay Barton (SUSPYRE) zu hören, und auf “Strong” liefert Ralf Scheepers (PRIMAL FEAR) einen Gastbeitrag. Was zunächst wie eine seltsame Wahl erscheint, besonders in letzterem Fall, funktioniert tatsächlich ausgezeichnet. Beide klingen etwas kräftiger und aggressiver, es gelingt ihnen jedoch überraschenderweise hervorragend, den typischen SHADOW-GALLERY-Vibe zu erzeugen. Vielleicht nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass Bassist Carl Cadden-James schon immer großen Anteil an den Melodielinien hatte und für entsprechende Guide-Vocals sorgte.

Am Gesang gibt es somit nichts zu beanstanden, auch wenn man Mike Baker natürlich immer vermissen wird. Stattdessen irritiert den langjährigen Fan beim ersten oberflächlichen Anhören eher die musikalische Ausrichtung ein wenig, denn SHADOW GALLERY sind keinesfalls stehengeblieben, sondern haben ihren Sound weiterentwickelt. Wie schon auf dem Vorgänger “Room V” wirken einige Stücke zunächst etwas sperrig, es stehen nicht mehr allein die ganz großen Refrains im Mittelpunkt. Die Songs sind verzweigter und nicht sofort eindeutig einzuordnen. Nicht nur textlich scheint man diesmal auf eine durchgehende Geschichte verzichtet zu haben, auch musikalisch steht jeder Track für sich selbst und bietet alle Elemente, die SHADOW GALLERY auszeichnen. Somit könnte man praktisch jeden einzelnen für eine repräsentative Hörprobe herausgreifen, hier gibt es nicht die Ballade, das schnelle oder das progressive Stück. Stattdessen hört man in nahezu jeder Nummer progressive Abfahrten, ruhige, melancholische Momente, harte Riffs, Klavierpassagen, mehrstimmige Gesangsarrangements und lange Instrumentalparts. Zusätzlich streckt die Band die Fühler diesmal noch etwas weiter aus und bietet immer wieder kleine Schlenker in neue Richtungen.

Letztlich stellt man jedoch bereits spätestens beim dritten Durchlauf fest, dass dies immer noch unbestreitbar SHADOW GALLERY sind, und “Digital Ghosts” bei näherer Betrachtung gar nicht so anders klingt. Vielleicht ein wenig basischer, viele Passagen sind direkter und weniger opulent arrangiert, und auch der Sound wurde dementsprechend abgemischt. Dadurch kommt etwa das Zusammenspiel von Bass und Schlagzeug noch besser zur Geltung. Dafür ist jeder einzelne Song in seinem Gesamtverlauf wiederum eher verspielter angelegt und mit zahlreichen Wendungen versehen. Ein schönes Beispiel bietet gleich der Opener “With Honor”, der bereits in den ersten Minuten zwischen harten, treibenden Passagen, ruhigen Klavierparts und einem getragenen, hymnischen Refrain wechselt, um dann in einen längeren A-Capella-Teil zu münden. Die typischen Gesangsarrangements sind hier immer noch vorhanden, allerdings klingen diese weniger bombastisch. Wo früher zahllose Spuren übereinander getürmt wurden und Mike Baker mehrere Stimmen sang, erledigen dies nun seine verbliebenen Kollegen als Gemeinschaftsleistung. Oder anders gesagt: weniger QUEEN, mehr THE BEACH BOYS oder THE BEATLES. Letztlich erinnert diese Herangehensweise auch ein wenig an die des Debütalbums, als man noch nicht so viele Spuren zur Verfügung hatte und Chöre gemeinsam live einsingen musste. Damals wie heute sind dadurch die unterschiedlichen Stimmen deutlich zu erkennen, was das Ganze sehr charmant macht und einen schönen Bogen zum Ausgangspunkt der Geschichte der Band spannt.

Auch die Leadvocals werden wie zu Zeiten des Debüts wieder stärker aufgeteilt. So verzichtet das ungewohnt aggressive und fast schon mit einem trockenen Groove ausgestattete “Venom” auf den typischen Bombastrefrain, dafür wechseln sich Gastsänger Clay Barton und Carl Cadden-James mit dem Gesang ab. Letzterer übernimmt immer wieder auf dem Album einzelne Passagen. Einerseits entsprang dies wohl der Not oder den besonderen Umständen, andererseits gibt es gerade dadurch immer wieder vertraute Momente, wo man fast meinen könnte, Mike Baker zu hören. Da die beiden auch bei früheren Alben viele Parts gemeinsam einsangen, klingen diese Gesangspassagen verblüffend ähnlich. Auch im folgenden “Pain” wird immer wieder dieses Wechselspiel bei den Vocals betrieben, zudem gibt es hier den ersten richtig großen Refrain zu hören, wie man ihn von der Band kennt. Ansonsten setzt auch dieser Track auf Abwechslung, neben der wunderbar emotionalen Bridge und den eingängigen Chorgesängen gibt es sowohl hart rockende Riffs, als auch viele ruhige Passagen zu hören. Insgesamt ein eher gemäßigter Song, der sicher allen Fans und Anhängern starker Melodien gefallen dürfte. Anschließend erinnert “Gold Dust” stellenweise ein wenig an DREAM THEATER, was einerseits an den “Awake”-artigen Keyboardsounds, aber auch dem leicht orientalischen Vibe und den heftigen Riffs liegt. “Strong” dagegen verfügt über einen fast beschwingten Groove und ausdrucksstarke Vocals von Ralf Scheepers, der hier überwiegend tief singt, aber im Refrain eine wunderbar aufsteigende Melodie zum Besten geben darf.

Jeder Song überzeugt auf seine Weise, eine zentrale, herausragende Nummer gibt es nicht, und doch stellen der einleitende und die beiden abschließenden Longtracks die Eckpfeiler des Albums dar. Gerade der Quasi-Titelsong “Digital Ghost”, dessen Text Mike Baker gewidmet ist, dürfte alte Fans jubeln lassen und vielleicht auch als Schlüssel zu den “neuen” SHADOW GALLERY dienen. Er hätte mit seinen Einflüssen aus Classic-, Symphonic- und Progressive-Rock, tollen Klavierpassagen und großen Melodien durchaus auch auf dem Debütalbum stehen können. Zusätzlich gibt es aber auch hier wieder einige Ausflüge in andere Terrains, wie etwa Jazz, zu bestaunen. Insgesamt geht die Band bei diesem Track deutlich weniger metallisch, dafür umso progressiver zu Werke. Auch das abschließende “Haunted” setzt auf bewährte Trademarks und baut sich ganz langsam mit einem ruhigen Einstieg auf. Es folgen wunderschöne, ergreifende Melodien und Gesangsharmonien, die in ein vom Klavier unterlegtes Gitarrensolo leiten, auf welches Brian May und QUEEN stolz gewesen wären. Danach nimmt der Song mit aggressiven Riffs Fahrt auf, um schließlich mit ausladenden Gesangsarrangements in einem bombastischen Gänsehaut-Finale zu gipfeln. Der perfekte Abschluss eines großartigen Albums!

Digital Ghosts” erscheint neben der normalen Variante auch als Special Edition mit vier zusätzlichen Bonustracks. Hier gibt es unter anderem eine noch nicht veröffentlichte Demo-Aufnahme mit Mike Baker zu hören.

FAZIT: SHADOW GALLERY bleiben sich selbst auch mit ihrem neuen Sänger treu, weshalb jeder Fan der Band bedenkenlos zugreifen kann, gehen aber im Detail auch neue Wege. Dadurch klingt das neue Album teilweise ein wenig basischer, direkter und weniger pompös, weshalb man auch Hörer gewinnen könnte, die bisher vielleicht aufgrund des vermeintlich hohen Kitsch-Faktors einen Bogen um die Band machten. “Digital Ghosts” stellt einen gelungenen Neustart für SHADOW GALLERY dar, vor allem aber eine herausragende Verbindung von Progressive Rock und Metal. Hoffentlich bleibt uns die Band in dieser Form noch lange erhalten, besser kann man das Vermächtnis von Mike Baker nicht ehren!

Daniel Fischer (Info) (Review 7660x gelesen, veröffentlicht am )

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Wertung: 13 von 15 Punkten [?]
13 Punkte
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Tracklist:
  • With Honor
  • Venom
  • Pain
  • Gold Dust
  • Strong
  • Digital Ghost
  • Haunted

Besetzung:

Alle Reviews dieser Band:

Interviews:
Kommentare
Acurus-Heiko
gepostet am: 26.10.2009

User-Wertung:
12 Punkte

Dem Review kann ich bis auf den Hinweis, der neue Sänger klinge stellenweise nach Geoff Tate klingen, zu hundert Prozent zustimmen.
dreichel
gepostet am: 28.10.2009

User-Wertung:
12 Punkte

Ich bin auf SG erst durch den Geoff Tate-ähnlicen Gesang auf die Kapelle aufmerksam geworden. Der neue Sänger KLINGT nach Geoff Tate ...
Jörg Fenin
gepostet am: 28.10.2009

User-Wertung:
12 Punkte

Ein tolles Review, dem ich mich zwar nicht hundertprozentig anschließend kann, das aber dennoch toll geschrieben ist.

Dass ich mich inhaltlich, oder man sollte besser sagen: geschmacklich nicht mit allem anfreunden kann, liegt in der Natur der Sache, jeder beurteilt Musik anders und ganz besonders solche vom Schlage Shadow Gallerys.

Mir gefällt die neue, etwas progressivere Ausrichtung von SG nicht so ganz, denn SG waren für mich immer die Band, die ich gehört habe, wenn ich gerade mal nicht Dream Theater oder Symphony X hören wollte.

SG hatten mit ihren unglaublichen Melodiebögen (besonders auf Room V und Tyranny) genau die Nische im Progressive Rock besetzt, die mir noch fehlte.

Dass das jetzt auf "Digital Ghosts" etwas verloren ging, laste ich der Band allerdings nicht an. Es ist für mich quasi ein Wunder, dass es überhaupt ein Album nach Mike Baker gibt. Ich konnte mir nie so richtig vorstellen, wie SG ohne Mike Bakers Stimme überhaupt funktionieren würden, obwohl natürlich die Qualität der verbliebenen Band so dermaßen herausragend ist, dass es eigentlich kein Wunder ist. Nur war halt Mikes Stimme die beste, die ich je gehört habe - egal in welcher Musikrichtung.

Ich bin gespannt auf das nächste Album, das dann hoffentlich mit nur einem Sänger nämlich Brian Ashland eingesungen wird - der (fast beängstigend) nah an der Stimme von Mike Baker ist, ohne aber wie seine Kopie zu wirken, wie hier schon ganz richtig gesagt wurde.

Ralf Scheepers hingegen möchte ich nicht mehr auf einem SG-Album hören. Nichts gegen ihn, aber Shadow Gallery ist etwas ganz anderes als Primal Fear. Aber wie gesagt, in dieser Situation nach dem Tod von Mike Baker ist der Band das zu verzeihen und es ist trotzdem noch ein Klasse-Album daraus geworden.
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