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Interview mit DON BROCO (31.05.2018)

DON BROCO

Nachdem ich im Februar das Vergnügen hatte, die neue CD „Technology“ der Briten von DON BROCO zu rezensieren, stand mein Entschluss fest, den Jungs auf deren anstehender Tour einen Besuch abzustatten. Den Konzertbericht findet ihr hier.

Dafür, dass es auch noch zu einem Interviewtermin mit Matt Donnelly, dem Schlagzeuger der Band kam, ein herzliches Dankeschön an Gordeon Music.

Ich treffe Matt nach dem Soundcheck im Büro des LUXOR.

Hallo Matt, vielen Dank, dass du dir die Zeit nimmst. Das neue Album „Technology“ ist für mich euer bestes bisher, denn es vereint die stärksten Elemente der ersten beiden Alben. Wie denkst du über „Technology“ im Vergleich zu „Priorities“ und „Automatic“?

Matt Donnelly: Ich sehe das genau wie du. Technology ist die konsequente Weiterentwicklung unseres Stils. „Priorities“ war eine Low-Budget Produktion, wir hatten nicht viel Geld zur Verfügung, bei „Automatic“ war das schon etwas anders, wobei beide Alben etwas mehr in Richtung Pop gehen. Auf den Konzerten haben wir dann die Erfahrung gemacht, dass die Leute besonders bei härteren Nummern abgehen. Daher haben wir bei „Technology“ unser Augenmerk darauf gelegt und beim Schreiben der Songs sofort entschieden – passt der Beat oder Lick ins Konzept oder nicht. Unsere Arbeitsweise wurde dadurch effektiver und die Songs, die dabei entstanden sind, griffiger, teilweise härter und auch kantiger.

Ihr spielt eine Menge Shows in den USA. Es scheint, dass es die richtige Entscheidung war, bei SHARPTONE RECORDS zu unterschreiben?

Matt Donnelly: Die absolut richtige Entscheidung. Wir waren im letzten Monat schon in den USA auf Tour und werden nach den Gigs in Europa wieder in die Staaten gehen. Die Unterstützung unseres neuen Labels ist phänomenal und hilft uns dort drüben, wo uns faktisch niemand kennt, ungemein. Dort sind wir die absoluten Newcomer. Ohne unser Label wäre das alles nicht möglich.

Der Titelsong „Technology“ thematisiert das Internet und insbesondere den Social-Media Wahnsinn. Dort gibt es eine Textzeile die lautet: „Turn back the technology“. Glaubst du, dass das machbar oder wünschenswert wäre?


Matt Donnelly: Zum Teil wäre das wünschenswert, ist aber nicht immer machbar. Ich bin beispielsweise froh, dass ich meine Kindheit ohne Social-Media erleben durfte. Wir hatten ganz andere Dinge, die uns beschäftigt haben. Natürlich haben die Sozialen Netzwerke in der heutigen Zeit ihre Berechtigung und einen hohen Stellenwert, aber man sollte sich ab und zu auch eine Auszeit von dem ganzen Trubel nehmen und sich auf das Wesentliche konzentrieren, echte Freunde, zum Beispiel.

T-Shirt Song“ ist ein sehr emotionaler Song mit autobiographischen Elementen. Kannst du mir etwas zur Geschichte des Songs erzählen?


Matt Donnelly: Der Titel trägt allerdings starke, autobiographische Züge, die Rob in seinem Text verarbeitet hat. Zum einen gab es zu dieser Zeit eine Trennung innerhalb unseres Freundeskreises, die wirklich unschön war, wo es böses Blut gab, was uns alle sehr mitgenommen hat. Zum anderen hatte aber auch Rob in dieser Phase starke, gesundheitliche Probleme, die ihn völlig aus dem Gleichgewicht geworfen haben, denn zum ersten und bisher einzigen Mal hatte er aufgrund einer starken Erkältung seine Stimme verloren, so dass er nicht auftreten konnte.

Er hat alles versucht, um schnellstmöglich wieder auf die Beine zu kommen, aber selbst strikte Bettruhe und Medizin haben nichts gebracht. Also haben wir dann vorgeschlagen, einfach mal in einen Club zu gehen, um auf andere Gedanken zu kommen. Ich weiß nicht, ab es diese Tradition in den Clubs in Deutschland auch gibt, aber ganz an Ende, bevor der Laden schließt, spielen sie immer das Baywatch-Theme und alle Anwesenden ziehen ihr T-Shirt aus und schwingen es über ihren Köpfen - kurz zwischendurch – gibt es so was bei euch auch?

Nein, leider nicht...

Matt Donnelly: Ah, ok...jedenfalls war das der Zeitpunkt, ab dem es gesundheitlich mit Rob wieder aufwärts ging, daher ist der Song von besonderer Bedeutung für die Band.

Stay Ignorant“ thematisiert Fake-News..

Matt Donnelly: Ja, absolut.

...glaubst du, dass Fake-News einen Einfluss auf die Brexit-Abstimmung in Großbritannien gehabt haben?

Matt Donnelly: Ich glaube, es war unvermeidlich, dass das passiert ist. Wir leben in einer Zeit, in der es so schwer ist zu unterscheiden, ob das, was du liest, korrekt ist oder nicht, wobei man das Problem bei Zeitungen natürlich immer schon hatte. Ich glaube, das Problem ist die Informationsflut, die wir täglich konsumieren, jeder liest den ganzen Tag Tweets und der Song „Stay Ignorant“ ist entstanden, als Rob eine Dokumentation über Syrien und die Weißhelme (eine private Zivilschutzorganisation von Freiwilligen in Syrien, Anm. d. Redaktion) gesehen hat, ein fesselnder Bericht über die Dinge, die in Syrien vor sich gehen, er war sehr bestürzt über das, was er dort gesehen hat und meinte, er würde gerne mehr tun, um zu helfen.

Im Nachhinein hat er sich dann die Frage gestellt, ob es nicht besser gewesen wäre, die Reportage nicht gesehen zu haben, also die Einstellung „Ignoranz bedeutet Glückseligkeit“. Denn wenn du die Nachrichten jeden Tag verfolgst und die schrecklichen Dinge mitbekommst, die jeden Tag überall in der Welt passieren und darüber wirklich ernsthaft nachdenkst, müsstest du den Rest deines Lebens in Verzweiflung leben.

Manchmal hilft es einfach, nicht darüber nachzudenken...man kann sich die Frage stellen, ob es besser wäre, die Nachrichten einfach abzuschalten, das Telefon auszumachen, auf der anderen Seite will man aber informiert bleiben und wissen, was in der Welt so los ist...es gibt wohl keine richtige Antwort auf die Frage...manchmal wünscht man sich einfach, wenn man diese grauenhaften Dinge sieht, einfach abzuschalten, um damit nichts zu tun zu haben. Darum geht es in dem Song. Der Song fantasiert darüber, alle Satelliten abzuschießen, die globale Kommunikation zu kappen und einfach glücklich zu sein...

Wie denkst du über Streaming Dienste wie SPOTIFY oder DEEZER? Helfen die den Bands, ihre Musik zu verbreiten, oder stehst du mehr auf die physischen Datenträger wie CD und LP?

Matt Donnelly: Das ist eine interessante Frage. Ich für meinen Teil würde es immer vorziehen, ein Album zu kaufen, aber das hängt damit zusammen, dass, als ich die Musik für mich entdeckt habe und sie zu meiner Leidenschaft wurde, dies der einzige Weg gewesen ist, Musik zu bekommen. Da es so viele Alben gibt, die ich liebe, habe ich eine Sammlung zu Hause, ich liebe das Artwork der CDs, ich lese immer die Booklets, ich lese die Texte, aber ich denke, Streaming Dienste haben ihre Berechtigung und werden auch nicht mehr verschwinden und die Art und Weise wie sich gerade SPOTIFY in Großbritannien entwickelt hat, ist fantastisch, sie unterstützen tatsächlich neue Künstler und Bands.

Wenn ich auf unserer Tour mit Leuten ins Gespräch komme und sie frage, wie sie uns für sich entdeckt haben, höre ich oft die Antwort: auf SPOTIFY, auf einer Playlist. Die Möglichkeit, neue Bands zu entdecken, ist ein fantastischer Aspekt und hilft den Bands. Als diese Services gestartet sind, hat es eine Weile gebraucht, bis man herausgefunden hat, wie das Ganze funktionieren sollte, insbesondere wie sich die finanziellen Aspekte managen lassen, denn am Anfang mussten diese Dienste in erster Linie profitabel arbeiten und es kam wenig Geld bei den Künstlern an.

Aber darum kümmern sich nun die Labels und die Situation hat sich schon deutlich verbessert. Das Problem, das die Streaming Dienste gelöst haben, ist das Problem der Piraterie, die vor 10-15 Jahre weit verbreitet und es üblich war, Musik einfach zu stehlen, ohne sich groß Gedanken darüber zu machen. Alle haben gedacht, die Musik wäre ein kostenloses Allgemeingut. Die Streaming Dienste haben dieses Problem gelöst, denn mittlerweile kommt es niemandem mehr in den Sinn, einen illegalen Download zu riskieren, denn alle leisten ihren Obolus und denken sich: warum sollte ich mir die Mühe machen, Sachen illegal zu beschaffen und mich auf Piraten-Sites zu bewegen, wenn ich doch ganz einfach meinen Beitrag entrichten kann. Ich denke daher, dass die Streaming Dienste dieses Problem sehr erfolgreich gelöst haben. Das hilft zwar nicht unbedingt beim Verkauf physischer Tonträger, ist aber viel besser als die illegale Alternative.

Das neue Album „Technology“ ist jetzt seit etwa vier Monaten auf dem Markt und eine ganze Ecke kantiger als die beiden Vorgänger. Wie reagieren eure Fans darauf?

Matt Donnelly: Ausgesprochen positiv. Wenn man mit einem Album startet, weiß man nie, wie es sich letztendlich entwickelt. Einige Bands werden quasi über Nacht erfolgreich, wenn ihre Songs den ganzen Tag im Radio laufen. Wir haben in Großbritannien eine große Radiostation, die versucht, dich zu vereinnahmen und wenn deine Songs auf deren Playlist stehen, kann man auf diese Weise ziemlich schnell ziemlich groß werden. Bei uns sieht die Sache etwas anders aus, denn wir haben unsere mittlerweile große Fanbase durch ständiges Touren aufgebaut, eine sehr loyale Fanbase im Übrigen. Wir sehen uns selbst in erster Linie als Liveband. Das ist für uns der beste Teil des Jobs. Die Fans, die zu unseren Konzerten kommen, wollen involviert werden, wollen hüpfen und die Energie spüren und da funktioniert das Album sehr gut.

Das Cover eures Albums ist sehr interessant, obwohl es auf den ersten Blick wenig mit Technologie zu tun hat...

 

Matt Donnelly: Ja, es soll Raum für Interpretationen geben. Als wir uns anfangs zusammengesetzt haben um zu entscheiden, welches Thema das Album behandeln würde, dachten wir: oh cool „Technologie“. Dann haben wir uns überlegt, wie wir uns bei dem Gedanken an die neuen Technologien fühlen, welche Vor-und Nachteile sie haben. Die heutigen Technologien erzeugen fast den Eindruck der Allmacht, es hat fast schon etwas religiöses, wie unsere Smartphones. Es kann eine dunkle Seite besitzen und uns unheimlich erscheinen, insbesondere erschrecken uns neuartige Technologien anfangs, später werden sie mehr und mehr vertraut. Nuklearwaffen und Raketen haben starke, negative Aspekte.

Wir haben uns daher entschieden, so etwas wie ein religiöse Ikone zu kreieren mit dem zornigen Hund in der Mitte, die die dunkle Seite von Technologie und die Angst, sowie die religiösen Aspekte symbolisieren soll. Das Ganze setzten wir dann in ein futuristisches, grafisches Umfeld. Auf dem Cover gibt es aber noch viel mehr zu entdecken und ich wünsche mir, dass die Leute mit jedem Mal mehr entdecken und immer wieder neue Aspekte für sich erfassen. Wir wollten nicht einfach einen Computerbildschirm darstellen und „Technology“ drunterschreiben – das wäre uns zu billig gewesen.

Welche Frage wurde in einem DON BROCO interview noch nie gestellt, die du aber immer schon einmal gerne gestellt bekommen hättest?

Matt Donnelly: (Lacht) Wow...darüber habe ich noch nie nachgedacht..ich fände es aber toll, wenn jemand daherkommen würde und mich etwas fragen würde, das nichts mit Musik zu tun hätte...weißt du, alle unterhalten sich über Musik – aber dabei kommen andere Facetten der Persönlichkeit nicht zum Vorschein. Wir alle haben eine Vielzahl von Interessen. Ich zum Beispiel bin ein großer Fußballfan, ein großer MANCHESTER UNITED Fan, das ist eine meiner Leidenschaften. Ich versuche jedes Spiel zu sehen, ins Stadion zu gehen, wenn ich kann...also eine Frage nach dem Saisonverlauf oder Neuverpflichtungen im Sommer...oder was sagst du zum Trainer...

Matt, vielen Dank für dieses Gespräch.


DON BROCO Technology Review

DON BROCO Live im LUXOR Köln 28.05.2018

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Mein Dank geht an Gordeon Music für die Akkreditierung.

Stefan Haarmann - Stellv. Chefredakteur (Info)
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