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Interview mit URFERD (27.05.2022)
Bislang vor allem als Musiker von Twilight Force (Symphonischer Power Metal) und Ages (Black Metal) bekannt, begab sich der schwedische Multi-Instrumentalist Daniel Beckman während einer Corona-bedingten Auszeit von seinen jenen Band-Aktivitäten daran, mit URFERD ein Projekt ins Leben zu rufen, welches sich den ruhigeren Klängen zwischen Nordic Folk und Dark Ambient widmet. Sein Debüt-Album "Resan" greift verschiedene Einflüsse auf, die er nicht zuletzt als Live-Tontechniker für Folk-Pioniere seiner Heimat gewonnen hat. Doch nicht nur die Musik anderer Künstler hat Daniel inspiriert, sondern auch die Wälder, die selbst im Norden einem Wandel unterliegen, der mit Sorge beobachtet wird…
Hallo Daniel, schön, dass Du Dir Zeit nimmst, damit wir über Dein Projekt URFERD sprechen können, das für mich wie ein Soundtrack für Zeitreisen oder Tagträume klingt, der Elemente aus nordischem Folk und Ambient zusammenführt. Handelt es sich dabei um einen lang gehegten Traum oder eher um ein spontanes Projekt, das in Zeiten von Covid und dessen Auswirkungen auf die Gesellschaft entstanden ist?
Ein bisschen von beidem. Mir schwebte bereits seit ein paar Jahren vor, ein Album wie dieses aufzunehmen. Doch waren meine anderen Projekte alle sehr zeitaufwendig und haben mich davon abgehalten, andere musikalische Ideen zu erkunden und Projekte zu starten. Ich brauchte die Zeit und die Möglichkeit, mich hinzusetzen und mich wirklich über einen längeren Zeitraum zu konzentrieren, um die URFERD-Songs zum Leben zu erwecken. Wie es der Zufall wollte, zwang mir die Pandemie diese Zeit in Abgeschiedenheit auf. Die Absage von Tourneen und Aufnahmen gaben mir die Möglichkeit, mich auf das zu konzentrieren, was schließlich URFERD wurde.
"Resan" wurde von Black Lodge auf CD und Vinyl veröffentlicht, was in Zeiten schwieriger Vinyl-Produktionen nicht selbstverständlich für ein Debüt-Album ist, also schätze ich, dass Du ziemlich glücklich bist, eine solche marmorierte Schönheit in Händen halten zu dürfen?
In der Tat, es macht mich wirklich glücklich zu sehen, dass Vinyl ein Comeback feiert und dass physische Formate wieder im Kommen sind. Es ist etwas Besonderes, einen echten Tonträger in Händen zu halten, sozusagen als greifbare Quittung für die eigenen Bemühungen. Und Käufer solcher Formate erhalten als Bonus zur Musik das Album-Cover in einem größeren Format und sie können durch das Booklet blättern, was zum Gesamterlebnis eines Albums beiträgt. Leider verzögert sich die Vinyl-Produktion im Moment sehr arg, und die Lieferzeiten sind horrend lang, was immer wieder Veröffentlichungen auf sich warten lässt. Ich hoffe, dass die Produktion irgendwie beschleunigt werden kann, um die steigende Nachfrage zu befriedigen.
Der Gesamteindruck von URFERD wirkt waldig bis ins Mark. Inwieweit ist die Musik draußen beim Wandern durch die Natur entstanden?
Ich habe schon immer eine enge Verbindung zur Natur gefühlt. Als Kind habe ich viel Zeit in den Wäldern verbracht, und heute ist der Wald für mich noch allgegenwärtiger. Ich wohne buchstäblich am Waldrand, was sehr angenehm ist, denn ich kann fünf Minuten gehen und bin von Bäumen umgeben, soweit das Auge reicht. Das ist eine große Inspirationsquelle für Musik im Allgemeinen und für URFERD im Besonderen. Einige musikalische Ideen sind mir also auf jeden Fall in der Wildnis gekommen. Durch den Wald zu laufen, eröffnet dem Geist eine Ruhepause, ungestört von den Geräuschen und Zeugnissen der Zivilisation.
Was die Folk-Einflüsse angeht, so scheint es, dass Du traditionelle Muster in Deinen Liedern verwebst, so ist mir zum Beispiel eine Melodie in "Vaka" aus einem Lied von Kari Rueslåtten bekannt, während mich "Dvala" an eine Garmarna-Melodie erinnert. Ist das die Musik, mit der Du aufgewachsen bist?
Eigentlich überhaupt nicht, ich bin hauptsächlich mit klassischer Musik aufgewachsen, und so gut wie gar nicht mit Volksmusik. Ich hatte noch nie von Kari Rueslåtten gehört, also habe ich ein bisschen recherchiert, und du hast tatsächlich Recht: Die Melodie in "Vaka" erinnert an ihr Lied "Trollferd". Es scheint jedoch, dass "Trollferd" seinerseits auf einem alten norwegischen Volkslied basiert, also vermute ich, dass diese Dinge immer wieder aufs Neue verwendet, aufgegriffen und interpretiert werden. "Alles ist ein Remix", wie man so schön sagt. Doch die Ähnlichkeit zwischen "Vaka" und "Trollferd" oder irgendetwas anderem ist rein zufällig, was ich an und für sich schon sehr faszinierend finde!
Der Song "Dvala" basiert eigentlich auf einem alten schwedischen Schlaflied, das mir als Kind fast jede Nacht vorgesungen wurde. Soweit ich weiß, ist es ziemlich unbekannt, und nur meine Erinnerungen an dieses Lied bildeten die Grundlage für den Song. Es hat mich mein Leben lang begleitet, und ich wollte es mit meiner eigenen Interpretation verewigen. Also habe ich einen neuen Text geschrieben und ihn so arrangiert, dass er zu dem Sound passt, der mir vorschwebte. Wenn es einen Garmarna-Song gibt, der ähnlich klingt, dann ist das ein glücklicher Zufall - oder sie haben auch das Wiegenlied gehört, haha. Ich habe viele Jahre lang mit Garmarna als ihr Live-Tontechniker zusammengearbeitet, ergo habe ich natürlich viele ihrer Lieder oft gehört. Es handelt sich um tolle Menschen und großartige Musiker, und ihre Musik war offensichtlich eine der vielen Inspirationsquellen für URFERD.
Ehrlich gesagt war ich etwas perplex, als ich "Strövtåg" zum ersten Mal hörte, denn das Lied klingt wie ein verschollenes Stück von Arcanas Album "Dark Age of Reason", das seit seiner Veröffentlichung zu meinen Favoriten gehört. Ist es deine persönliche Hommage an diese Pioniere des Dark Ambient, und wenn ja, was macht ihre Musik für Dich so attraktiv?
Das ist eine ebenso interessante wie scharfsinnige Beobachtung. "Strövtåg" und in gewisser Weise auch "Hymn" sind von klar erkennbaren Arcana-Vibes und -Einflüssen durchdrungen. Gleichwohl ich "Dark Age Of Reason" nicht so oft gehört habe, gab es eine Phase in meinem Leben, in der mir Arcana sehr wichtig war, und das Album "Le Serpent Rouge" ist immer noch eines meiner Lieblingsalben. Es lag nicht in meiner Absicht, Arcana mit diesen Liedern Tribut zu zollen, doch wie du sagst, liegt die Inspiration für diejenigen, die mit der Musik von Arcana vertraut sind, auf der Hand.
Wo wir gerade beim Thema musikalische Inspiration und Referenzen sind, muss ich Loreena McKennitts großen Einfluss auf mich erwähnen. Sie ist seit mehr als 20 Jahren eine meiner liebsten, wenn nicht sogar meine Lieblingskünstlerin der Gegenwart schlechthin. Auch wenn ihre Musik stärker von keltischer und orientalischer Musik beeinflusst ist, fesseln mich ihre Tonsprache, Musikalität und Klanglandschaften auf magische Weise, zudem ist die handwerkliche Qualität ihrer Alben einfach verblüffend.
Das Cover von "Resan" zeigt Dich vor einem nebelverhangenen Wald, und ich vermute, das ist eine Szenerie aus deinem Heimatland? Ein solches Foto zu schießen, ist in meiner Heimat, einem Mittelgebirge, das für seine Fichten-Monokulturen bekannt war, so gut wie unmöglich geworden. Die dortigen Wälder wurden durch den Klimawandel und den Borkenkäfer in den letzten Jahren hinweg weggefegt, so dass die Berghänge dieser Tage verwüstet und die Wälder meiner Kindheit verschwunden sind. Erlebst du ähnliche Entwicklungen in Deiner schwedischen Heimat, oder inspirieren solche Entwicklungen Deine Musik auf einer anderen Ebene?
Ja, wir haben eine unüberschaubare Menge an Gebirgszügen in Schweden, besonders in meiner Heimat. Dieser Teil Schwedens wird "Dalarna" genannt, was wörtlich übersetzt "die Täler" bedeutet. Weithin waldbedeckte Bergketten und Hügel sind allgegenwärtig und zahlreich. Es stimmt mich traurig, vom Niedergang der Landschaften deiner Kindheit zu hören. Ich kann nicht sagen, dass ich hier einen vergleichbaren Niedergang erlebe, doch andere Dinge machen mir wirklich Sorgen und sind mit jedem neuen Tag deutlicher wahrzunehmen, zum Beispiel der rapide und massive Rückgang der Biomasse an Fluginsekten. Ich gebe mir Mühe, bei diesen Themen nicht wie ein Schwarzmaler zu klingen, doch zu viele Faktoren deuten auf zu viele düstere Entwicklungen hin. Da wir formell in das Zeitalter des sechsten Massensterbens eingetreten sind, können wir den weltweiten Rückgang von Flora und Fauna in Echtzeit beobachten, der durch menschliche Gier und Gleichgültigkeit bewirkt wird. Das ist wirklich frustrierend. Alle Bemühungen für positive Umweltveränderungen auf individueller oder sogar auf Ebene eines ganzen Landes wie des winzigen Schwedens werden von den wenigen Verursachern, die für den größten Teil der Umweltverschmutzung verantwortlich sind, negiert oder zunichte gemacht. Damit sich die Dinge tatsächlich verbessern, muss auf globaler Ebene etwas Grundlegendes geschehen. Wir können nur hoffen, dass sich etwas ändert, bevor es zu spät ist.
Bisher kenne ich keine Deiner übrigen Bands, doch ich weiß, dass URFERD in mancher Hinsicht ein eigenes Kapitel darstellt. Welche Lektionen hast Du auf Deiner "Resan" gelernt und was hat einen erfahrenen Musiker wie Dich dabei überrascht?
Formal gesehen, handelt es sich bei URFERD um mein erstes Solo-Projekt, was an und für sich schon eine Herausforderung war, allerdings auch Freiheit mit sich brachte, die ich so noch nie zuvor erlebt hatte: Plötzlich lagen alle kreativen und technischen Entscheidungen allein in meiner Hand, was sowohl beängstigend wie auch befreiend war. Ich konnte mich dem Flow hingeben, Ideen ausprobieren, mit Klängen und Instrumenten experimentieren, was ich normalerweise nie in dieser Form gemacht hätte. Ich sammle schon seit langem mit Begeisterung verschiedene Musikinstrumente, und nun konnte ich meine bescheidene Sammlung mit Instrumenten aus aller Welt endlich sinnvoll zum Einsatz bringen. Mit meinem begrenzten Wissen über die Instrumente verbrachte ich zunächst ziemlich viel Zeit damit, herauszufinden, wie sich die Instrumente am besten spielen lassen und welche Klänge ich ihnen entlocken kann. Insgesamt war es eine durchweg sehr lohnende Reise, und es war definitiv eine lehrreiche Erfahrung, ein Solo-Album aufzunehmen und ein anderes Genre zu erkunden.
Was steht als Nächstes für URFERD an?
Jetzt, wo "Resan" fertig ist, habe ich das Gefühl, dass das nächste Kapitel gar nicht mehr so einschüchternd auf mich wirken wird. Die Arbeit am ersten Album brachte viele Experimente mit sich, denn es ging mir ja darum, die Klanglandschaften und Atmosphären zu finden, nach denen ich gesucht hatte. Dabei musste ich mich vergewissern, dass ich den richtigen Weg eingeschlagen hatte. Mittlerweile bin ich mir im Hinblick auf diesen Weg sicherer, und meine Ideen wie auch meine Vorgehensweise sind klarer umrissen. Dennoch denke ich, dass ich immer noch am Anfang dessen stehe, was einst aus URFERD werden kann, und ich freue mich sehr darauf, so bald wie möglich mit der Arbeit am nächsten Album zu beginnen. Ich habe auch die Möglichkeit von Konzerten angedacht, und obwohl die Idee noch in den Kinderschuhen steckt und Konzerte wahrscheinlich noch in ferner Zukunft liegen, ist es eine verlockende Idee, die mit genügend Zeit, Ressourcen und Aufwand auf jeden Fall umzusetzen wäre.
Danke, Daniel, dass Du Dir die Zeit genommen hast, und alles Gute für URFERD und Deine anderen Bands!
Vielen Dank für das tolle Interview und die netten Worte!
Photos: George Grigoriadis