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Interview mit Dreamtide (25.09.2003)

Dreamtide
Dreamtide Gitarrist und Songwriter Helge Hengelke steht Idioglossia Rede und Antwort. Das neue Album "Dreams For The Daring" flutscht so richtig ins Ohr ohne oberflächlich zu sein - und sollte nach Helges Meinung erst gar nicht in irgendeine musikalische Schublade gesteckt werden ... Erstmal herzlichen Glückwunsch zu eurem neuen Album: "Dreams For The Daring" hebt sich angenehm von einem Großteil der melodischen Hard RockAlben ab! Vielen Dank für's Lob. Gleichzeitig isser da wieder, der komische Begriff, bei dem mir sämtliche roten Lampen angehen, gar nicht weiss was das ist und je mehr man’s mir erklärt, um so weniger wissen will was es ist. "Melodic Rock", bäh, bringt Jod und heisses Wasser, giftige Lippen haben mich geküsst. Gegen Melodie hab’ ich gar nichts, gegen Rock auch nicht, musikalische Schubladen hingegen sollten verboten werden. Als ich mit Fair Warning anfing wurde die ganze Sache unter "Heavy Metal" verscherbelt. War’s sicherlich nicht. Dann gab’s plötzlich "Melodic Rock", war für eine Weile ja auch ganz nett und passte zu FW vielleicht sogar. Nun ist es inzwischen aber so, dass wenn man sich anhört, was unter diesem Etikett so daherkommt, wird einem ganz weich in Kopf, Beinen und weiss ich noch wo. Dummerweise klebt das Etikett jetzt an Dreamtide. So begründest Du Deinen Glückwunsch auch gleich mit dem Unterschied zu den meisten ‘Melodic Rock’ Veröffentlichungen. Danke, genau so war’s gemeint. In meinen Augen geht’s bei Dreamtide um Songs und Energie. Kaum daß jemand tatsächlich singt und nicht aussschließlich grunzt, haben die Schubladenspezialisten ein Problem. Ziel des neuen Albums "Dreams for the Daring" war, unter anderem, auch zu beweisen daß Melodie und auf die Fresse gleichzeitig geht. Ihr habt nach eurem Debüt "Here Comes The Flood" zwei Jahre gebraucht, bis der Nachfolger im Kasten war. Für eine neue Band eine recht lange Zeit, denn die Gefahr, in Vergessenheit zu geraten ist für Newcomer besonders groß. Allerdings kennen euch viele noch aus Fair Warning Zeiten. Habt ihr so lange an den Songs gefeilt oder geht ihr noch anderen (musikalischen) Beschäftigungen nach? Wir wollten nicht eine Platte machen über die gesagt werden kann: na, ja zwei,drei nette Songs und der Rest Müll. So haben wir schon recht lange mit dem Schreiben, Auswählen und Aufnehmen der Songs verbracht. Lieber zwischendurch in Vergessenheit geraten, als nach einer schlechten Platte, zu Recht, das gleiche tun. Ob uns gelungen ist was wir vorhatten, müssen andere entscheiden. Mit Olaf Senkbeil habt ihr einen echten Glücksgriff getan, oder? Er singt kraftvoll, aber angenehmer Weise nicht in zu hohen Tonlagen (Stichwort 'Kastratengesang'). Danke, find ich auch. Die Songs sind schon in einer recht hohen Lage geschrieben. Glücklicherweise klingt’s bei Olaf gut weil er es eben kann. Eure Musik als technisch zu bezeichnen, wäre sicher falsch. Die Instrumentierung ist sehr songdienlich, was aber nicht heißt, daß es keine musikalischen Kabinettstückchen zu bewundern gibt. Welche Gitarristen sind ein großer Einfluß für dich als Gitarrist und Songwriter? Diese Frage ist für mich gar nicht so leicht zu beantworten, denn einerseits gibt es Gitarristen die mich sehr beinflußt haben und andererseits Songs oder Musik die überhaupt gar nichts mit Gitarrenzauberei zu tun haben, mich aber trotzdem stark beeinflussen. Oder anders gesagt: Es gibt Gitarristen, die können so wunderbar spielen, daß ich am liebsten nie wieder eine Gitarre anfassen würde oder sollte, aber Musik machen und schreiben bei der’s mich gruselt. Oder noch anders: Gute Gitarre und gute Songs gehen meistens leider nicht Hand in Hand. Das versuch ich dann (was bin ich doch für ein Großmaul). Da gibt’s aber auch Ausnahmen, wo dann beides stimmt. Uli Jon Roth, Michael Schenker, Ritchie Blackmore haben mich schon sehr beeinflusst. Ich mag aber auch Songs von Led Zeppelin bis Rammstein und von Bob Marley bis Shaggy. Eure Musik wartet immer wieder mit indianischen Motiven auf. So zum Beispiel im Song "Eden", den ich besonders gerne mag. Wer von euch bringt diesen für die Rock Musik eher untypischen Einfluß in die Band? Eden war eher arabisch gemeint. Hamwawolnichhingekriegt. Die Vorliebe für schräge Folklore kommt von mir. Es reizt mich Dinge zusammenzubringen die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben. Wenn's hinterher trotzdem rockt freue ich mich. Auf eurem neuen Album sind auch einige moderne Einflüsse zu finden. "Sweet Babylon" wartet mit der einen oder anderen Computer-Spielerei auf. Werdet ihr diesen Weg weiterverfolgen oder war das eine einmalige Sache? Da weiss ich nun gar nichts drauf zu antworten. Wir haben nur versucht das Arrangement interressant zu machen. Ob das jetzt wegweisend wird, weiß ich nicht. Stehen die Songs bei euch, bevor ihr ins Studio geht oder kommen euch die besten Ideen spontan bei den Aufnahmen? Die Songs sind fertig bevor sie aufgenommen werden. Bei den Aufnahmen kann aber jeder noch sagen: "Find ich Scheisse lass mal anders machen." Davon wird auch reichlich Gebrauch gemacht. Könntest du dir vorstellen, daß Dreamtide mal härter werden könnten? Wie härter? Da versteht ja jeder was anderes drunter. Ach so, ich muss ja Propaganda machen. Klar. Das neue Album ist eh das härteste was wir je gemacht haben und es wird bestimmt immer härter. Das nächste ritzen wir dann in Granit. Das wird so hart, da fällt der Schall direkt hinter dem Lautsprecher bis nach China durch. Kann man also gar nicht mehr hören. Macht aber auch nix, hauptsache hart. Wann dürfen wir euch auf Tour erwarten? Das hängt davon ab, wie oft das Album gekauft und kopiert wird. Wir hoffen, daß publikumsseits genug Interresse da sein wird, um mit diesem Album zu touren. Noch ist "Dreams for the Daring" nicht veröffentlicht, deshalb ist es noch etwas früh darüber zu reden. Mit wem würdet ihr am liebsten gemeinsam touren? Gibt es da einen Wunschkandidaten? Beethoven, das wär doch mal was. Welches Jahrzehnt gefällt dir vom musikalischen Aspekt am besten? Die 60er, 70er, 80er oder die 90er? Kann ich nicht sagen. In jedem Jahrzehnt gab’s prima Sachen aber auch jede Menge Grütz. Es werden ja immer mehr Gerüchte laut, daß es eine Queen Reunion mit John Farnham als Sänger geben wird. Was hältst du von solchen Reunions - vor allem speziell in diesem Fall? Öh, tja, keine Ahnung müsst ich hören. Ich würd’ aber relativ hohe Summen wetten, daß diese Besetzung nicht zu Stande kommt. "Die Musik steckt in einer kreativen Krise" - alles Blödsinn oder ist da was dran? Alles Blödsinn. Ich mein’guck Dir doch mal so ne casting-show im Fernsehen an. Wie viel kreativer kann man denn noch werden, um so was zu verkaufen? Musik ist doch in Wahrheit langweilig. Viel interessanter ist doch, wenn sich jemand zum Volddeppen macht und trotzdem Platten verkauft, oder irgendeinen Song von irgendjemanden ganz hübsch nachsingt und dafür von jemanden Lob einheimst, der selbst nix kann und damit irrsinnig erfolgreich ist. Nein, aber im Ernst es gibt viele interressante Dinge zu hören. Das Problem ist, daß es neue Musik schwer hat, das Publikum zu erreichen, weil sie kaum im Radio oder Fernsehen vorgestellt wird. Auf den Fernseh-Musiksendern werden immer die gleichen 7 1/2 songs bzw. Bands gespielt. Wenn's was neues gibt, muss das aus USA oder England kommen. Da hat sich in den letzten 30 Jahren nichts geändert. Ausnahme ist alles was entweder auf NDW zurückgreift oder deutscher hip-hop oder rap, oder wie immer das heisst, ist. Hier in Hannover wo ich lebe, gibt es z.B. einen Radio Sender, der nennt sich "Das neue Rock Radio". Spielt aber nur Oldies. So geht's natürlich auch nicht. Meiner Meinung nach liegt das Kreativproblem eher bei den Plattenfirmen. Die kauen lieber zum siebzigmillionsten Mal etwas durch was irgendwann mal erfolreich war oder konzentrieren sich auf Nischen. Danke für das Interview! Ich wünsch euch weiterhin viel Erfolg! :-) Danke auch und viele Grüsse
Nils Herzog (Info)
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