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Interview mit Johannes Luley (25.03.2013)
Johannes Luley war Gründungsmitglied von MOTH VELLUM, die 2008 ein Debüt vorlegten, das von YES (und weiteren Prog-Bands der 70er) inspiriert war, ohne zu kopieren. Eine bisschen retro, aber nicht altbacken, machte es Lust auf mehr. Doch ein Folgealbum blieb aus. MOTH VELLUM lösten sich auf. 2013 erscheint Luleys Solo-Album „Tales Of Sheepfather’s Grove“ und überzeugt als wohlklingender Begleiter durch die stürmische See. Oder auch die ruhige… Die passende Gelegenheit für ein Interview mit dem Wahlamerikaner.
Hallo Johannes, bevor wir uns um die Gegenwart kümmern, ein paar Worte zu deiner (musikalischen) Vergangenheit. Du warst Gitarrist der amerikanischen Band MOTH VELLUM, die 2008 ein bemerkenswertes Album herausbrachte. Dann wurde es still und irgendwann lösten sich MOTH VELLUM auf. Was ist passiert?
Hallo Jochen, und Hallo Musikreviews-Leser. MOTH VELLUM kam zu einem frühzeitigen Ende weil unser Drummer schwere Rückenprobleme hatte, die ihm das Schlagzeugspielen für eine geraume Zeit nicht mehr erlaubten. Zudem zog unser Keyboardspieler von San Francisco - wo die Band ansässig war - nach Portland, Oregon, um eine Familie zu gründen. Danach habe ich als treibende Kraft noch fast ein ganzes (zehrendes) Jahr versucht, die Band irgendwie am Leben zu erhalten. Als dann der Bassist und Leadsänger auch nicht viel Ambition zeigte, musste ich im Endeffekt das Handtuch werfen. Da ich wusste wie sehr viele Fans auf ein Nachfolgewerk warteten, war das eine schwere Entscheidung, gefolgt von einer sehr frustrierten Phase. Ich hatte große Pläne für die Band aber es stand eben nicht so in den Sternen.
In einem Interview erwähntest du, dass ein zweites Album in Arbeit war. MOTH VELLUMs Unvollendete? Ad acta gelegt oder wird man noch davon hören?
Ich werde das in letzter Zeit natürlich des Öfteren mal gefragt. So leid es mir tut: MOTH VELLUM ist ein für alle Mal vorbei. Die halbangefangene Nachfolge CD erweckt bei mir keine guten Erinnerungen, und somit habe ich beschlossen das Material einzumotten, und ich habe auch kein Bedürfnis es wieder auszukramen. Dafür habe ich einfach zu viele aktuelle Ideen die mir viel besser gefallen. Man entwickelt sich ja weiter und das muss dann auch seinen Ausdruck finden können.
Wie du merkst, möchte ich die Vergangenheit lieber ruhen lassen. Ich habe einfach zu viele neue Ideen. Ein Problem was man gerne hat, nicht wahr?
Hast du noch in anderen Bands/Projekten mitgespielt?
Ja, vor MOTH VELLUM war ich in einer Trip-Hop Band namens HOPSCOTCH. Das einzig veröffentlichte Album hieß "Cinema". Es ist natürlich überhaupt nicht "prog", klingt aber auch nach 10 Jahren in meinen Ohren immer noch gut. Ich habe die Platte damals auch fast im Alleingang produziert. Meine damalige Partnerin fungierte als Sängerin. Davor spielte ich in einer Grungeband in San Francisco, namens SOIL. Davon gibt es aber keine offiziellen Aufnahmen. Derzeit - so darf ich mit Stolz ankündigen - spiele ich in einer neuen Progband hier in Los Angeles die ich zusammen mit Rene Breton's Sänger Ryan Hurtgen und Bruce Dickinson's Live-Drummer Dicki Fliszar gegründet habe. Wir heißen PERFECT BEINGS und dürfen als Nachfolgeband von MOTH VELLUM betrachtet werden. Dazu später mehr.
2013 ist dein Soloalbum „Tales From Sheepfather’s Grove“ erschienen. Dein Debüt als Solokünstler?
a, das würde ich so sagen. Die große Herausforderung hierbei war, das ich nie zuvor den Lead-Gesang übernommen hatte. Auch in MOTH VELLUM war ich bestenfalls Background Sänger. Ich bin im Rückblick aber sehr sehr froh das ich diese Herausforderung angenommen habe. In den letzten drei Jahren die ich mit der Produktion von "Sheepfather's Grove" beschäftigt war, habe ich so viel über Gesang generell, und natürlich ganz besonders über meine eigene Stimme gelernt. Dies hat in einer Bereicherung meiner musikalischen Ausdrucksfähigkeit resultiert die ich nicht mehr missen möchte.
Es ist ein ruhiges, beinahe kontemplatives Album, dem aber jede New-Age-Saumseligkeit fehlt. Mir ist sofort JON ANDERSONs erstes und bestes Werk „Olias Of Sunhillow“ als Referenz eingefallen. Eher was die Atmosphäre betrifft als die konkrete Melodieführung. Was würdest du als deine größten Einflüsse betrachten und was waren deine Intentionen?
Es ist wirklich eine große Ehre, mein Album mit einem Klassiker wie "Olias" verglichen zu sehen. Meine Einflüsse sind sehr vielseitig und in diversen musikalischen Stilrichtungen zu finden. Dazu gehört Richard Wagner genauso wie Wes Mongomery, Brian Eno oder Eberhard Weber, und natürlich Yes der 70er Jahre. Ich habe in den Achtzigern, damals noch in Deutschland, als Session-Gitarrist gearbeitet. Daher musste ich mich allein schon von Berufs wegen in vielen Stilarten zu Hause fühlen. Das hat mir aber auch überhaupt keine Probleme bereitet, da ich schon von früh an alle möglichen Arten von Musik studiert habe. Der Prog-Rock ist aber meine erste Liebe. Mit ihm fühle ich mich am stärksten verbunden. Meine Intention war und ist, mit "Sheepfather's Grove" sowie mit jeder anderen Veröffentlichung, eine zeitlose Platte herauszubringen, die auch in vielen Jahren noch gut klingen wird und sich keinen Modeströmungen aussetzt. Außerdem wollte ich damit den vielen Moth Vellum Fans danken, die mich über die Jahre so treu unterstützt haben und immer nach neuen Veröffentlichungen fragten.
Welche Bedeutung hat der Albumtitel „Tales From Sheepfather’s Grove“? Steckt eine durchgängige Geschichte dahinter oder funktionieren die Songs – wie der Titel „Tales“ suggeriert - unabhängig voneinander; bzw. existiert lediglich eine lockere Verbindung?
Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen. Es gibt eine lockere thematische Verbindung, aber kein durchgehendes "Drehbuch". Das Thema der Platte ist Schöpfung durch kreativen Ausdruck. Das höhere Wesen in uns selbst suchen und finden. Musikalisch ist die Platte allerdings sehr verknüpft. Man kann sie problemlos an einem Stück als kontinuierliche Komposition durchhören. Der Titel bezieht sich übrigens auf einen Ort in meiner Heimatstadt, der mir zu meiner Jugendzeit sehr bedeutsam war.
Wie kam es zu der Entscheidung, dass du fast alle Instrumente selbst spielst (neben Sangeskolleginnen wirst du auf vier Titeln lediglich von Stephanie Bennett an der Harfe begleitet)?
Nun, meine Band MOTH VELLUM gab es nicht mehr. Ich war nach Los Angeles gezogen und kannte außer meiner Frau nicht sehr viele Menschen, geschweige denn Musiker. Zudem hatte ich wahnsinnig viele Ideen und den Drang sie herauszulassen. Da lag es nahe, alles was ich technisch spielen konnte, auch zu spielen. Beim Background-Gesang wollte ich gerne verschiedene Farben einsetzen, und Harfe kann ich nun beim besten Willen nicht spielen.
Unter den zahlreichen Instrumenten findet sich auch eine „monkey drum“. Was für ein Instrument ist das?
Das ist eine Nord-Afrikanische Handtrommel mit zwei Holzperlen an einer Schnur. Wenn man das Handgelenk schnell dreht, macht die einen Heidenlärm.
Du sprichst und schreibst sehr gut Deutsch. Wie kommt’s?
Ich bin in Hamburg geboren und im Frankfurter Raum aufgewachsen. 1993 bin ich dann in die Staaten ausgewandert. Wow, ist das wirklich schon 20 Jahre her?
Du lebst und arbeitest in den USA, in den letzten Jahren sind in Deutschland viele erstklassige Bands im weiten Bereich des Progessive Rocks (von Retro, über Neo-Prog, New Art Rock bis hin zu Progmetal und experimenteller Musik) aktiv und haben hörenswerte Alben eingespielt. Hast du je mit dem Gedanken gespielt wieder in Deutschland zu arbeiten?
Eigentlich nicht. Ich fühle ich mich in Kalifornien sehr wohl. Es kommt aber immer darauf an, mit wem. So habe ich zum Beispiel in meiner Funktion als Produzent kürzlich mit einem deutschen Songwriter namens Robby Schmidt gearbeitet. Die Aufnahmen zu dieser Produktion fanden hier in meinem Studio in Los Angeles statt. Den Gesang haben wir aber in Frankfurt aufgenommen. In der aktuellen deutschen Prog-Szene kenne ich mich leider kaum aus. Da habe ich echten Nachholbedarf.
Was hältst du allgemein von der Entwicklung, die Progressive Rock in den letzten Jahr(zehnt)en genommen hat? Spielt diese Entwicklung eine Rolle für deine eigene Musik, oder schaust du lieber auf die Ursprünge und die Musik der Siebziger?
Eindeutig das Letztere. Die neuere Entwicklung des Prog hat einige gute Bands mit sich gebracht. Ich persönlich stehe aber überhaupt nicht auf die "high-gain" Gitarrenklänge die im Progmetal so vorherrschend sind. Ich bin da eher altmodisch. In den 70er Jahren musste man einen Verstärker noch so richtig aufleiern um überhaupt irgendwelche Verzerrung zu erreichen. Dort habe ich meine Wurzeln. Ich denke an Leute wie etwa Pete Townsend, Jeff Beck und auch Steve Howe, der anfänglich ja einen relativ "cleanen" Ton hatte, von Verzerrer-Pedalen mal abgesehen.
Würdest du deine Musik überhaupt als Progressive „Rock“ bezeichnen? Es ist ja eher eine Kombination aus symphonischem Prog, Folk, Ambient- und World-Music mit klassischen Elementen. Oder ist es genau dies, was Progressiven Rock, - Musik ausmacht?
Schwere Frage. Generell überlasse ich die Rubriken und Schubladen lieber den Kritikern. Bei den Progarchives haben sie mich unter "Crossover-Prog" gestellt. Ich weiß nicht so recht, was ich davon halten soll, also halte ich mich raus. Ich strebe an, Musik aus dem Herzen zu machen, mit viel Seele. Wenn ich das hinkriege, ist das in meinen Augen Fortschritt, also "progressive".
Du hast das Album im eigenen Tonstudio in Eigenregie aufgenommen. Bist du ein strenger, dich selbst regulierender Produzent oder eher das Gegenteil? Gibt es Außenstehende, die Einfluss auf deine Arbeit haben?
Ich bin ein strenger, mich selbst regulierender Produzent, dessen Arbeit nie von Außenstehenden beeinflusst ist. ;) Viele "Takes" und "Parts" werden zigfach eingespielt, bis ich das Gefühl habe, dass sie etwas aussagen, eine kraftvolle Stellungnahme abgeben. Andere Takes sind schon beim ersten Versuch ein Erfolg und können so wie sie sind stehen bleiben. Es wird in Studiokreisen viel über den "first take" gesprochen. Da ist auch wirklich etwas dran. Wenn ich andere Künstler aufnehme, sage ich immer: "Jetzt wärm dich erst mal auf". Oft wird das dann der endgültige Take, weil der Künstler sich unbeschwert fühlt. Sobald aber "das Band" offiziell läuft, werden die Darbietungen immer krampfiger und gehemmter.
Wie geht es weiter mit Johannes Luley und dem „Sheepfather“; ist eine Live-Umsetzung des Albums geplant?
Im Moment gibt es keine Live-Pläne. Das liegt hauptsächlich daran, dass ich derzeit mit zwei neuen Projekten beschäftigt bin: Erstens, meine oben bereits erwähnte neue Progband Perfect Beings. Wir nehmen Ende April unsere erste Platte auf und wollen dann im Sommer zumindest in Kalifornien Konzerte spielen. Die Platte soll dann wahrscheinlich im nächsten Winter herauskommen. Und zweitens habe ich bereits mit einem Nachfolge Solo-Album begonnen. Diesmal wird es um einiges rockiger zugehen. Schlagzeug gibt es ebenfalls, allerdings nicht von mir gespielt. Das wäre keine gute Idee...
Zum Abschluss noch die Antwort auf eine Frage, die du immer mal gestellt bekommen wolltest?
Die Frage würde lauten: "Was treibt dich nach vielen Jahren des Musikerdaseins heute immer noch an wie am ersten Tag?", und meine Antwort wäre kurz und bündig: "Die Fans", die mir die absolut besten Komplimente machen, zu deren Facebook Kommentaren ich manchmal aufwache und einfach nur denke, "Super! SO muss ein Tag beginnen." Das ist im Internet Zeitalter sogar noch viel besser geworden. Montags eine super Rezension aus Holland, am nächsten Tag eine Großbestellung aus Utah, Mittwoch eine weitere 5-Sterne Besprechung aus Neuseeland usw. Diese direkte und unverzögerte Bestätigung von Leuten, die die Musik wirklich zu schätzen wissen, ist einfach der beste Antriebsstoff, den sich ein Künstler wünschen kann. Und dafür bin ich unendlich dankbar.
Vielen Dank für das nette Interview; ich wünsche dir viel Erfolg mit den „Tales From Sheepfather’s Grove“ und deinen weiteren Werdegang!
Vielen Dank Jochen, für die Gelegenheit ein paar Gedanken über meine Musik mit dir und deinen Lesern teilen zu dürfen. Für diejenigen, die noch mehr wissen wollen oder einfach nur frühzeitig benachrichtigt werden wollen wenn sich musikalisch was tut bei mir: besucht bitte johannesluley.com und facebook.com/johannesluley. Alles Gute, Johannes