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Interview mit SUM LIGHTS (17.05.2022)

SUM LIGHTS

Wie aus dem Nichts ist mit SUM LIGHTS eine Band aus München aufgetaucht, deren Debüt-Album "Emanating Fulguration" Staunen macht und begeistert. Selten klang finsterer Black / Death Metal in den vergangenen Jahren so faszinierend und fordernd, und selten hat sich ein solch langlebiger Hörgenuss bei mir eingestellt. Doch obwohl die Aufnahme bereits zur Wintersonnenwende 2021 veröffentlicht wurde, hat sich offenbar noch kaum herumgesprochen, mit was für einem mächtigen Koloss wir es hier zu tun haben. Das soll sich ändern, und vielleicht trägt auch das folgende Interview dazu bei, der gar nicht so einfach einzuordnenden Musik des Quartetts mehr Gehör zu schenken.

Die Gründe dafür, dass ich dem guten Thomas Taube hoffentlich eines Tages eine oder zwei Gerstenkaltschalen kredenze, werden nicht weniger, denn als er mich kürzlich auf Euer Debüt aufmerksam machte, war ich beim ersten Reinhören zunächst einfach nur baff, doch bereits vor dem Ende des ersten Lauschangriffs dachte ich mir, dass Ihr da an genau den Richtigen geraten seid, um Eure Musik klanglich so gut wie möglich zu präsentieren: druckvoll, dynamisch, komplex, dunkel und bloß nicht zu sauber – oder wie schätzt Ihr das ein? Und hallo übrigens!

Servus und danke für dein Interesse an unserer Musik! Thomas vom FiveLakes-Studio ist tatsächlich ein langjähriger Freund, vor allem von unserem Drummer. Und gerade bei der Vorstellung, wie unsere Musik klingen muss, waren wir sofort auf einer Wellenlänge. Wobei er noch viel mehr rausgeholt hat, als wir vorher erwartet hatten. Ja, unser Sound muss fies und dreckig sein, aber eben ohne zu matschen. Es muss trotzdem jedes Instrument seinen Raum haben und die Dynamik darf nicht verloren gehen.

Bevor wir noch näher auf "Emanating Fulguration" eingehen, interessiert mich natürlich, um wen es sich bei SUM LIGHTS eigentlich handelt. Das große metallische Archiv im Internet verzeichnet bislang wenige Infos, und es ist alles andere als selbstverständlich, dass eine Band wenige Jahre nach ihrer Gründung auf ein Demo oder andere Lebenszeichen verzichtet, um dann mit dem Debüt-Album gleich einen solchen Hammer vorzulegen. Gehe ich angesichts der ziemlich ambitioniert klingenden Musik recht in der Annahme aus, dass Ihr bereits in der einen oder anderen Band Erfahrungen gesammelt habt und SUM LIGHTS für Euch mehr als nur ein halbgares Hobby ist?

Wir sind alle seit vielen Jahren mit verschiedenen Bands unterwegs.  Es muss ca. 2015 gewesen sein, als ein Gitarrist bei der Gründungsphase eines anderen Formats vorspielte, wobei unser Sänger auch anwesend war. Das passte damals aus verschiedenen Gründen nicht in dieser Konstellation. Aber Sänger und Gitarrist haben einige Jahre Kontakt gehalten, mit verschiedenen anderen Musikern geprobt, bis es sich ergab, dass ein langjähriger Freund des Sängers auf der Alm erzählte, dass er gerade aus einer seiner vielen Bands als Drummer ausgestiegen ist und somit wieder Kapazität für ein neues Projekt hat.
Wer wir sind? Nun, das ist eigentlich nicht so wichtig. Wir sind SUM LIGHTS und machen Musik. Und das Großartige ist, wir funktionieren da als Einheit. Alle mit dem tiefen Drang verrückte, brutale, aber doch hochwertige Musik zu machen. Es geht uns auch nicht darum, besonders trve zu sein, indem wir ein Mysterium um uns aufbauen… Wer uns kennt, erkennt uns auch auf dem Bandfoto und auch live werden wir auf Masken etc. verzichten. Aber es soll einfach primär um die Musik gehen und nicht um die Personen. Ob die Musik "halbgar" ist, muss jeder Hörer für sich selbst entscheiden.

Inwiefern lässt sich der Albumtitel auf Euer Verständnis von SUM LIGHTS anwenden? Und wie seid Ihr auf den Bandnamen gekommen?

Der Albumtitel soll hauptsächlich die Thematik des Albums beschreiben. Es ist ein Konzeptalbum und der Titel bringt in kompakter, abstrakter Form den Prozess der Geschichte zum Ausdruck. Der Titel passt insofern gut zu dem Verständnis hinter SUM LIGHTS, als dass hier konzentriert und nicht plakativ Komplexität zum Ausdruck gebracht wird, die individuellen Interpretationsspielraum bietet. Es geht um alle Lebensphasen des Universums nach einer wissenschaftlichen Theorie. Um sich immer weiter verstärkende Ausdehnung (beschrieben als Instinkt), um Entstehung und Zerfall von Sternen, Galaxien, und Elementen. Das Ganze ist noch mit weiteren Themen verknüpft. Die Thematik fasst wunderbar das Entstehen von neuen Eigenschaften, die stetige Veränderung und die "Ausstrahlung" unserer Musik auf.
Der Bandname, ja, hier war wie so oft Whisky im Spiel. Er spiegelt unsere allgegenwärtige Begeisterung für wissenschaftliche Thematiken mit einem Hauch von metaphysischen Fragestellungen wider und soll eine selbst zu deutende Vielschichtigkeit bieten.

In einer dritten Klasse habe ich neulich mit einigen Kindern darüber gesprochen, wie Überschriften formuliert sein sollten, damit sie etwaige Leser ansprechen, und ich kann mir ausmalen, dass bei einem Titel wie "The 55th Trillionth Day" nicht nur ich neugierig werde… Wovon also handelt dieser Song?

Der Song handelt eigentlich noch von unserem Zeitalter, in dem wir jetzt leben. Es entstehen in rasender Geschwindigkeit Sterne, die ersten verglühen auch schon wieder, die Ausdehnung des Universums nimmt immer mehr Fahrt auf, es ist alles grell, rasend, blitzend. Aber gegen Ende geht so langsam der Treibstoff aus. Und durch die immer schneller werdende Ausdehnung entfernen sich alle Elemente immer weiter voneinander. Solange, bis die Ausdehnung schneller als die Lichtgeschwindigkeit ist. Und ab jetzt kann nie mehr ein Lichtstrahl von einem Ort zu einem anderen gelangen. Das ist der 55-Billionste Tag.

Metal-Enthusiasten können sich an Details ergötzen, die für die meisten Menschen kaum als solche wahrnehmbar sind. Bei "Weaving Cosmic Giant" wären das zum Beispiel die grandiose Abmischung des Gesangs, oder die Gitarren-Arrangements, die den Geist von Disharmonic Orchestra und (mittelalten) Emperor ins nicht mehr ganz so neue Jahrtausend überführen. Der Songaufbau mit dem ruhigeren Mittelteil erinnert mich zudem an eines der verwegenen Death-Metal-Demos der Neunziger (namentlich von der Band Dinas Emrys, auch aus Bayern), ergo: Auch das ist ziemlich prächtig geraten. Damit dieses Interview jedoch in keine einseitige Schleimerei ausartet, konfrontiere ich Euch mit der Feststellung, dass Ihr im Grunde finsteren Prog Metal zockt, oder anders gesagt Musik, die zu fordernd für die einen und zu abgründig für die anderen sein könnte… Aber macht Ihr Euch um sowas überhaupt Gedanken?!

Vielen Dank für dieses schöne Kompliment! Bei uns geht es aber mehr um das Gefühl der Musik als Ganzes und wie dieses vermittelt wird als um das Zur-Schau-Stellen von technischem Können. Wir machen die Musik, auf die wir Bock haben. Wir freuen uns natürlich, wenn sie auch anderen gefällt. Aber letztendlich ist die Musik gerade auch bei den Proben eine Katharsis für uns. Wenn alles ineinandergreift, ist das Ekstase. Wir schreiben die Musik also hauptsächlich für uns.

Wie darf ich mir Entstehungsprozesse von Liedern und Proben bei SUM LIGHTS vorstellen – wie lange kann es dauern, bis Ihr mit einem zehnminütigen Song rundum zufrieden seid?

Das dauert schon ein paar Monate, gerne auch mal ein Jahr, bis alles fix ist. Der Gitarrist kommt meist mit schon ziemlich ausgearbeiteten Songs. Wenn er sie dann das erste Mal vorspielt, haben wir meist nur Fragezeichen auf der Stirn. Wenn man es dann ein paar Mal gehört hat und der erste Knoten geplatzt ist, machen wir uns ans Arrangieren. Da werden verschiedene Tempi und Spielarten für die einzelnen Parts getestet, auch gerne nochmal einiges modifiziert oder spontan beim Jammen ein neuer Part erfunden. Gesanglich wird auch viel experimentiert, um zu schauen, welche Ausdrucksmöglichkeiten die Stimme für die jeweiligen Riffs bieten kann. Der eigentliche Text kommt meist erst sehr spät dazu.

Mit "Crimson" haben Edge of Sanity einst bewiesen, dass ein 40-minütiger Metal-Song kein bisschen langweilig werden muss, und wenn ich einer Band angesichts ihres Debüts eine ähnliche Nummer zutraue, dann sind das ab sofort SUM LIGHTS. Wäre das eine Idee, mit der Ihr Euch anfreunden könntet?

Nun, wir sind auf dem besten Weg! Im neuen Album haben wir zumindest einen 20-Minüter. Und keine Sorge, da passiert wirklich viel. Allerdings ist Länge und Komplexität nie die Zielsetzung. Im Vordergrund steht immer, dass die Lieder eine Geschichte erzählen und in sich schlüssig funktionieren, ohne dass man den Eindruck bekommt, es ginge darum, möglichst viele Riffs in möglichst kurzer Zeit zu verarbeiten. Es soll sowohl für uns beim Spielen als auch beim Zuhören interessant, abwechslungsreich und eben in sich geschlossen sinnvoll sein. Deshalb ist die Liedlänge etwas, das während dem Schreiben ganz natürlich entsteht. Die Musik diktiert die Struktur.

Nachdem "Emanating Fulguration" zunächst als Download-Version erschienen ist, veröffentlicht Ihr nun eine CD in Eigenregie, und so sehr ich die Veröffentlichungsflut im Metal kritisiere, so angebracht ist in diesem Fall die „Verewigung“ auf einem klassischen Tonträger-Format. Gegen Vinyl oder Kassette hättet Ihr auch nichts einzuwenden, oder?

Da das auch alles mit Kosten verbunden ist, wollen wir jetzt erstmal abwarten, wie das Album als CD ankommt und ob jemand Lust hat, sich diese Scheibe ins Regal zu stellen. Wir stecken aktuell viel Zeit und Mühe in das Design, damit es eine Freude wird, sie in Händen zu halten. Vinyl ist für uns durchaus interessant. Auch um das wundervolle Kunstwerk von SözoTozö in groß zu präsentieren. Das ist also etwas, was in Zukunft noch kommen kann. Über ein Kassetten-Release denken wir im Moment nicht nach.

Zwei Bands, die mir beim Hören Eurer Musik in den Sinn kommen, sind Odem Arcarum und Ascension, und ich habe läuten hören, dass Ihr Euer nächstes Album bei Thomas im Studio aufnehmen werdet. Inwiefern kann er noch mehr aus Euch herausholen als Ihr selbst es Euch vielleicht zutraut?

Das sind mal wieder sehr schöne Assoziationen, auch wenn wir uns nicht mit solchen Bands vergleichen wollen und penibel darauf achten, nicht zu sehr nach einer bestimmten Band zu klingen. Immer ist das aber natürlich nicht möglich.
Auch für das aktuelle Album haben wir zumindest Drums und Vocals bei ihm aufgenommen. Aber diesmal wollen wir eben auch für die Gitarren alles herauskitzeln und die vielen technischen Probleme, die wir bei der letzten Aufnahme hatten, umgehen. Ein guter Produzent macht bei der Aufnahme schon viel aus. Manchmal ist es nur der eine Tipp, die eine Idee, die alles in sich verschmelzen lässt. Thomas ist ein elementares Glied, um unsere klanglichen Vorstellungen umzusetzen und sogar noch zu verstärken. Er teilt die klangliche Vision und ist ebenso motiviert, immer das Maximum herauszuholen. Deshalb sind wir zuversichtlich, dass er auch in Zukunft die richtige Anlaufstelle für uns ist.

Was steht als Nächstes für SUM LIGHTS an? Wo würdet Ihr gerne live auftreten – und mit wem?

Wir haben bereits einen weiteren 10-minütigen Song aufgenommen, der gerade beim Mastern liegt. Der soll dann irgendwann zwischen den Alben als Single herauskommen. Es muss noch ein Großteil der Texte fürs neue Album geschrieben werden. Das werden viele lange Nächte. Die Musik ist aber eigentlich fertig. Wir wollen das Album noch dieses Jahr aufnehmen.
Am 27.5. haben wir den ersten Gig auf dem Bavarian-Battle-Open-Air. In Zukunft hoffen wir natürlich auf Konzerte in Locations mit besonderem Flair, gemeinsam mit Bands, mit denen ein stilistischer Bogen gespannt werden kann, um spannende und interessante Abende zu gestalten. Wo und wie ist dabei jetzt nicht so wichtig. Aber wir können es kaum erwarten, endlich mit der Musik live zu performen. Da hat uns die ganze Corona-Krise leider auch ziemlich ausgebremst und wir haben uns bislang kaum um Gigs gekümmert. Alle Veranstalter müssen jetzt erst mal die abgesagten Konzerte nachholen und haben einen Großteil der Bands seit Jahren gebucht. Jetzt wird es hoffentlich wieder etwas entspannter, und wir werden sehen, was sich ergibt. Jedes Wochenende in ‘nem JUZ zu spielen ist aber nicht mehr unser Ziel. Das haben wir alle schon hinter uns. Darum: lieber weniger Konzerte aber dafür in Formaten, die hoffentlich bleibende Eindrücke hinterlassen.

Danke für Eure Zeit und für ein Album, das ein Paradebeispiel dafür ist, warum es im tiefen Underground nicht langweilig wird!

Thor Joakimsson (Info)
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