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Interview mit ORBITER (12.11.2023)
Nach seinem vergleichsweise einladenden Einstand mit der EP "The Deluge" hat das finnisch-deutsche Doom-Quartett ORBITER kürzlich seinen ersten Langspieler vorgelegt. "Hollow World" erschließt sich jedoch nicht gleich beim Erstkontakt, sondern möchte erobert werden, und hält dafür unter seiner schroffen Oberfläche allerhand Hörenswertes zu entdecken bereit. Sängerin Carolin Koss ist nicht nur in verschiedensten Musikrichtungen zuhause, sondern zeichnet für den Videoclip zum neuen Album verantwortlich, und deutet an, warum ORBITER zur Experimentierfreude neigen.
Hallo Carolin, mit Eurem Langspiel-Debüt "Hollow World" legt Ihr ein Album vor, das entdeckt werden möchte und mehr zu bieten hat, als es zunächst den Anschein zu haben vermag. Der Kollege vom ‘The Sleeping Shaman’ hat es treffend auf den Punkt gebracht: Je länger er ORBITER hört, umso schwerer wird es, davon loszukommen. Was hast Du zur Verteidigung vorzubringen?
Es freut mich natürlich zu hören, dass ORBITER wohl eine süchtig machende Wirkung auf den einen oder anderen hat und das Album sogar zu Abhängigkeiten führen kann. Zur Verteidigung hätte ich zu sagen, dass wir süchtig machen können ohne schädliche Nebenwirkungen und Langzeitfolgen.
Je länger ich "Hollow World" höre, umso schwerer fällt es mir, das Album stilistisch einzuordnen. Klar, ORBITER sind eine Stoner- und Doom-Metal-Band, doch Ihr schreckt weder vor Psychedelic oder Alternative Rock, noch vor Singer-Songwriter-Musik zurück, und ich schätze, Ihr würdet auch Pop und Klassik integrieren, solange es in den Gesamtsound passt, oder?
Der Stilpluralismus bei ORBITER rührt sicher daher, dass wir vier in der Band musikalisch aus den unterschiedlichsten Ecken kommen. Unser Bassist Tuomas kommt aus dem Metal-Bereich, der Gitarrist Alexander viel mehr aus dem Progressive Rock, Sami, unser Schlagzeuger, ist im Funk unterwegs und ich komme ursprünglich aus dem Folk. Gemeinsam ist uns allen, dass wir auf den Alternative Rock und Classic Rock der Sechziger- und Siebziger Jahre abfahren. Zudem sind auch drei von uns in andere Bandprojekte involviert, die von Dark Folk, über Electro Techno, New Wave bis Progressive Rock reichen. Daher ist unsere Band unter dem düsteren Deckmantel eher recht bunt.
Auf welche Songs oder Aspekte des neuen Albums bist Du besonders stolz und warum?
Ich bin stolz auf den Facettenreichtum unseres Albums. Wir bedienen nicht uniform nur eine Richtung, sondern dringen mutig in unterschiedliche Gefilde vor und bleiben experimentierfreudig. Ich verbeuge mich besonders vor unserem Titelsong "Hollow World", da dieser in die Abgründe unserer Welt vordringt und zwischen Zerbrechlichkeit und Brachialgewalt hin und her pendelt, bis er ein würdevolles, bewegendes Ende findet.
Von außen hat es den Anschein, als ob ORBITER seit der Veröffentlichung von "The Deluge" als Band an Identität hinzugewonnen haben. Wie erlebst Du das?
Wir sind seit der Veröffentlichung von "The Deluge" im Jahr 2020 erst so richtig durchgestartet und trotz Corona auch ziemlich viel aufgetreten, haben regelmäßig geprobt und an den neuen Songs für "Hollow World" intensiv gearbeitet. Ich würde sagen: Übung macht den Meister und durch das ständige Auftreten vor unterschiedlichem Publikum sowie das Selbstreflektieren nahm dann ORBITER immer mehr Form an. Wir wissen, wer wir sind und was wir können, ohne Schüchternheit oder Arroganz an den Tag zu legen.
Zu "Silence Breaks" habt Ihr einen Video-Clip aufgenommen, für den Du auch als Regisseurin verantwortlich zeichnest und als darstellende Sängerin Deine Bandmitglieder und die übrigen Doom-Metal-Heads überlebst. Hast Du also einzige nicht von der Fischsuppe gegessen oder was war da – im Hafen von Helsinki? – los?
Ich habe mich sehr gefreut, ein Musikvideo für ORBITER entwerfen und abdrehen zu können, da ich ja auch eine ausgebildete Videokünstlerin bin und schon so einige Fiction- und Kunstfilme sowie Musikvideos gedreht habe. Meine cineastischen Werke sind meist ziemlich surreal und gleichen Szenen aus Traumwelten. Daher habe ich mir erlaubt, bei dem Musikvideo zu "Silence Breaks" auch eine derartige Atmosphäre zu schaffen, die den Zuschauer auf eine geheimnisvolle Reise mitnimmt, die in eine heftige Headbanging-Zeremonie ausartet und dann zu einem unerklärlichen Stillstand kommt. Daher kann ich das Rätsel, was da im Hafen von Helsinki passierte, leider nicht auflösen. Ich kann aber versichern, dass alle Beteiligten wohlauf sind und weiterhin fleißig gute Doom-Metal-Musik hören!
Du bist keine Metal-Sängerin im klassischen Sinne, sondern lässt verschiedene Einflüsse in Deinen Stil einfließen, der somit im Doom- und Stoner-Genre auf eigene Weise herausragt und fasziniert, sicher jedoch auch polarisiert: Gab es schon Beschwerden darüber, dass Du quasi den Gegenpart zu Manowar bildest mit Deinem meist kühl klingenden Gesang?
Ich bin mir dessen schon bewusst, dass ich keine Metal-Sängerin im klassischen Sinne bin und das ist auch gut so! Meine ORBITER-Jungs empfinden das genauso und wir sehen das eher als Vorteil, da wir so neue, unvoreingenommene Gefilde beschreiten und Mut zu etwas Neuem aufbringen. Wie schon gesagt, kommen wir musikalisch aus völlig unterschiedlichen Ecken und neben ORBITER experimentiere ich auch gesanglich gerne mit verschiedenen Stilrichtungen. Zum einen habe ich mein eigenes Dark-Folk-Solo-Projekt, singe auf Deutsch in einem Electro-Techno-Duo, habe vor kurzem bei Marek Arnold Vocals für die neue Progressive-Rock-Scheibe der "Seven Steps to the Green Door" eingesungen und übe mich auch im Kehlkopf- und Obertongesang in einem Folk-Metal-Duo. Wenn ich mehr Zeit hätte, würde ich bestimmt auch noch in einer Jazz- oder Punk-Band singen. Ich glaube, all diese vielseitigen Einflüsse machen letzten Endes die Würze von ORBITER aus.
Ihr spielt derweil ziemlich oft live in Finnland und habt auch bereits einen Abstecher nach Norddeutschland gemacht. Wann dürfen wir mit Konzerten weiter südwärts rechnen und habt Ihr Euch bereits beim Freak Valley Festival, Krach am Bach oder ähnlichen Veranstaltungen beworben?
Wir haben die letzten Jahre ziemlich viel in Finnland gespielt und fangen nun auch an, andere Gefilde zu erkunden. Diesen Monat geht’s erstmal für eine Mini-Tour nach Estland und wir arbeiten auch daran, weitere Orte in Europa zu bespielen. Deutschland steht dabei ganz oben mit auf der Liste! Und soweit ich weiß, sind die Bewerbungen für das Krach-am-Bach- und Freak-Valley-Festival bereits rausgeschickt. Daher lasst euch überraschen, so wie wir uns auch. Bei unserem letzten Auftritt in Helsinki beim Sonic Rites Fall Fest sind drei Mädels extra aus England angereist, nur um uns zu sehen. Daher ist deine Frage sehr berechtigt und bevor noch mehr Fans so lange steinige Wege zurücklegen, wollen wir in Zukunft lieber näher an die Haustüren unserer Fans kommen.
Danke für Deine Zeit und dafür, dass Ihr eine leider oft dumpfe und scheinbar sinnentleerte (Menschen-)Welt mit Eurer Musik bereichert!
Das machen wir doch gerne! Vielen Dank für deine spannenden und sinnbereichernden Fragen!