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Interview mit LINN KOCH-EMMERY (07.05.2021)
Aus nicht nachvollziehbaren Gründen fanden die Showcases der schwedischen Delegation auf dem Reeperbahn-Festival 2018 in der für diese Zwecke denkbar ungeeigneten Pocca-Bar statt – in der, außer für das Personal und die Musiker, eigentlich kein Platz mehr für die interessierten Zuschauer blieb. Ausgerechnet dort spielte die Schwedin LINN KOCH-EMMERY mit ihrer Band dann aber einen bemerkenswerten, psychedelisch aufgebohrten Garage-Rock-Showcase, mit dem sie sich nicht nur als manischer Live-Act empfahl, sondern auch neugierig darauf machte, was sie als Recording Artist noch in petto haben mochte – denn bis dahin hatte sie nur einige Tracks auf den EPs „Boys“ und „Waves“ veröffentlicht. Es sollte dann allerdings noch fast drei Jahre dauern, bis jetzt endlich ihr Debüt-Album „Being The Girl“ erscheinen konnte, auf dem sie den ursprünglich rauen und schroffen Rock-Sound in Richtung eines fein abgestimmten Power-Pop-Sounddesigns weiterentwickelt hatte. Grund genug, einmal nachzufragen, was es mit der Songwriterin LINN KOCH-EMMERY so auf sich hat.
Linn, warum hat das mit der LP eigentlich so lange gedauert? Genügend Songmaterial scheinst Du doch bereits seit längerer Zeit gehabt zu haben.
Die Sache ist die: Ich habe ja zuvor meine ersten beiden EPs veröffentlicht und bin dann für fast anderthalb Jahre mit diesem Material auf Tour gegangen. Die einfache Antwort auf Deine Frage ist also, dass ich für lange Zeit unterwegs war. Ich habe zwar dauernd neue Songs geschrieben, aber wir fanden nie die Zeit, um ins Studio zu gehen. Und als wir dann diesen Prozess anstoßen wollten, schlug die Pandemie zu. Da habe ich mich dann auch weniger inspiriert gefühlt. Auch mussten wir überlegen, wann wir das Album denn veröffentlichen sollten, da wir ja nicht abschätzen konnten, ob und wann wir wieder auf Tour gehen könnten.
Deine Songs klingen ja wie Instant-Klassiker aus dem Power-Pop-Setting. Das liegt ja auch daran, dass Du Dir ein Genre ausgesucht hast, in dem schon ziemlich viel passiert ist. Wie findet man denn da seine eigene Stimme – bzw. seine Identität als Musikerin?
Ich schätze, jeder Musiker denkt über so etwas nach. Und das ist sehr schwer zu beantworten. Ich meine, ich mache das jetzt praktisch seit ich ein Kind war - und ich habe mich dabei nie verändert. Ich bin immer noch dieselbe Person. Ich hatte auch nie eine Künstlerpersona. Ich bin einfach ich – und ich kenne gar nichts anderes. Die Leute scheinen aber gerade das zu mögen und sie mögen meine Songs. Und die Songs sind das, was wichtig ist. Man kann ja gerne eine verrückte Persönlichkeit haben und aus der Masse herausstechen – aber wenn Du keine guten Songs hast und etwas, was die Leute zum Fühlen bringt, dann zählt das nicht wirklich. Es gibt also viele Dinge, die einen Künstler interessant machen können.
Wenn Du sagst, dass Du schon als Kind angefangen hast, Musik zu machen: Wie bist Du eigentlich auf die Idee gekommen, eine Songwriterin zu werden?
Eigentlich weil ich dachte, dass ich die Fähigkeit hätte, richtig gute Musik schreiben zu können. Als Teenagerin hörte ich viel Indie-Musik und fühlte mich dadurch wirklich inspiriert, es selbst einmal zu versuchen. Ich war da natürlich auch ziemlich naiv. Also ging ich einfach zu meinem Nachbarn, der eine Gitarre hatte und bat ihn, mir ein paar Akkorde auf der Gitarre beizubringen. Ich habe dann geübt und geübt und geübt – bis ich die grundlegenden Sachen drauf hatte.
Der Sound des Albums ist ja ein wenig anders als bei deinen recht rauen und psychedelisch angehauchten Live-Shows und geht stärker in die Power-Pop- als in die Garage-Rock-Richtung, die sich unter anderem auch auf Deinen ersten EPs „Boys“ und „Waves“ andeutete. Hast Du viel Zeit damit verbracht, am Sound zu feilen?
Nein - ich habe mir gar keine Zeit genommen, mein Sounddesign zu verändern oder diesen Sound zu finden, der jetzt auf der LP zu hören ist. Das war für mich eine ganz natürliche Sache. Ich bin ja jetzt auch ein wenig älter und Menschen verändern sich ja ständig. Ich wollte mich sowieso stets weiterentwickeln und neue Dinge ausprobieren.
Und woher kommt dann – Deiner Meinung nach – der poppigere Sound?
Das hat mit der Produktionsweise zu tun. Ich schreibe meine Songs eigentlich immer auf dieselbe Art, seit ich ein Kind war. Die Songs auf dem Album sind also genauso entstanden, wie die auf den EPs und auch jene, die ich als Teenager geschrieben habe. Der Grund, warum sich die Produktion geändert hat, ist der, dass ich einfach aufregende neue Sachen entdecken wollte und mich auch von anderen Sachen inspiriert fühle. Das ist ein bisschen so, wie wenn man seine Jeans von Zeit zu Zeit wechselt oder ab und an die Wände neu streicht.
Wonach suchst Du denn als Songwriterin? Hast Du eine Art Konzept?
Ich denke, dass ein guter Song vor allen Dingen einfach sein muss. Ich mag saubere und starke Melodien. Die Texte müssen natürlich ehrlich und aufrichtig sein – dürfen aber auch Kanten haben. Ich bin kein großer Fan von generischem Songwriting. Es muss da immer eine Wendung geben, die mich neugierig macht. Ein guter Song ist einfach ein guter Song.
Ist es nicht besonders schwierig, in diesem Zusammenhang die angestrebte Simplizität zu finden?
Vielleicht. Die Sache ist nur die, dass es mir nie darum ging, eine gute Musikerin auf der technischen Ebene zu werden. Mein einziges Ziel war immer nur, gute Songs zu schreiben. Komplexität war also nie eine Option für mich – einfach weil ich nie an den Fähigkeiten interessiert war, die notwendig gewesen wären, so etwas zu ermöglichen. Simplizität war für mich also einfach immer der einzige Weg, den ich verfolgen konnte.
Insbesondere in Deinen Videos zeigst Du ja auch gerne Deine Art von Humor – zum Beispiel in dem Video zu dem selbstironischen Titel „Linn R.I.P“, in dem Du gleich mehrfach auftrittst. Kannst Du eigentlich über Dich selbst lachen?
Ja, ich denke schon, dass ich über mich selbst lachen kann. Es geht dabei aber gar nicht um das Lachen selbst, sondern um die Erkenntnis, dass ich mein Bestmögliches geben möchte, aber mich manchmal dabei ertappe, wie ich dieselben Fehler immer und immer wieder mache. Und manchmal muss man dann einfach über so etwas lachen. Wenn man das nicht kann, dann wird man irgendwann richtig sauertöpfisch.
Da wir gerade dabei sind: Was hat es denn mit den vielen Linns in dem Video „Linn R.I.P.“ auf sich?
Die Sache ist die: Man will ja doch irgendwie immer ein paar Sachen oder Aspekte hinter sich lassen. Die verschiedenen Linns repräsentieren diese Aspekte – und die will ich dann auch beerdigen, wie in dem Titel angedeutet wird. Jeder hat ja irgend etwas, das er ändern oder verbessern möchte. Das ist aber super-schwer, weil ja vieles fest in Deiner Persönlichkeit verankert ist – auch wenn Du es vielleicht sogar richtig hasst. Ich komme hier zu dem Schluss, dass die Veränderung selbst mit das schwierigste ist, mit dem Du konfrontiert werden kannst.
Möchtest Du mit solchen Erkenntnissen über Deine Musik vielleicht auch anderen Menschen weiterhelfen – oder Denkanstöße vermitteln.
Sagen wir mal so: Ich möchte gerne, dass meine Musik andere in ihren Bann nimmt und ihnen ein Gefühl der Stärke vermittelt. Oder dass sie sich getröstet, bestärkt oder gar euphorisiert fühlen. Ich möchte, dass die Menschen etwas fühlen, wenn sie meine Musik hören – und das ist meine einzige Motivation als Songwriterin.
Als Live-Musikerin kannst Du es ja vermutlich kaum erwarten, wieder auf Tour zu gehen. Wie hast Du Dir aber Deine musikalische Zukunft vorgestellt? Hast Du da schon drüber nachgedacht?
Also meine große Vision ist schon die musikalische Weltherrschaft. Das war sie immer auch gewesen. Ich schreibe ja ständig an neuen Songs – aber jetzt, wo mein Debütalbum endlich rauskommt, fühle ich mich umso stärker inspiriert, stets die bestmögliche Musik zu schreiben. Und das werde ich weiter machen – und dabei das Pedal bis zum Boden durchtreten und Vollgas geben.
https://www.facebook.com/linnkochemmery/
https://open.spotify.com/artist/1VXNcQgSnqCXw4kWGeKNFu
*Foto-Credits für die beiden offiziellen Pressepics: Jonas Carmhagen