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Interview mit The Devil's Blood (01.01.2012)

The Devil's Blood

Wenn es um THE DEVIL'S BLOOD geht, sprechen immer noch viele Leute von Hype, auf der anderen Seite euphorisieren die Niederländer ihre Anhänger scheinbar mehr als je zuvor. Was angesichts der Qualität des superben zweiten Albums "The Thousandfold Epicentre" aber auch nicht überraschen kann. Bei der Listening Session zu diesem Album im Underground in Köln hatten wir die Möglichkeit, uns mit Bandleader SL zu unterhalten. Der Gitarrist gilt als nicht unbedingt einfacher Zeitgenosse, erwies sich im Interview aber als höflicher und auskunftsfreudiger Gesprächspartner.

Bist du überrascht vom Erfolg, den ihr bisher hattet?

Ja, manchmal schon. Es ist sehr wichtig, im Auge zu behalten, dass wir niemals auf irgendeine Form von Erfolg aus waren. Alles, was man dann erreicht, ist wie ein Geschenk. Das hört sich ein bisschen kitschig an, aber in gewisser Weise ist das die Wahrheit. Wenn man nichts von der Welt erwartet, sie dann aber zwingt, dir gewisse Dinge zu geben, dann fühlt man sich sehr siegreich und mit Ruhm gefüllt. Wir wollten einfach nur aus einem sehr spezifischen Grund diese Musik erschaffen. Diese ganze Inspiration brodelte in mir und musste einfach heraus und so kam es. Alles, was seit dem ersten Demo und der 7" passiert ist, also einen Plattenvertrag zu bekommen und ein bisschen touren zu gehen, mit verschiedenen Bands zu spielen und mehr und mehr unseres eigenen Potenzials gewahr werden, war eine sehr gute und wertvolle Erfahrung und ich bin sehr froh, dass wir dort stehen, wo wir jetzt stehen.

Kannst du dir erklären, warum ihr in dieser Zeit so bekannt und beliebt geworden seid?

Nein. (lacht) Ich denke aber, dass viele Menschen Kunst erkennen, wenn sie welche sehen. Sie erkennen etwas, das bedeutungsvoller ist, als die anderen 5.000 Bands, die zur Zeit aktiv sind. Sie sind vielleicht etwas geneigter, darauf abzufahren, weil es diese Aura der Leidenschaft und das Gefühl der Kraft und Energie hat. Alle paar Jahre gibt es dann eine Band, die diesen Effekt auf die Leute hat. Ich würde es in unserem Fall nicht unbedingt Glück nennen, weil ich es mehr oder weniger erzwungen habe, dass es so kommt, aber dass ist eben das Glück, das wir haben.

Ich teile nicht, an was du glaubst, liebe deine Musik aber trotzdem. Ich kann die Spiritualität darin fühlen und ich empfinde es als ehrlich, wodurch es zu etwas Wertvollem wird. Auch wenn ich es nicht teile, was ich ja auch nicht muss, kann ich fühlen, was du meinst und fühlen, dass es von Herzen kommt und das macht es aus.

The Devil's BloodDas Interessanteste ist, wenn Leute einen mögen, die vielleicht gar nichts mit Satanismus oder Spiritualität im Allgemeinen zu tun haben und diese Leute ihre eigene spirituelle Verbindung zu der Musik haben. Die Platten, die Texte und die Musik können für dich ja etwas ganz anderes bedeuten, als für mich. Diese Bedeutung, deine eigene Interpretation ist der Schatz, den du darin finden kannst. Das ist für mich der interessanteste Aspekt an der Sache und nicht ob die Leute mir zustimmen oder ich Leute um mich herum erschaffe, die dem folgen, was ich sage. Ich schätze Menschen, die in der Lage sind, etwas von sich selbst in der Musik, in den Texten und in den Bildern zu finden.

Hast du irgendeine Art von Druck für das neue Album verspürt?


Nein. Ich bin einfach hingegangen und habe es gemacht. Das ist eine Frage des Offenseins; wenn man unter Druck ist, verschließt man sich selbst und dann kommt nichts Kreatives heraus. Dann machen Bands auch ihre schlechteste Musik. Ich habe nie damit gerechnet "The Time Of No Time Evermore" zu machen und ich habe nie damit gerechnet "The Thousandfold Epicentre" zu machen, aber trotzdem sind sie da.

Hast du ein bestimmtes Ziel vor Augen, wenn du Musik für ein Album schreibst?

Das Ziel ist, so gut zu sein, wie wir sein können und die Musik so perfekt zu machen, wie wir es können. Auf dem Weg erscheinen dann kleinere Ziele, wie zum Beispiel die Frage, wie ich die Atmosphäre, die ich für einen Song im Kopf habe, auch übersetzen kann. Das Album sollte eine logische Reise werden, auf gewisse Art und Weise. Wie ermögliche ich es dem Hörer, auf das Boot zu kommen und diesen Fluss entlang zu fahren und alles zu erleben, was um ihn herum passiert? Das ist das interessante kleine Ziel, aber am Ende macht man es einfach und das ist nichts, was man überanalysieren kann. Und auch nichts, was man zu sehr vereinfachen kann. Es ist leicht zu sagen "ach, ich setze mich einfach hin und erschaffe die Musik", es ist schon ein bisschen komplizierter, denn man muss in einem geistigen Zustand sein, in dem es möglich ist, das zu tun. Du musst in der Lage sein, diese Kunst von jenseits der eigenen Persönlichkeit zu empfangen. Von dem, was ich die Göttlichkeit nenne. Du musst es formen können, einen weißen, heißen Ball voller Energie in eine bestimmte Form und Gestalt gießen. Das ist die Gestalt, in der wir daher kommen. Wenn man diese Form erst im Kopf und dann selbst erschaffen hat, ist das Ziel klar, dann hat man es geschafft.

Du hast das ja schon in vielen Interviews angesprochen, dass du etwas empfängst. Die Musik, die Idee, was auch immer. Du denkst also nicht, dass die Kunst, die du erschaffst, aus dir selbst kommt?

Nein, das tue ich nicht. Ich denke viel mehr, dass die meiste Kunst generell nicht vom Künstler kommt. Sie kommt aus einem Gebiet außerhalb und sie wurden dadurch inspiriert, zu tun, was sie tun. Das kann alles mögliche sein. Der Künstler kommt dann ins Spiel, wenn es darum geht, diese Konzept, diese Idee, diese Gestalt oder diesen Sound zu empfangen und daraus wie einem Stück Ton mit den eigenen Händen die Form zu geben, die man schon gesehen hat. Da unterscheidet sich wahre Kunst von Design oder von beauftragter Arbeit.

Aber es gibt doch auch Künstler, die keinen spirituellen Hintergrund haben. Ich denke da zum Beispiel an Mikael Åkerfeldt von OPETH, der sicher keinerlei religiösen Hintergrund hat...


Ich denke ja auch nicht, dass es eines religiösen Hintegrundes bedarf, um spirituell inspiriert zu sein. Ich denke auch, dass sich nicht jeder Künstler dessen Gewahr ist, aber das macht es für mich nicht weniger echt.

Aber was wäre dann die Quelle dieser Inspiration, wenn es keine spirituelle, religiöse oder sonst wie ähnliche geartete Quelle ist?

Es ist die gleiche. Nur die Tatsache, dass der Künstler das vielleicht nicht als solche zugibt, macht sie für mich nicht weniger echt. Es geht darum, ob man die richtige Person im richtigen Moment ist, um in der Lage zu sein, etwas zu tun. Ich kann mich ja auch nicht einfach hinsetzen, die Gitarre nehmen und ein neues THE DEVIL'S BLOOD Album schreiben. Das ist unmöglich. Das beweist doch, dass ich offen für gewisse Einflüsse und gewisse Interferenzen sein muss, um überhaupt etwas erschaffen zu können, das lohnenswert ist. Ich kann mich sicherlich hinsetzen und einen Song schreiben, aber es wird kein sehr guter sein, er wird dich nicht dazu inspirieren, darüber nachzudenken und mit ihm zu ringen.

Dieser Zustand, den du erwähnst, ist das ein Zustand in dem du total nüchtern bist?


Manchmal.

Können Drogen oder Alkohol öffnen?

Ja, das können sie. Wobei Drogen ein zweischneidiges Schwert sind. Auf der einen Seite können sie helfen, dich und deinen Geist für den Moment zu öffnen, aber auf Dauer verschließen sie ihn wieder. Das ist ein Seiltanz, bei dem man die richtige Balance finden muss. Besonders Marihuana, Pilze und LSD können diese Effekte sehr stark auslösen. Man öffnet sich durch das Unterbewussten in die Gefilde der Inspiration, in denen all diese Bilder auf einen zurasen. Wenn man stark genug ist, kann man daraus vielleicht etwas machen. Aber das Risiko ist sehr groß, dass bei man exzessivem Gebrauch wieder verschlossen wird und dadurch die Inspiration getötet wird.

Ok, ich würde dann gerne auf das neue Album zurück kommen. Ihr habt ein paar neue Elemente wie Streicher, Bläser und Hammond Orgeln integriert. Sie geben eurem Sound eine neue Dimension, aber ich war ziemlich überrascht, weil eure Musik bisher eher auf Bass, Gitarren, Drums und Gesang reduziert war.

Das stimmt so nicht ganz. Wir haben auf allen Platten Keyboards, Klavier und Synthesizer benutzt. Es war also immer schon da, aber auf diesem Album haben wir zugelassen, dass diese Elemente ein bisschen führender werden. Das hat eine interessante Farbvariation ergeben und neue chaotische Elemente in die Musik gebracht. Der Unterschied liegt dieses Mal besonders darin, dass ich die Möglichkeit hatte, auf einen sehr guten Spieler zurückzugreifen. In der Vergangenheit musste ich das alles selber einspielen, wodurch diese Parts sehr einfach gehalten waren und es schwieriger war, sie herauszuhören, weil sie das gleiche machten, wie die Gitarren, aber sie waren immer da. Ich liebe es, Zugriff auf so viele Instrumente wie möglich zu haben. Eine Gitarre hat einige Farben, aber trotzdem nur ein begrenztes Spektrum. Wenn man dies mit einem Klavier hinzufügen kann und jenes mit einer Fender Rhodes und man dann vielleicht auch noch ein Orchester hinzufügen kann, dann hat man mehr und mehr Kontrolle darüber, wie das Bild hinterher aussehen wird. Manche Leute mögen den trockenen, einfachen, auf den Punkt kommenden Ansatz, ich tendiere aber mehr zu dieser Wall-Of-Sound-Ästhetik.

Hast du Vorbilder im Hinblick auf die Art und Weise, wie man Songs arrangiert?


Ja, sehr viele sogar. George Martin, der Produzent der BEATLES in den 60ern, Phil Spector, PINK FLOYD, offensichtlich KING CRIMSON, Bands wie diese halt. Einfach gute Musik inspiriert mich immer, egal aus welcher Zeit sie stammt.

The Devil's BloodSind die Songs des neuen Albums alle komplett neu und nach dem Debütalbum entstanden oder hast du auch älteres Material verwendet.

Nein, es ist alles neu. Es wurde alles zwischen Januar und November 2010 geschrieben.

Schreibst du alles komplett allein?

Ja.

Und wie funktioniert das dann konkret? Du hast eine Idee, eine Inspiration für eine Melodie oder ein Riff und kommst dann in den Proberaum und spielst es den anderen vor?

Ich mache zuhause ein Demo mit Gesang und schicke es dann an die Musiker, die versuchen dann, die Sachen zu lernen und dann gehen wir in den Proberaum. Wir proben es dann dort, nehmen es noch mal auf und ich höre mir das dann zuhause an und nehme Änderungen vor. Dann geht es wieder in den Proberaum, wir proben wieder, machen noch ein Demo und gehen dann ins Studio.

Haben die anderen Musiker denn Einfluss auf das Material?


Nicht wirklich. Natürlich passiert es hin und wieder, dass gute Ideen aufkommen, wenn man die Leute ein bisschen herumsuchen lässt, aber das sind dann meist Kleinigkeiten. Nichts in der Art von wegen "wir sollten den Song ändern und ihn so und so machen", nichts konkretes also. Das Skelett des Songs bleibt immer das gleiche.

Der Gesang ist auf dem neuen Album ein bisschen reduzierter und fokussiert. Warum habt ihr diese Änderungen vorgenommen?

Ich sehe das nicht als Änderung, sondern als anderen Ansatz. Wir haben herausgefunden, dass Faridas Stimme am besten klingt, wenn wir es so machen und wir sie so mehr sie selbst sein lassen. Ich denke, das funktioniert.

Es gab kritische Stimmen im Bezug auf den Sound von "The Time Of No Time Evermore". Ich selber liebe die "Come, Reap"-EP und auch die Songs auf dem Debüt, aber der Sound war meiner Meinung nach ein bisschen zu weich. Auf dem neuen Album ist der Sound dagegen perfekt. Hast du diese Kritik zuvor vernommen?

Nein. Ok, vielleicht doch, aber da erinnere ich mich nie dran.

Es war also keine besondere Intention, den Sound auf dem "The Thousandfold Epicentre" besser zu machen?

Nein. Ich finde auch nicht, dass der Sound besser ist, er ist einfach nur anders. Was besser ist, sind die Instrumentalisten, wir sind als Band besser geworden. Ich finde immer noch, dass das erste Album genau richtig klingt. Das neue ist ein bisschen trockener, ein bisschen direkter, die Songs sind mehr... es erinnert mich sehr an die Produktion früher QUEEN-Alben, die ich wirklich sehr gern mag. Ich sehe das nicht als besser-oder-schlechter-Situation, es ist eher so, dass diese Songs dies brauchen, jene aber jenes. Man folgt einfach den Songs, sie diktieren, wie sie klingen sollen und wie sie sich anfühlen sollen.

Du schreibst auch alle Texte komplett selber.

Ja.

Gibt es auf dem neuen Album ein bestimmtes Leitmotiv, eine roten Faden?


Im großen und ganzen das gleiche wie auf den vorherigen Platten, es geht um Tod, Chaos und Satan. Das sind immer noch die Dinge, die mich inspirieren und bewegen. Und die Dinge, die den Rahmen festlegen, in dem wir arbeiten.

Mir ist aufgefallen, dass der Begriff "Liebe" häufig auf dem neuen Album auftaucht. Was bedeutet dir dieses Wort?

Liebe...

Ja. Was ist Liebe?

Was ist Liebe? (Im Hintergrund singt jemand "What is love..." und SL vervollständigt) Baby, don’t hurt me... Was ist Liebe? Liebe ist ein möglicher Befürworter oder eine mögliche Ausprägung von Leidenschaft. Hass und Liebe kommen vom selben Ursprung und Liebe ist Akzeptanz unc Freiheit. Jemandem oder etwas ins Gesicht zu schauen und es so zu akzeptieren, wie es ist, auch wenn es vielleicht abscheulich anzuschauen ist. Es ist in den Spiegel zu schauen und zu sehen, was man ist und sich selbst nicht zu verurteilen, einfach zu sein, was man ist, statt das zu sein, was die Leute von einem erwarten. Das endet meist darin, dass man sich selbst hasst. Für mich ist Liebe die Liebe zu meinen Bandmitgliedern, die Liebe zu meiner Schwester, die Liebe zu Satan, die Liebe zur Musik, die Leidenschaft, die ich fühle, wenn ich diese Dinge mache, all das sind die wichtigsten Motivatoren in meinem Leben.

Und was ist das tausendfache Epizentrum?

The Devil's BloodDas ist das Gleiche wie die Zeit der immerwährenden Nicht-Zeit. Es ist ein Paradoxon, ein philosophisches Paradoxon, das nicht mit wissenschaftlichen Begriffen erklärt werden kann. Man muss es von einem spirituell-philosophischen Standpunkt aus angehen, sonst kann es nicht sein. Es zieht nach sich, dass das Zentrum aller Dinge in allen Dingen gleichzeitig ist. Wenn die Zeit endet und wenn die Realität aufhört zu existieren, werden wir ein Teil des tausendfachen Epizentrums und es wird ein Teil von uns.

Es gibt einen kleinen Bruch auf dem Album mit diesem psychedelischeren zweiten Teil. Was magst du selber lieber, die direkteren Songs oder diese psychedelischeren?

Ist das nicht ein bisschen so als würde man Eltern fragen, welches ihrer Kinder sie mehr lieben? Es hat eben seinen Grund, dass sie da sind. Welche gefallen dir denn besser?

Das kann ich so gar nicht sagen.

Siehst du, da sind wir also auf einer Linie.

In den zweiten Teil des Albums kann man mehr eintauchen, ihn noch stärker fühlen. Aber es gibt keinen qualitativen Unterschied. Kommen wir zum Schluss. Ihr habt zwei neue Mitglieder in der Band. Warum?

Weil die anderen beiden ausgestiegen sind. (lacht)

Und warum sind sie ausgestiegen?

Das sind persönliche Gründe, familiäre Angelegenheiten.

Ich habe gehört, dass du beim Vorspielen gemerkt hast, dass der neue Gitarrist sogar noch besser ist, als du.

Ja, das stimmt.

Ist er ein Ansporn für dich, besser zu werden?

Als Musiker? Ja, absolut. Das gilt für mich und auch unseren zweiten Gitarristen. Der Neue ist gerade mal 22 oder 23 Jahre alt und ist uns in gewissen Aspekten Lichtjahre voraus. Es ist sehr interessant, ihn spielen zu sehen und zu sehen, wie er mit dem Instrument umgeht. Er verursacht, dass ich mich faul fühle. Aber ich bin auch froh, weil ich nun besser delegieren kann und ihm sagen kann, dass er dies und jenes probieren soll, sich mehr Freiheit nehmen soll und nach den Sternen greifen und sie herunter holen soll.

Wie oft übst du denn selber?


Ich spiele schon jeden Tag Gitarre, aber richtiges Üben findet nur im Proberaum statt und das mindestens zweimal die Woche.

Andreas Schulz (Info)
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