Gedanken über das ORANGE BLOSSOM SPECIAL FESTIVAL

OBS-BLUES

Dass dieses Jahr in die Weltgeschichte eingehen wird, ist schon jetzt unbestritten. Ein Jahr, das uns vor völlig neue, nie dagewesene Herausforderungen stellt. Und auch wenn die Auswirkungen der Krise in Deutschland bislang verhältnismäßig glimpflich verlaufen (sind), gibt es Betroffene, für die es aktuell um nichts weniger als ihre eigene Existenz geht. Arbeiter, bei denen die Arbeitslosigkeit droht oder sogar schon bittere Wirklichkeit geworden ist, Einzelhändler, Gastronomiebesitzer und eben auch Kulturschaffende, bzw. Solo-Selbständige. Alles Personen, deren sicher geglaubte Säulen spätestens jetzt stark ins Wanken geraten, wenn nicht sogar schon längst eingestürzt sind. 

Angesichts dieser akuten Probleme fällt es schwer, einen Verzicht von persönlichen Annehmlichkeiten zu beklagen. Dennoch gibt es eine liebgewonnene Institution, die dieses Jahr nicht stattfinden wird und deren Existenz ebenfalls am Wanken ist.

Das ORANGE BLOSSOM SPECIAL FESTIVAL wird dieses Jahr an Pfingsten nicht stattfinden. Dieses grundsympathische Festival mit der unglaublichen Liebe und Hingabe zu wirklich jedem Detail. Statt dem für dieses Jahr geplanten Bericht zu eben diesem Festival gibt es nun an dieser Stelle eine Beschreibung, was (zumindest mir) in diesem Jahr alles so schmerzlich fehlen wird. 

Wenngleich schon längst klar war, wohin die Reise gehen wird, war die sehnlichst erwartete finale Meldung aus der Beverunger Villa, dem Stützpunkt von Glitterhouse Records, und die damit verbundene Gewissheit doch mit einem gewissen Schock verbunden. Und je näher der Termin rückt, desto schwerer wiegt der Verzicht auf eben genau das alles, was dieses Wochenende in den letzten Jahren so wundervoll gemacht hat.

Kein OBS dieses Jahr. Kein „You‘re at home, Baby!“, kein „Welt aus, OBS an“, die vielleicht treffendsten Mottos zu diesem Festival. Mottos, die das Gefühl beschreiben, welches jeden einzelnen Besucher über die drei, vier Tage mit begleitet. Die familiäre Atmosphäre, die in diesen Tagen rund um Beverungen herrscht, verbunden mit der Hoffnung, dass doch noch nicht alles verloren ist auf dieser Welt. Jeder versucht für sich, nahezu jede Sekunde aufzusaugen, jeden Moment auf intimste Weise zu genießen. Und wie wahrscheinlich ebenso jeder zelebriere auch ich sämtliche Aktivitäten, die mit diesem Festival verbunden sind.

Keine wochenlange Vorbereitung auf die Tour. Was muss eingepackt werden? Wer reist wann an? Wer bringt was mit? Wie werden die Wohnmobile, -wagen, Zelte gestellt? Keine wochenlange Vorbereitung auf die einzelnen Bands und, ganz wichtig, auf die Running Order. Welches sind die potenziellen Highlights, welches sind mögliche Überraschungen, bei welchen Bands könnten die Grillpausen stattfinden?

Kein Kribbeln bei der Abfahrt. Kein Genießen der Fahrt durchs Weserbergland, währenddessen die aktuelle OBS-Compilation rauf- und runterläuft. Kein erstes Bier nach der Ankunft, keins nach dem Aufbauen der Wagenburg. Kein „Hallo“ bei Norbert und Vio, keins bei den mittlerweile schon wohlbekannten Stellplatznachbarn und Stammgästen. Kein „wir müssen auf die Tube drücken, ich will rechtzeitig ein Bändchen haben, bevor die erste Band spielt, gottverdammt, jedes Jahr die gleiche Diskussion!“. Wie gerne würde ich diese Diskussion jetzt führen.

Kein Fußpils für den Weg. Keine freundliche Begrüßung der OBS-Teammitglieder während der Bändchenübergabe. Kein erstes „Hallo“ im Garten, kein erster Träger vom Bierstand (Hat eigentlich irgendeiner im letzten Jahr über die neue Biersorte gemeckert?!?).

Kein Spekulieren über den Surprise-Act, um am Ende doch wieder falsch gelegen zu haben (zumindest in den letzten paar Jahren). Keine Witze. Wobei… na gut. Keine frittierte Calzone für den Rückweg. Kein Philosophieren über das Erlebte des Tages vor der Wagenburg bei einigen weiteren Bieren… plus natürlich die Sachen und Aktivitäten, die jedes Jahr so individuell gemacht haben.

Kein sonores „IHR LIEBEN!“, das einem von der Holzbühne entgegenschalmeit. Keine Livemusik… Alter, keine Livemusik… KEINE! LIVE! MUSIK!

Nichts, einfach gar nichts, kann solche durchweg positiven Emotionen auslösen, wie Livemusik. Es gibt nichts Vergleichbares, zumindest nicht für mich. Egal, ob krawallige oder in sich gekehrte Auftritte, laute oder leise Töne, fröhliche oder traurige Stimmungen. Musik kann, live präsentiert, auf jede Art und Weise wunderschön sein. Und genau das fehlt mir aktuell schon ganz besonders. 

Wie gesagt, es ist Klagen auf sehr hohem Niveau. Man kann gar nicht oft genug erwähnen, dass es genügend Menschen gibt, die froh wären, wenn sie über solche Dinge jammern könnten. Dennoch ist Kultur und alles, was dazugehört, ein so unglaublich wichtiger Teil unserer Gesellschaft. Darum ist es für alle Kulturinteressierten so wichtig, sich in dieser Zeit mit all den Institutionen und Künstlern, die einem ans Herz gewachsen sind, solidarisch zu zeigen.

Denn, ich mag mir nicht ausmalen, wie es ist, wenn Institutionen wie eben das OBS sterben werden. Gehen wir davon aus, dass die Bundesregierung, so viel sie auch während der Krise richtig gemacht hat, die Kultur nicht auf dem Zettel haben wird, wenn es um die Verteilung von möglichen Hilfspaketen gehen wird, zumindest nicht primär. Da sind Lufthansa, Volkswagen, Adidas und Co. wesentlich näher an den Geldtöpfen.

Viele Grüße an dieser Stelle an Rembert und sein Team (Ich bin sehr darauf gespannt, was ihr dieses Jahr alternativ per Stream präsentieren werdet!), an die vielen Anbieter auf dem Festivalgelände, an die tolle Security, an unsere Gastgeber Norbert und Vio sowie an unsere langjährigen Stellplatznachbarn aus Aurich und Umgebung. Ich hoffe inständig, dass wir uns im nächsten Jahr wiedersehen können. Bis dahin wünsche ich euch alles Gute und bleibt vor allem gesund!

TIMO SCHAKAU