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Interview mit Obscure Sphinx (24.09.2012)

Obscure Sphinx

Wenn eine Band wie OBSCURE SPHINX den New Blood Award beim Summer Breeze Open Air 2012 gewinnt, dann hat man doch wieder ein bisschen Hoffnung, dass in Zeiten von SABATON und POWERWOLF auch Musik mit Tiefgang, Niveau und Gehalt immer noch ihre Liebhaber findet. Die polnische Band überzeugt mit einer mächtig unter die Haut gehenden Mixtur aus Postcore, Sludge, Doom und schwarzer Atmosphäre, gekrönt vom Gesang der Frontfrau Wielebna. Bereits letztes Jahr erschien das beeindruckend gute Album "Anaesthetic Inhalation Ritual" in Eigenregie, eine neue Platte ist in Mache. Wir unterhielten uns mit Gitarrist Olo und Bassist Blady ausführlich über die letzten Wochen und Monate.

Hallo. Zunächst einmal herzlichen Glückwunsch zum Sieg beim New Blood Award im Rahmen des diesjährigen Summer Breeze Open Airs. Hättet ihr damit gerechnet, dass ihr mit diesen Wettbewerb mit eurer Musik gewinnen könntet?

O: Danke schön. Wir haben es gehofft, da wir uns von den anderen Bands sehr stark unterschieden haben. Dadurch zieht man schon mehr Aufmerksamkeit auf sich. Trotzdem muss man aber immer noch ordentlich spielen und darf es nicht vermasseln.

Wie habt ihr denn reagiert, als ihr das Ergebnis erfahren habt?

O: Ehrlich gesagt waren wir während des gesamten Wettbewerbs nicht zu aufgeregt oder gestresst. Wir wollten natürlich 100 Prozent geben, waren aber überhaupt erst mal glücklich, überhaupt dabei sein zu dürfen und ein bisschen Zeit auf einem großen Festival zu verbringen, ein bisschen Musik zu spielen, das Wetter zu genießen und kaltes Bier zu trinken. Wir haben uns also gedacht, dass was immer passieren mag, eben passiert. Als wir das Ergebnis dann gehört haben, dachten wir nur "Ach du Scheiße, das ist jetzt wirklich passiert, jetzt stehen wir im Scheinwerferlicht." Dann haben wir erst realisiert, dass wir tief im Inneren wirklich auch als Sieger vom Platz gehen wollten, weil wir an die Kraft unserer Musik glauben.

Da ihr gewonnen habt, durftet ihr zweimal auf dem Festival spielen. Welche Show war denn die bessere und wie haben sie sich unterschieden?

O: Beide Bühnen waren groß und sehr professionell und es fühlte sich auf beiden Bühnen gut an, dort zu spielen. Die größere Bühne fühlte sich deshalb etwas besser an, weil wir dadurch das Gefühlt hatten, ein Teil des ganzen Events zu sein und nicht nur des Wettbewerbs. Der Sound war auch druckvoller und ich hatte manchmal das Gefühl dass meine Gitarre den Leuten den Nacken bricht.

Abgesehen davon, dass ihr den Wettbewerb habt, wie gefiel euch den das Festival und die Atmosphäre dort? Welche anderen Bands habt ihr euch angeguckt und welche Auftritte gefielen euch besonders?

O: Wir waren für drei Tage da und haben es sehr genossen. Wir wurden als Band sehr professionell betreut, als wir gespielt haben und es war auch schön, Teil des Publikums zu sein. Das Festival war perfekt organisiert, das Wetter die meiste Zeit in Ordnung, bis auf den einen Tag, als es geregent hat und wir überflutet aufgewacht sind. Abgesehen davon war alles perfekt und wir hätten gerne mehr davon. Was Bands angeht – wir haben uns natürlich BEHEMOTH angesehen und die haben uns weggeblasen. Wir hatten die Möglichkeit, einen Teil der Show direkt vor der Bühne und einen Teil backstage anzuschauen und konnten so sehen, was für eine perfekt geölte Maschine diese Band ist. Außerdem haben wir uns NILE, IMMORTAL, CROWBAR und GHOST BRIGADE angeschaut, nur um ein paar zu nennen.

Hat es denn schon positive Auswirkungen gehabt, dass ihr den Wettbewerb gewonnen habt? Habt ihr mehr Alben, sowohl physisch, als auch Downloads verkauft?

O: Ja, auf jeden Fall. Wir haben zwar keinen Vertrag bei Nuclear Blast bekommen, aber damit auch nicht gerechnet. Ok, vielleicht doch, aber das hat noch Zeit (lacht). Aber ernsthaft, vielen Leuten gefiel unsere Musik und sie wollen nun eine CD oder ein Shirt kaufen oder schicken uns Emails und erzählen uns, wie unsere Musik sie anspricht. Das ist immer eine schöne Sache. Außerdem haben wir uns eine kleine Fanschar in Deutschland aufgebaut und viele Leute bitten uns, dort zu spielen, was wir nächstes Jahr mit dem neuen Album sicher auch machen werden.

Aber ihr seid noch nicht mit einer Plattenfirma in Kontakt, die Interesse daran hat, eure Platten zu veröffentlichen?

O: Nein, nicht wirklich, aber das wäre natürlich toll. Wir haben aber ein paar Konzert- und Tourangebote.

Obscure SphinxWessen Idee war es denn, sich für den Wettbewerb anzumelden?

O: Bei der Promotion eines Albums ist es ja normal, dass eine Band überall, wo es Sinn macht, eine CD hinschickt. Wir haben uns gedacht, dass wir uns nicht nur auf Polen beschränken sollten, weshalb wir auch immer nach guten Auftrittsmöglichkeiten im Ausland suchen. So kam es dann auch zur Teilnahme am New Blood Award.

Und wie lief die Reise zum Summer Breeze im Allgemeinen? Wie seid ihr nach Dinkelsbühl gekommen und war es eine anstrengende Reise?

O: Lustigerweise kommt man direkt von Warschau nach Dinkelsbühl, wenn man ohne groß abzubiegen einfach über die Autobahn drauf zu fährt. Die Reise ist also an sich einfach, nur die Entfernung ist ziemlich groß (ziemlich genau 1.000 km – d. Verf.), besonders, wenn man sein ganzes Equipment dabei hat. Man fährt recht langsam, der eine will mal etwas essen, der andere muss mal pinkeln usw. Wir haben dann unterwegs gestoppt, um ein bisschen zu schlafen. Ich war dann ein ziemlich verwundert über mein Deutsch. Weil ich es als einziger ein bisschen spreche, musste ich es sofort anwenden, damit wir einen Platz zum Campen finden konnten. Trotzdem hat alles prima geklappt. Am nächsten Tag sind wir dann am Veranstaltungsort angekommen. Auf der Rückfahrt sind wir dann durchgefahren, unser Gitarrist und Hauptfahrer Yony ist echt ein Terminator.

Dann lass uns jetzt mal über die Band und die Musik sprechen. Könnt ihr uns eine kleine Zusammenfassung eurer Biografie geben? Wann habt ihr die Band ins Leben gerufen und wie habt ihr zusammengefunden?

B: Um es kurz zu machen: die Band wurde 2008 gegründet, zunächst mit drei Mitgliedern. Bartek (unser ehemaliger Gitarrist), Mateusz (Schlagzeuger) und ich. Wir haben uns dann entschieden, das Line-up zu erweitern, haben ein paar Anzeigen geschrieben und sie ins Netz gestellt. Innerhalb eines Jahres haben wir dann Wielebna (Gesang) und Yony (Gitarre) gefunden. Wir haben zwei Demo-CDs aufgenommen und 2011 unser erstes komplettes Album "Anaesthetic Inhalation Ritual" veröffentlicht, was für uns der Anfang dessen war, was wir nun OBSCURE SPHINX nennen. Ein paar Monate später ist Bartek ausgestiegen und Olo wurde unser neuer Gitarrist. Das war es auch schon. Alles passiert im hier und jetzt, also müssen wir nicht über die Vergangenheit sprechen.

Wer hatte die Idee für den Bandnamen und was bedeutet er? Wofür steht das Wort Sphinx? Eines eurer Shirts zeigt eine aufgedruckte Motte, also vermute ich, dass Sphinx nicht für die ägyptische Figur steht.

B: Wir mögen diesen Namen, weil er, wie du richtig erkannt hast, nicht offensichtlich ist. Er kann für eine Mottenart, ägyptische Mythen oder metaphorisch für etwas Dunkles, Mysteriöses und Finsteres stehen. Er ist vielleicht nicht sehr werbewirksam, aber perfekt für unsere Musik.

Wenn ich an Motten in Verbindung mit Musik denke, kommt mir zunächst ein Video der isländischen Sängerin BJÖRK in den Sinn und zwar das sehr verstörende Video zum Song "Human Behaviour". Hattet ihr das vielleicht im Hinterkopf, als ihr den Bandnamen ausgesucht habt?

B: Nicht wirklich, aber ich stimme zu – das Video ist im Sinne dieser verstörenden Sichtweise wirklich großartig.

Ich finde es sehr schwer, eure Musik mit nur einem oder zwei Wörtern zu beschreiben. Es ist beinahe unmöglich, sie einem bestimmten Genre zuzuordnen und das einzige Adjektiv, das definitiv passt, ist emotional. Wir würdet ihr euren Stil selber beschreiben und welchem Genre zuordnen?

O: Ich finde es auch immer schwerer zu bestimmen. Wir benutzen Begriffe wie Post Metal, Sludge, Experimental oder Progressive, aber unsere Musik geht darüber hinaus. Das ist aber auch gut so, weil man etwas Neues bekommt.

Könnt ihr andere Bands benennen, die einflussreich für euch sind?

B: Wir alle hören ganz verschiedene Arten von Musik. Für mich ist Black Metal am einflussreichsten. Sowohl seine Atmosphäre, als auch die Evolution zu dem, was es heute ist. Natürlich sind OBSCURE SPHINX weit entfernt davon, Black Metal zu sein, aber manchmal gelingt es mir, ein paar dieser mürrischen, düsteren Emotionen in unsere Kunst zu schmuggeln, wobei mir Wielebna viel hilft, hehe. Du sagst es ja, es geht vor allem um Emotionen.

Ich habe die Texte der Songs auf "Anaesthetic Inhalation Ritual" nicht vorliegen, denke aber aufgrund der Tatsache, dass die Musik selber sehr emotional ist, dass auch die Texte sehr emotional und persönlich sind. Könnt ihr uns eine Zusammenfassung der Hauptthemen in den Texten geben? Wer schreibt die Texte und woher kommt die Inspiration dazu?

B: Wielebna schreibt die meisten unserer Texte. Sie haben alle mit dem Hauptthema des Albums zu tun und handeln vom Menschsein, vom menschlichen Geist und den dunklen Dingen, die dort verborgen liegen. Ich denke, dass wir alle Leichen im Keller haben.

Wie sehr treffen die Adjektive zerbrechlich, wütend, verzweifelt, verletzlich, hoffnungsvoll und tot auf eure Musik und eure Texte zu?

O: Sie passen alle. Wir geben dir Hoffnung und dann töten wir etwas. Wir machen dich stark und zu allem fähig und dann machen wir dich krank und verletzbar. Wir machen dich zu einem Niemand und dann zu einem Gott.

Und wofür steht der Albumtitel? Wenn man über ihn nachdenkt, fühlt man sich irgendwie unbehaglich. Was ist ein Ritual der betäubenden Inhalation?

B: Das ist unser Kommentar zum gegenwärtigen Zustand der Menschheit. Hauptsächlich geht es in "Anaesthetic Inhalation Ritual" um den Niedergang. Den Niedergang der Menschlichkeit und den Fall des Menschen, um genau zu sein. Heutzutage sind die Beziehungen zwischen Menschen sehr zerbrechlich und unaufrichtig. Wir können direkt neben jemandem leben und sprechen nie mit ihm. Wir sehen noch nicht einmal eine Notwendigkeit dafür. Wir sind unter dem Einfluss eines metaphorischen Betäubungsmittels. Das ist das Zeichen der modernen Gesellschaft. Wir fragen uns, wie es dazu kommen konnte. Und was haben wir, Menschen, dafür getan? Es muss etwas gewesen sein, was wir alle tun. Atmen. Also ist die Luft (AIR, Abkürzung des Albumtitels – d. Verf.) verantwortlich. Das Ritual der betäubenden Inhalation.

Selbst ohne Gesang ist eure Musik schon sehr beeindruckend, aber der Gesang gibt ihr noch dieses gewisse Etwas. Ich denke, das würde auch mit einem männlichen Sänger funktionieren, aber der Effekt ist mit weiblichem Gesang noch intensiver. Es ist schwierig zu erklären, warum ich das so sehe, aber ich denke, dass es mit etwas zu tun hat, dass ich weibliche Fragilität nennen würde. Könnt ihr das nachvollziehen?

O: Wielebna hat eine schier unendliche Reichweite dessen, was sie mit ihrer Stimme machen kann. Sie ist ein weiteres Instrument, das unserer Musik diese Dimension und Emotion gibt. Ein Kerl kann brüllen und dich angepisst machen, aber könnte er dich zum Weinen bringen? Ich denke nicht, zumindest nicht so gut, wie phänomenaler weiblicher Gesang.

Obscure SphinxWarum sprecht ihr von Ritualen, wenn ihr Konzerte meint? Was ist rituell an euren Konzerten?

O: Es ist ein Moment und ein Ort, an dem du dich in etwas anderes verwandelst, etwas oder jemand, das oder der tief in dir steckt. Wir alle verbinden einander und werden eins. Wir tragen Emotionen auf unseren Ärmeln und geben nichts vor zu sein, wir fühlen die Musik, die wir spielen und wollen, dass das Publikum in die gleiche Gemütsverfassung fällt.

Ich habe euch zwar nicht beim Summer Breeze gesehen, weil ich nicht dort war, aber auf euren Livebildern sieht man, dass eure Sängerin diese Fetzen an ihren Armen trägt. Warum?

B: Ich führe Olos Gedanken hier weiter. Jedes Ritual beeinflusst die Leute, die mit uns daran teilnehme. Wir erreichen das, in dem wir viele Elemente kombinieren. Aufrichtigkeit, Music, Schreie, Flüstern, Bewegungen, Sound und visuelle Aspekte. Die Fetzen sind Teil letzteres. Sie erschaffen und erfüllen unsere Aufführung.

Wer ist oder wer sind die Songschreiber bei OBSCURE SPHINX und wie entstehen eure Songs normalerweise?

O: Viele unserer Songs entspringen aus Jamsessions oder jemand hat eine Idee oder ein Riff, woran wir dann arbeiten. Es ist hauptsächlich eine Gemeinschaftsarbeit

Habt ihr schon neue Songs geschrieben? Euer Album ist ja nun schon fast anderthalb Jahre alt, also vermute ich, dass es schon neues Material gibt. Wenn ja, was könnt ihr dazu schon sagen? Unterscheidet es sich von den alten Sachen?

O: Ja, wir arbeiten derzeit an neuem Material und planen, Anfang nächsten Jahres mit den Aufnahmen anzufangen. Ich denke, es ist noch zu früh, zu sagen, wie das Album sein wird, wir haben keine Vorgaben außer der, ein überraschendes Kunstwerk zu erschaffen.

Wenn ihr eine oder zwei Bands aussuchen dürftet, mit denen ihr auf Tour gehen könntet, welche wären das?

O: LED ZEPPELIN und PINK FLOYD? Ok, ernsthaft. TOOL, MESHUGGAH, NEUROSIS? Du wolltest drei Namen, richtig?

Richtig. Danke fürs Beantworten meiner Fragen und alles Gute für euch. Eine letzte Nachricht an unsere Leser?

O: Vielen Dank für das Interview. Wir sind für alles, was uns auf dem Summer Breeze passiert ist, sehr dankbar und freuen uns darauf, euch auf einer richtigen Tour in Deutschland und im Rest Europas zu sehen. Cheers!

Andreas Schulz (Info)
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