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Interview mit RPWL (24.02.2013)

RPWL

Die Band aus Freising ist einer der am meisten geschätzten Vertreter des Prog in Deutschland. Dabei sind nach 15 Jahren seit ihrer Gründung von der Urbesetzung nur das W und das L übriggeblieben. Warum aber gerade dieser Umstand für die Konstanz und eine Weiterentwicklung auf hohem Niveau verantwortlich ist, wieso im Progressive Rock längst nicht alles rund läuft, und was bei RPWL in naher Zukunft auf dem Programm steht, dazu hat Gitarrist Kalle Wallner Lothar Epe Rede und Antwort gestanden. (Foto: Jutta Fassbinder)

Kalle, wie geht es dir?

Sehr gut.

Und wie läuft es so bei RPWL?

Ausgezeichnet. Nicht nur unser aktuelles Album, sondern auch die jüngste Tour lief hervorragend. Nach einer kleinen Pause freuen wir uns, einige weitere Konzerte mit der kompletten „Beyond Man And Time“-Show zu spielen, bevor wir uns dann langsam aber sicher auf das nächste Album einstimmen.

Sprechen wir erst mal über den Progressive Rock im Allgemeinen. Sieht so aus, als hätte er seine besten Zeiten schon eine Weile hinter sich. Welche Optionen zum Gegensteuern siehst du, um sozusagen dem trivialen Gedudel des Mainstream entgegenzuwirken?

Viele Optionen sehe ich da nicht, und vor allem halte ich das auch nicht für meine Aufgabe als Musiker. Damit würde ich mir die Rolle eines Geschmacks-Bewerters anmaßen, und Missionieren ist nicht mein Ding. Dafür schätze ich als Künstler zu sehr die Vielfalt der Musik und die Entscheidungsfreiheiten, die ich als Musiker habe. Außerdem höre ich selbst auch sehr gerne guten Mainstream. Ich finde es grundsätzlich sehr wichtig, allem erst einmal offen gegenüberzustehen.

Prog Rock ist ja so ein Begriff, den niemand richtig fassen kann. Die Stilrichtungen sind so breit gefächert und unterschiedlich, dass eigentlich gar nicht alles in eine noch so große Schublade passt. Wo siehst du die Gemeinsamkeiten all dieser Stilrichtungen?

Persönlich mag ich den Begriff nicht besonders, aber als Künstler hat man wohl generell Probleme damit, in einen Schublade gesteckt zu werden. Allerdings hast du Recht: Die Bands in dieser Kategorie sind tatsächlich sehr unterschiedlich. Gemeinsamkeiten lassen sich wohl am ehesten im Publikum finden. Ich habe in den vielen Jahren, in denen ich mit RPWL auf Tour bin, die Erfahrung gemacht, dass das Publikum sich sehr ausgiebig mit Musik beschäftigt. Es lehnt sich auch gerne mit einem Glas Wein oder Bier zurück, um die Musik intensiv zu genießen. In unserem Genre ist der Fan also sozusagen das komplette Gegenteil des Fastfood-Musikkonsumenten. Man trifft jedoch auch viele Bands, die einfach nur ihren Vorbildern hinterherjagen und weder gute Songs abliefern, noch in irgendeiner Weise etwas Elementares zu sagen haben. Da steht dann zwar das Etikett Prog Rock drauf; progressiv im eigentlichen Sinn ist es allerdings nicht. Da finde ich persönlich Bands interessanter, die auch tatsächlich innovativ an die Sache herangehen.

In dem Zusammenhang: Wie würdest du euren Stil, Musik zu machen, beschreiben?

Schwer zu sagen. Und ob wir musikalisch innovativ sind, sollen andere entscheiden. Unsere Motivation kommt aber vor allem daher, etwas Besonderes zu machen und das zu unterstreichen, was wir sagen wollen. Wir hatten bisher mit jedem Album ein thematisches Anliegen, das über den üblichen Weltschmerz-Liebe-Kanon hinausgeht und sich mit ernsthaften Fragen an jeden einzelnen richtet. Die Musik ist sozusagen das Transportmittel, um das Publikum zu erreichen. Unsere Musik würde ich als emotional bezeichnen. Dabei steht stets der Song insgesamt und nicht ein Instrument oder gar ein Musiker im Vordergrund.

Die Fan- und Vertriebskultur im Progrock ist ja eine völlig andere als im Mainstream. Die zumeist kleinen Labels machen eine wesentlich persönlichere Fanbetreuung als die großen Labels. Die Prog-Dchuppen, in denen zumeist aufgespielt wird, haben so eine Art angenehme Wohnzimmeratmosphäre, wobei dann allerdings so richtig was abgeht, und der Kontakt zu den Fans ist teilweise eng wie persönlich. Inwieweit kann das helfen, die Subkultur am Leben zu halten?

Ich finde das ziemlich gut. du beschreibst hier ein Phänomen, das bei jeder musikalischen Stilistik auftreten würde, wenn man als Band sehr dicht am Publikum dran ist. Und das ist wirklich sowohl für die Band als auch die Zuschauer etwas ganz Besonderes. Und jedes gute Konzert einer Band wird vom Konzertbesucher per Mundpropaganda, im Internet oder auf andere Weise weiterverbreitet. Ob sich das jedoch dann gleich auf die ganze Szene übertragt, kann ich hier und jetzt nicht beurteilen. Das schlimmste, was der Szene allerdings passieren kann, ist, dass keine jungen Bands mehr nachkommen, die auch mal alles Alteingesessene über den Haufen werfen und neue Wege gehen. Stillstand ist der Tod.

Wenn ich mir euren Tourplan anschaue, seid ihr eine von den Prog-Bands, die live-technisch eigentlich sehr oft unterwegs sind. Ihr habt inzwischen in ziemlich genau 15 Jahren seit eurer Gründung neun CDs produziert. Könnt ihr von der Musik leben, oder müsst ihr noch andere Jobs machen?

Wir haben uns die glückliche Lage erarbeitet, die Musik als Vollprofis ausüben zu können. Dabei spielen RPWL nicht die einzige, aber eine sehr zentrale Rolle. Yogi und ich machen zudem das ganze Business drumherum. Wir haben vor drei Jahren unser eigenes Label Gentle Art Of Music gegründet, bei dem auch mittlerweile eine ganze Reihe toller Acts veröffentlicht wurden. Dazu kommen unsere Tonstudios und unsere Tätigkeit als Produzenten und Komponisten.

Insofern habt ihr auch gerade mal wieder eine Jubiläumstour hinter euch. Gibt es kurzfristig eine Jubiläums-Edition oder so etwas, eine Best Of oder eine CD mit unveröffentlichtem Material?

Nein. Unsere Geburtstags-Tour fand 2010 statt. Dazu gab es eine Jubiläums-Doppel-CD mit Best Of und vielen Songs, akustisch aufwändig neu aufbereitet. Glücklicherweise haben wir so viele thematische Ideen, dass wir nicht jedes Jahr irgendein Jubiläum ausrufen müssen, um einen Grund für Konzerte zu finden. Unsere letzte Tour war die mit unserem aktuellen Album, das sich sehr stark mit verschiedenen Aspekten der Philosophie beschäftigt hat.

Davon ausgehend, dass ihr seit 15 Jahren bis auf einige personelle Wechsel in konstanter Besetzung unterwegs seid, was ist euer Geheimnis für diese Konstanz?

Ich finde, dass wir gar nicht mal so wenige Besetzungswechsel hinter uns haben. Im Prinzip sind nur Yogi und ich von der Urbesetzung übriggeblieben. Das ist aber in unserem Fall das Geheimnis unserer Konstanz. Wir beide ziehen RPWL von Anfang an mit aller Konsequenz durch, kümmern uns um die musikalischen Aspekte und um das Business. Wir haben immer sehr bedauert, wenn uns jemand verlassen hat, aber um es positiv auszudrücken: Es kam immer jemand nach, der RPWL bereichert und damit dann letztlich auch besser gemacht hat.

Ihr habt ja vor allem auch sehr viel im Ausland gespielt. Wie ist dort die Resonanz auf eure Musik?

Bereits seit unserem ersten Album verkaufen wir nur circa 25 Prozent unserer CDs in Deutschland. Der Rest verteilt sich relativ gleichmäßig auf Europa, die USA und den Rest der Welt. Wir sind es also gewohnt, zu reisen, was wir auch sehr genießen. Die Resonanz ist großartig! Auf Tourneen ist es immer sehr spannend zu sehen, wie unterschiedlich emotional die Reaktionen in den verschiedenen Ländern ausfallen.

Ihr wart zuletzt mit "Beyond Man And Time" in den Top 100 der Albumcharts unterwegs. Was bedeutet das in heutigen Zeiten, auch bezogen auf die verkauften Einheiten?

Das ist immer ein Kompliment für jeden, der künstlerisch und Business-bezogen daran gearbeitet hat. Und es ist ein deutliches Zeichen dafür, dass man auch in einer musikalischen Nische kommerziellen Erfolg haben kann.

Mir ist aufgefallen, dass du im positiven Sinne einen sehr "tragenden" Stil hast, Gitarre zu spielen, um sozusagen in den entscheidenden Situationen Akzente zu setzen, ohne die Neigung auszuleben, gleich ein annähernd komplettes Konzert mit Gitarrenakrobatik zuzukleistern, was ich persönlich sehr mag. Würdest du sagen, dass das ein ganz entscheidendes Element ist, um langfristig als Band erfolgreich zu sein, weil man so den Kollegen genügend Raum lässt, sich selbst ebenfalls musikalisch zu entfalten? Oder ist das nur ein strategisches Element eurer Art, Musik zu machen?

Puh, offensichtlich gehst du an Musik wesentlich analytischer heran, als ich das mache. Ich versuche stets, Emotionen umzusetzen, unabhängig von der Instrumentierung. Ich lasse mich da sehr stark von meinen Gefühlen leiten und finde, dass es schon sehr viele herausragende Gitarrensoli auf der Welt gibt. Ein Song kommt auch immer ohne aus, aber wenn es passt und die Wirkung sogar noch unterstreicht, spiele ich natürlich auch gerne Soli.

Wie lange spielst du schon Gitarre und wie bist du dazu gekommen? Ich meine damit nicht, ob du von Jimi Hendrix so furchtbar beeindruckt warst oder so etwas, sondern ob du als Autodidakt an die Sache herangegangen bist oder im klassischen Sinne Unterricht hattest, ob du von deinen Eltern musikalisch vorbelastet bist, so in die Richtung.

Mittlerweile bin ich in einem Alter, wo ich ohne zu zögern sagen kann, dass ich gefühlt schon mein ganzes Leben lang Gitarre spiele. Angefangen habe ich mit klassischem Gitarren-Unterricht im Alter von acht Jahren. Ich wollte ja immer Schlagzeuger werden, aber das war zu laut, zu groß und zu teuer. Mit elf bekam ich meine erste E-Gitarre, und dann nahm das Ganze erst seinen autodidaktischen Verlauf. Allerdings hatte ich sofort eine Band, die versuchte, eigene Songs zu spielen. Die Jungs waren alle ein paar Jahre älter als ich, und von dem anderen Gitarristen lernte ich meine ersten Kniffe. Erst viel später hatte ich Unterricht und lernte den kompletten theoretischen Background.

Viele Musiker haben sich am Anfang auf mehreren Instrumenten ausprobiert, bis sie ihr eigenes gefunden haben. Spielst Du noch andere Instrumente?

Ich hatte einige Jahre Geigenunterricht, als ich auf einem musischen Gymnasium war. Das war eine imposante Erfahrung, vor allem die Arbeit mit dem Schulorchester. Ich möchte diese Erfahrung nicht missen. Andererseits war das auch nie so richtig mein Instrument. Ansonsten reicht mir die Gitarre für mehr als ein Leben.

Ihr habt 1997 als Cover-Band von PINK FLOYD begonnen. Welche Einflüsse habt Ihr ansonsten?

Na ja, das erzählt man sich, ist aber eigentlich nicht korrekt. Richtig ist, dass wir uns in der Ur-Besetzung zum Spaß zum Musikmachen getroffen haben und dann über einige sehr alte FLOYD-Songs gejammt haben, die wir alle so ungefähr im Ohr hatten. Wir spielten dann auch einige lokale Spaß-Gigs. Oft dauerten das dann zwei Stunden, obwohl wir nur vier Songs spielten, aber das Psychedelische und die unendlichen Improvisations-Passagen waren damals sehr ausgeprägt. Selbst als wir unsere ersten Songs geschrieben haben, machten wir uns keine Gedanken darüber, ob das überhaupt irgend jemanden interessieren würde.

Du betreibst mit Yogi zusammen eine eigene Produktionsfirma. Deshalb gehe ich davon aus, dass ihr auch andere Künstler produziert. Nach welchen Kriterien wählt ihr Eure Künstler aus?

Produzieren nicht unbedingt; wir lassen den Bands schon ihren Freiraum, aber wir entwickeln schon gemeinsame Ideen und Ziele. Unsere Kriterien sind dabei ziemlich subjektiv. Uns müssen natürlich der Sound und die Songs gefallen, und es muss erkennbar sein, ob wir gemeinsame Ziele haben und wir diese auch gemeinsam erreichen können.

Gibt es außer den Soloprojekten von Yogi und dir irgendwelche konkreten Pläne für weitere Projekte?

Ideen haben wir immer. Ich habe etwa schon einige neue BLIND-EGO-Songs geschrieben; mal sehen, wann ich das Album soweit fertig habe. Aber wir machen ja auch viele andere Projekte, es gibt eigentlich ständig etwas zu tun.

Was sind ansonsten eure konkreten Pläne für die Zukunft als Band?

Ende Februar produzieren wir unsere zweite Live-DVD. Wir nehmen wieder in Kattowitz in Polen auf. Nachdem die letzte Tour von der Story her so aufwändig war, freuen wir uns schon sehr darauf, sie auf DVD zu bannen. Im Mai geht es dann nach Kanada, und wir haben noch einige weitere Pläne. Aber wir werden auch bald unser nächstes Album in Angriff nehmen.

Kalle, vielen Dank, dass du dir Zeit für uns genommen hast!

Andreas Schiffmann (Info)
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