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Interview mit NEORITE (21.11.2021)

NEORITE

Mit seiner EP "Kassandra" hat das Münsteraner Quartett NEORITE im Herbst eine der überzeugendsten Eigenveröffentlichungen im deutschen Metal-Underground anno 2021 vorgelegt, und weckt damit Neugier und Vorfreude auf sein bereits aufgenommenes zweites Album. Warum allerdings "Banner Of Defeat" noch seiner Veröffentlichung harrt und weshalb sich NEORITE für die Stilbezeichnung Epic Thrash entschieden haben, berichten Alex Mock (Gesang und Gitarre) sowie Lukas Pawig (Bass) im munteren Plausch.

Zunächst mal herzlichen Glückwunsch zu "Kassandra" - der Song ist ein Hit und dürfte in Eurem Repertoire ein Klassiker werden! Ganz vorwurfsfrei: Mit der Nummer habt Ihr eine Erfolgsformel von Paradise Lost aufs Neue angewandt, oder?! Zumal Alex‘ Stimme bei dem Song stark an Nick Holmes - zu besten Zeiten - erinnert...

Alex: Danke! Ich bin mir nicht sicher, nach welchen Kriterien aus einem Song ein Hit wird, aber ich glaub, dafür müssen schon ein paar Leute mehr den Song hören und kaufen, als unsere "Reichweite" das hergibt.. Ne, im Ernst, irgendeine "Erfolgsformel" habe ich beim Schreiben des Songs nicht bewusst angewandt. Erst als ich den Paradise-Lost-Vergleich von anderen gehört habe, habe ich realisiert, dass der Vergleich relativ naheliegend ist. Die waren für mich auch seit meiner Teenager-Zeit eine wichtige Band, "Icon" hab ich damals aufgrund des Covers auf Kassette aus der Stadtbücherei ausgeliehen und so - also Liebe auf den ersten Blick, könnte man sagen. Ein großer Einfluss für NEORITE sind Paradise Lost aber tatsächlich nicht, zumindest nicht direkt.
"Kassandra" ist in erster Linie von Celtic Frost beeinflusst, die sind musikalisch und von ihrer künstlerischen Herangehensweise ein nach wie vor wichtiger Einfluss für mich. Ich wollte versuchen, diese stampfende Dynamik, die Celtic Frost auch oft in ihren Songs haben, mit stilmäßig etwas ganz anderem, wie Gesangsmelodien ungefähr im Stil von Alice In Chains zu verbinden, die wir teilweise schon auf unserem Debütalbum "Temple Of The New", z.B. beim Song "Whitewash The Black" so ähnlich hatten.
Und das ist dann spontan dabei rausgekommen. Dazu kam später noch ein meines Erachtens wichtiger Part, das zweite Solo im Song. Das hat unser neuer Leadgitarrist Daniel beigesteuert und dem Song so noch seine eigene Note verpasst. Auch Malte, unser alter (Bandmitbegründer 2016) und neuer Drummer und Lukas am Bass haben definitiv coole eigene Akzente gesetzt.
Aber ja, ich denke auch, dass der Song nicht mehr aus unserem Live-Set wegzudenken ist. Der Song funktioniert live gut und ist auch eine willkommene Abwechslung zum sonst eher schnelleren, komplexeren Material.

Lukas: Paradise Lost ist eine der Bands, auf die alle in der Band trotz verschiedener Geschmäcker stehen. Für mich ist das aber eher unser Triptykon-Riff.

Nicht nur wer des Zwischen-den-Zeilen-Lesens nicht so mächtig ist, mag sich fragen, worum es in "Kassandra" geht - etwa "gute, alte" Metal-typische Sozialkritik?

Alex: Der Begriff Sozialkritik ist sehr schwammig, aber ja, einen besseren Begriff wüsste ich auf Anhieb auch nicht. Ich weiß auch nicht, kann man das so pauschal als metal-typisch bezeichnen? Ich meine, dass es Ende der 80er im Metal so eine Strömung gab, vor allem im Thrash, und das hat sich bis Mitte der 90er einigermaßen durchgezogen. Danach war der Zeitgeist lange Zeit sehr oberflächlich, finde ich. Aber auch heutzutage sind gesellschaftliche Themen im Metal doch eher eine Randerscheinung. Und wenn, dann werden die Themen so oberflächlich und plakativ abgehandelt, dass man am Ende eines Songs gefühlt dümmer als vorher ist..
Ich glaube allgemein, dass Texte für den Großteil der Metal-Bands und auch der -Fans einfach nicht so extrem wichtig sind bzw. dass man sich auf beiden Seiten relativ schnell mit sprachlichen und inhaltlichen Banalitäten in der Musik zufrieden gibt.
Aber die Frage war ja vor allem, worum es geht. Es geht grob gesagt darum, dass Gesellschaften genauso wie einzelne Menschen dazu neigen, Probleme so lange auszusitzen, bis potentielle Lösungsansätze so sehr in Widersprüchen und Interessenkonflikten verstrickt sind, dass sie in der Wahrnehmung zu sozialen und praktischen/ politischen Unmöglichkeiten werden. Und so lange legen sie ihr Nichtstun auch noch als ihr Privileg, als ihre Freiheit aus, und verteidigen sie mit aller Kraft gegen jegliche Veränderungsbestrebungen.
Die mythologische Figur der Kassandra ist insofern ein Symbolbild dafür, dass das Aussprechen unangenehmer Wahrheiten nur dann einen reellen Wert hat, wenn es auch genug Leute gibt, die in der Lage sind, die Information adäquat zu verarbeiten. Es braucht aber auch ein gewisses Grundvertrauen, dass die Kommunikation nach den in einer Gesellschaft vereinbarten Regeln abläuft. Und nicht opportunistisch je nach Interessenlage. Ohne gegenseitiges Vertrauen (-können) ist keine Gesellschaft möglich.

Stilbruch-Alarm! Von Halifax geht es mit dem zweiten Song schnurstracks in die Bay Area: Kaum weniger eingängig, doch nach dem getragenen Opener haut Ihr mit "Epiphany Of Disenchantment" einen Kracher raus, der sich gewaschen hat und die Hörerschaft gut durchrüttelt. Wie lassen sich diese beiden neuen Songs im Hinblick auf Euer Repertoire einordnen - sind das stilistische Schwerpunkte von NEORITE und bilden die bereits ganz gut ab, was uns auf dem kommenden Album erwartet?

Alex: Stilbrüche sind für mich als Songwriter generell interessant, ja. Ich kann mir nix langweiligeres vorstellen, als in einem einzigen Stil rumzudümpeln. Das ist vielleicht Hörer-freundlicher, aber als Musiker spielt man die Songs ja rauf und runter, da ist etwas Abwechslung hier und da schon ganz cool. Wobei ich selbst den Bruch nicht als so drastisch empfinde. Das liegt vielleicht auch daran, dass ich das Album schon kenne. Insofern stimmt es schon, dass die beiden Songs stilistisch grob die beiden Pole des Albums definieren. Die EP steht meiner Meinung nach für sich, ist aber auch ein kleiner Ausblick auf das Album. Zumal „Kassandra“ ja auch einer der Albumtracks ist, so viel sei schon mal verraten. „Epiphany..“ ist ein EP-exklusiver und der neueste Neorite-Track, aber auf dem Album haben wir auch einige schnellere, härtere Songs. Aber ich finde auch, dass beide EP-Songs teils ähnliche Zutaten haben, nur jeweils in einer anderen Geschwindigkeit.
Wie man das Ganze dann genremäßig bezeichnet, ist für uns zweitrangig. Mit dem ersten Album haben uns manche in die Stoner-Ecke geschoben, was ich zum Beispiel gar nicht nachvollziehen konnte. Und andere wiederum meinten, dass wir uns voll Richtung Metal entwickelt haben. Da gibt es noch eine kleine Anekdote zu: Neulich habe ich im Deaf Forever ein Epic-Metal-Special von dem Atlantean-Kodex-Gitarristen gelesen. Da hat er ungefähr geschrieben, dass es ja logisch ist, dass es so etwas wie Epic Doom gibt, weil beide Genres ja sehr gut zueinander passen. Hingegen sei so etwas wie Epic Thrash ja quasi gar nicht denkbar, weil das geht ja so nicht. Da musste ich echt schmunzeln und habe mich gefragt, wer bestimmt das eigentlich? Seitdem muss ich immer daran denken, wenn mich jemand fragt, wo wir uns selbst einordnen. Auch wenn es für uns zweitrangig ist: Ich nehme dann also schon aus Prinzip gern einmal den Epic Thrash, haha. Das passt irgendwie und klingt auch fetzig.

Apropos kommendes Album: Wann dürfen wir denn damit rechnen, denn die EP macht echt Hunger auf mehr, und aufgenommen ist es bereits seit über einem Jahr, wenn ich mich nicht irre?! Und die EP wurde erst dieses Jahr im April aufgenommen und bereits jetzt veröffentlicht...?

Wenn es nach uns gehen würde, wäre das Album natürlich schon längst raus. Aber es gibt leider einige Hürden. Zum einen stehen wir aktuell ohne Label da. Mit unserem Debüt-Label This Charming Man Records hatten wir nur einen Vertrag über ein Album. Ohne zu sehr ins Detail zu gehen, sieht es gerade nicht so aus, dass wir da noch ein Album rausbringen können, aber wir würden es auch nicht ausschließen. Die Labelsuche ist mit unserem Stilmix auch schwer, da wir nicht wirklich in das Raster der oft auf ein bestimmtes Untergenre spezialisierten Labels passen. Wir haben ernsthaft schon zu hören bekommen, dass wir sowohl "zu Mainstream" sind, als auch "zu Metal". Ich weiß nicht, was das für Kategorien sind, aber auf jeden Fall keine, in denen wir als Band denken. Was es noch schwerer macht, ist die Tatsache, dass heutzutage Labelverträge in der Metalszene oft über Vitamin B zustande kommen, was man positiv als "Vernetzung" und negativ als "Vetternwirtschaft" bezeichnen könnte – also wohl irgendwas dazwischen. Und ohne Label ein Album zu promoten, kostet sehr viel Arbeit und Zeit – Zeit, die wir eigentlich lieber in die Musik selbst investieren würden. Und am Ende wird ein 100% professionell aufgenommenes Album unter "Demos & Eigenproduktionen" reviewt...
Unabhängig von der Labelsuche war es nach Fertigstellung des Albums im Herbst 2020 ja auch nicht möglich, live zu spielen. Unseren ersten Gig hatten wir erst neulich im August. Ohne live spielen zu können, ein Album rauszubringen, halte ich für unglücklich. Vor allem wenn man ein Album selbst rausbringen würde und dann hofft, zumindest einen Teil der Kosten durch Verkäufe wieder reinzubekommen. Am Meisten wird ja immer noch auf Gigs gekauft.
Die Idee zur EP kam uns dann irgendwann nach dem Album, als wir überlegt haben, wie wir das Album am besten promoten könnten. Insofern ist es zusammen mit dem Video auch irgendwo eine Promo-EP für das Album. Ich hoffe jedenfalls, dass das Album so bald wie möglich rauskommt. Da wir als Band schon immer sehr produktiv waren, würden wir dieses Kapitel auch gern abschließen und weitergehen.

Aufgenommen habt Ihr die Scheibe mit Jörg Uken im Soundlodge-Studio, und ich finde den Sound der EP kaum weniger als grandios: Zwar ist die Mucke so eingängig, dass mir fast angst und bange wird - Stichwort: zu viel des Guten - doch es funktioniert trotzdem und ich kann mir "Kassandra" gut zwei, drei Mal hintereinander anhören, ohne dass sich die Songs abnutzen, was sicher auch am starken Sound liegt. Wenn überhaupt, so dürften es allenfalls Details sein, die Ihr am Mix und der Produktion ändern würdet, oder?

Lukas: Das Kompliment würde ich dann an Jörg weitergeben, ich finde den Sound auch absolut super. Wir haben auch sehr viel Augenmerk darauf gelegt und Jörg sicher auch mit vielen Detailfragen genervt.

Alex: Wir sind auch sehr zufrieden mit Jörgs Arbeit. Vom jemandem mit so viel Erfahrung kann man nur lernen. Ich glaube, Jörg hat auch sehr schnell verstanden, wo wir hinwollten und hat uns dann sehr transparent klar gemacht, was davon möglich und sinnvoll ist und was vielleicht eher nicht taugt. Wir sind da also auf einem sehr guten gemeinsamen Nenner rausgekommen, denke ich. Das ist in Zeiten, wo jeder zuhause alles Mögliche aufnehmen kann, vielleicht das Besondere an der Arbeit im Studio, dass man im Idealfall mit dem Produzenten einen Gegenpart hat, der auch einen kritischen Blick mitbringt und so zum Gesamtprodukt wesentlich beitragen kann.
Und er ist auch ein sehr angenehmer Zeitgenosse, wir waren ja für das Album zwei Wochen am Stück bei ihm und konnten uns bei dem einen oder anderen Bierchen auch gut kennenlernen. Für die EP waren wir ein Wochenende da, das war während der Corona-Zeit auch ein Lichtblick. An dem Sound der EP und des Albums würden wir also nichts ändern wollen. Aber es wird von uns in Zukunft kein Album geben, das genauso klingt, wie der Vorgänger. Jedes Album braucht einen eigenen Charakter, um der jeweiligen Schaffensphase gerecht zu werden. Aber das ist ja wortwörtlich Zukunftsmusik.

Für die Aufnahme und Produktion in einem Studio werdet Ihr mehr oder weniger tief in die Tasche gegriffen haben, was sich für uns Hörer definitiv gelohnt hat, darüberhinaus auch den Verdacht nährt, dass Ihr NEORITE mit einem gewissen Ernst betreibt und die Band nach vorne bringen wollt?

Alex: Alles, was man kreativ macht, sollte man doch mit einem gewissen Ernst machen oder? Und ja, wir haben sozusagen das Privileg, dass wir in die Musik etwas investieren können, weil wir Job-mäßig alle relativ gut aufgestellt sind. Andere Leute investieren in Konsumgüter und Midlife-Crisis-Exzesse, wir investieren in unsere Musik, weil es einfach unsere Leidenschaft ist. Oder unsere Art von Midlife-Crisis... je nachdem.
Was "nach vorne bringen" angeht, wir haben eigentlich nur zwei Ziele: Erstens regelmäßig Alben aufzunehmen und zu veröffentlichen, da wir wie gesagt recht produktiv sind. Das werden wir auch weiter tun, soweit es in unserer Hand liegt. Und das Zweite ist, regelmäßig live zu spielen. Daran hapert es noch, da der Live-Markt natürlich schon gut gesättigt ist. Uns selbst fehlt aber die Zeit, uns um Gig-Anfragen und -suche zu kümmern. Deswegen suchen wir händeringend einen Booker, der das für uns übernehmen würde. Leider wurden wir da schon zwei Mal "sitzengelassen", weil potentielle Leute, die das für uns übernehmen wollten, dann doch andere Schwerpunkte als Band-Booking für sich gesehen haben. Sowas passiert, aber es wirft einen auch immer zurück. Falls also jemand einen Tipp hat, immer her damit!

Ende August habt Ihr ein kleines Konzert gespielt, bei dem auch der liebe Marcel von Helrunar einen Gastauftritt hatte. Wie kam es dazu und ist gegenseitige Unterstützung in der Szene vor der Haustür für Euch Ehrensache?

Alex: Ich kenne Marcel schon recht lange persönlich. Und wir haben auf dem Album einen Song, wo ich dachte, dass stellenweise Black-Metal-Gesang einen schönen Kontrast setzen würde. Erst wollte ich es selbst machen, weil ich auch im Black Metal "verwurzelt" bin und selbst lange in dem Stil gesungen habe. Da das aber nur den einen Albumsong betrifft, fühlte sich das irgendwie für einen einzigen Sänger auf dem Album wie ein unnatürlicher Stilbruch an. Und da wir auch schon auf "Temple Of The New" einen Gastsänger hatten, nämlich Seb Rider von den Black Space Riders (der da leider im Mix etwas untergegangen ist) bei "Whitewash The Black", war es naheliegend, wieder einen Gastsänger dazu zu holen. Da ist mir direkt Marcel eingefallen, weil ich nicht viele Leute kenne, die so eine coole Black-Metal-Stimme haben und einfach weil er ein super Typ ist. Ich experimentiere gern mit verschiedenen Gesangsstimmen rum, deswegen könnte ich mir vorstellen, dass das in Zukunft eine kleine Tradition bei uns wird.
Was "unsere" Szene angeht, finde ich tatsächlich, dass die Rock- und Metal-Szene in Münster etwas Besonderes ist. Für die Größe der Stadt haben wir hier eine wirklich solide und vielfältige Szene mit einem guten Zusammenhalt, vor allem rund um den Alten Güterbahnhof. Ich hoffe, das bleibt auch so.

Welche Gigs stehen (hoffentlich) als nächste an und welche weiteren Pläne hegt Ihr für die Zukunft?

Alex: Ja, wie gesagt, ohne Booker ist es sehr schwer, aber wir haben ein paar Sachen in der Planung, die hoffentlich bald etwas konkreter werden. Ansonsten liegt der Schwerpunkt ganz klar auf der Suche nach einem Booker, der die notwendige Zeit und das nötige Netzwerk mitbringt, und vor allem von unserer Musik so überzeugt ist wie wir.
Und mittlerweile laufen auch die ersten Vorbereitungen für den Album-Release. Aber wann genau das kommt, das hängt von den vielen beschriebenen Faktoren ab. Ich hoffe, bald. Wenn das Album dann irgendwann endlich erhältlich ist, wollen wir direkt mit dem Songwriting für das nächste Album starten. Da gibt es auch schon die ersten Ideen, und so langsam juckt es uns schon in den Fingern.

Bevor in diesem Interview zu viel gelobt wird: Bei der Außendarstellung von NEORITE ist ja wohl noch Luft nach oben, denn bestenfalls kann diese als bodenständig metallisch bezeichnet werden, oder aber auch als etwas einfallslos, denn das Photo auf dem EP-Backcover erinnert mich an die typischen Promo-Photos, die in den Neunzigern zahlreichen Demos beilagen und die z.B. beim Überangebot im Legacy kein Hingucker sind... Und auf ein Logo habt Ihr Euch bislang auch nicht festlegen wollen, scheint mir?

Alex: Luft nach oben ist ja immer. Ich persönlich mag es bei der Außendarstellung schlicht und „bodenständig metallisch“. Wir machen uns auf jeden Fall deutlich mehr Gedanken um die Musik als um die Außendarstellung, und das fühlt sich für uns richtig an. Wenn das einfallslos rüberkommt, aber dafür die Musik wertgeschätzt wird, haben wir aus unserer Sicht immer noch alles richtig gemacht. Und ohne eine Retro-Band sein zu wollen, kann man auch nicht leugnen, dass wir zu einem großen Teil in den 90ern und Anfang der 2000er musikalisch sozialisiert wurden. Entsprechend ist unser Sinn für Ästhetik auch davon beeinflusst, aber nicht nur. Es gibt stilübergreifend einige zeitgemäße und auch ältere Bands, die wir gut finden, die meines Erachtens eine vergleichbare Außendarstellung haben, aus welchen Gründen auch immer.

Lukas: Wir haben seit einem guten Jahr ungefähr ein neues Logo, also einen neuen NEORITE-Schriftzug von Hagiophobic, das stimmt. Das ist aber auch gekommen, um zu bleiben.

Alex: Wir waren mit dem alten Schriftzug nie wirklich zufrieden, das war also eh ein laufender Prozess. Jetzt haben wir zum neuen Schriftzug auch noch ein NRT-Symbol von Hagiophobic entwerfen lassen, das vielleicht die Ästhetik des alten Schriftzugs etwas einfängt. Das soll je nach Zweck eingesetzt werden, wo der neue Schriftzug vielleicht zu groß ist, bei bestimmten Merch-Sachen vielleicht etc. Und einfach als Zeichen für die Band.

Nun dürft Ihr auch ein bisschen Kritik loswerden: Was vermisst Ihr dieser Tage in Metal-Medien, seien es nun Kiosk-Magazine, Fanzines, YouTube-Kanäle... was könnten wir besser machen?

Alex: Ich glaube, Bands und Musikern steht es nicht wirklich zu, darüber zu urteilen, wie die Seite der Rezipienten zu arbeiten hat. Es hat ja schon seinen Sinn, dass der Musikjournalismus im weitesten Sinne und die Musiker sich theoretisch gegenüber stehen und nicht zu sehr personell und geschmacklich überschneiden. Das sichert beiden irgendwo auch die nötige Unabhängigkeit, den Künstlern ihre künstlerische Freiheit und den Medien ihre Pressefreiheit. Dieses Aneinanderreiben schafft ja irgendwo auch den Raum für Innovation und Weiterentwicklung der Musik, aber auch der Medien.
Was mich aber persönlich als Musikhörer und Konsument von Musikmedien stört, ist dass sehr viel in Schubladen gedacht wird und so kaum Platz für Experimente bleibt. Und die zuvor genannte "Vernetzung" bzw. "Vetternwirtschaft", je nach Auslegung, hat meiner Meinung nach eher Nachteile für die freie kreative Entfaltung der einzelnen Bands, aber auch der Szene insgesamt. Da wird vielleicht etwas zu viel "von oben" gesteuert, was "gut" und was "schlecht" ist.
Aber wenn man sich drauf einstellt, kann man damit wohl umgehen.

Lukas: Ich persönlich vermisse eine gewisse Ehrlichkeit bei Reviews in den größeren Magazinen, man dürfte die Skala von 1-10 gerne richtig nutzen, d.h. eine 5 sollte Durchschnitt sein. Das ist ja bei den aktuellen Bewertungen ein absoluter Verriss, da fehlen mir die Nuancen.

Herzlichen Dank für Eure Zeit, und alles Gute weiterhin mit NEORITE!

Alex: Danke auch!

Thor Joakimsson (Info)
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