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Interview mit JIM KROFT (20.01.2021)
Mit seinem aktuellen Projekt – dem Dokumentarfilm und dem begleitenden Soundtrack „A Conversation With America“ - geht der in Berlin lebende schottische Songwriter, Filmemacher und Fotograf JIM KROFT deutlich über das hinaus, was man gemeinhin von einem Singer/Songwriter erwarten darf. Seit jeher gehört JIM zu jener Spezies von Troubadouren, die das rastlose Reisen (in seinem Fall durch China, Ostafrika, Südeuropa, USA und Russland) als Inspirationsquelle für ihre Berufung als Songwriter nutzen. Im Falle von JIM KROFT war dieses zum Beispiel besonders deutlich das „Journeys“-Projekt, das er zwischen 2015 und 2016 auf drei EP's zusammenfasste. Daneben gibt es natürlich noch reguläre LP-Tonträger – zuletzt „Love In The Face Of Fear“ aus dem Jahr 2019. Natürlich wurde auch JIM KROFT von der Corona-Pandemie kalt erwischt, denn Reisen war ja dadurch grundsätzlich unmöglich geworden. Freilich hatte JIM noch ein besonderes Projekt in Petto, das bereits 2016 seinen Anfang nahm und das JIM nun – aus gegebenem Anlass zu Ende führen konnte.
Im Vorfeld der US-Wahlen von 2016 reiste JIM nämlich von Ost nach West durch die USA und betätigte sich dabei als Chronist und Wahlbeobachter, indem er während dieser Reise Gespräche mit Menschen jenseits des allgemeinen Spotlights führte, bis er seine Suche nach „dem flüchtigen Herz Amerikas“, wie er es nennt, dann die Wahlnacht in Kalifornien live am Radio verfolgte. Das Ergebnis ist sein Dokumentarfilm „A Conversation With America“, den er Ende letzten Jahres auf YouTube stellte und nun der begleitende, gleichnamige Soundtrack, auf dem Jim die im Film meist als Instrumentals verwendeten Tracks in Form konkreter Songs mit politischem Flair ausarbeitete. Für diesen dachte sich Jim eine besondere Veröffentlichungs-Dramaturgie aus: Korrespondierend zu den Terminen der aktuellen Präsidentenwahl in den USA brachte er zunächst eine Reihe von Songs als „Singles“ heraus (z.B. „How Will You Decide, America?“ am Wahltag) und veröffentlicht den Soundtrack selbst nun am Tag der Amtseinführung Joe Bidens. Das war von vornherein so geplant – obwohl im Vorfeld ja überhaupt nicht feststand, dass Trump die Wahl verlieren würde.
Wie bist Du – als ein in Deutschland lebender schottischer Songwriter – denn überhaupt auf die Idee gekommen, einen Film über die Wahlen in den USA zu machen? Hätte es nicht etwa näher gelegen, einen Film zum Beispiel über den Brexit zu drehen?
Das hätte ich natürlich tun können – aber mir ging es um etwas anderes. Ich wollte nicht hauptsächlich einen Film über die US-Wahlen machen, sondern ich wollte mich mit dem Phänomen des Populismus auseinandersetzen. Im Rahmen meiner anderen Reisen – insbesondere zu den Flüchtlingslagern nach Lesbos und Idomeni, aus der dann schließlich mein Filmprojekt „The March Of Hope“ für das Lager in Moria und die Spendenaktion „A Boat For Sara“ entstand, wurde mir klar, dass der Populismus in all seinen Ausprägungen immer konkretere Formen annahm.
Das Thema Populismus hätte sich aber doch auch anhand europäischer Beispiele erschließen können?
Ja, sicherlich – aber zum Einen bin ich geradezu besessen von den USA und insbesondere dem amerikanischen Wahlsystem. Und dann wurde mir irgendwann klar, dass Donald Trump die Manifestation und Führungsfigur dieser ganzen populistischen Bewegung ist. Ich hatte zunächst ja – wie alle anderen auch – gedacht, dass er keine Chance bei den Wahlen haben würde und war dann genauso geschockt, dass er die republikanischen Vorwahlen gewann. Ich bin dann ja 1000 Meilen kreuz und quer durch die USA gereist und die Frage, die mich dabei am meisten interessiert hatte, war, warum Menschen überhaupt populistischen Führern folgen.
Einer der Gründe dafür ist ja sicherlich, dass Populisten den Menschen das erzählen, was sie hören möchten und dass sie einfache Antworten auf komplexe Sachverhalte zu haben scheinen. Trumps Geschick liegt zudem ja auch darin, die Geschichte und die Tatsachen nach Belieben ins Gegenteil verkehren zu können.
Ja – und hinzu kommt ja noch, dass Trump diese idealisierte Version einer amerikanischen Geschichte verkauft, die weiße Menschen bevorzugt. Damit erreicht er dieses Gefühl von Verlust und Trauer der weißen Unterschicht. Er verkauft aber keine Lösungen, sondern nur Ideen und die Leute können ihre Gefühle mit dieser Idee verknüpfen. Auch wenn es gar nicht um die Ursache ihrer Probleme geht.
Und Trump setzt ja ganz auf die Karte des Patriotismus – was ja gemeinhin der erste Schritt zum Faschismus ist.
Genau - und die Sache mit dieser Art von Patriotismus ist gefährlich. Sein Land zu lieben, kann eine wundervolle Sache sein – aber exzessiver Patriotismus auf Kosten anderer Leute führt zu unschönen Entwicklungen, die wir in der Geschichte schon gesehen haben. Als mir das klar wurde, hatte ich 2016 dann doch langsam das Gefühl, dass Trump es schaffen könnte.
Zu welchem Resümee bist Du denn nach Deiner Reise und den Gesprächen, die Du mit den amerikanischen Menschen zu diesem Thema geführt hast, gekommen?
Trump nutzt Angst und Spaltung als Taktik. Es besteht die Gefahr, dass die Gesellschaft in den USA in eine totale Polarität abdriftet. Diese Entwicklung begann damals ja schon - gerät aber heutzutage vollständig außer Kontrolle. Es ist langsam eine wahr gewordene ORWELLsche Phantasie, in der wir leben.
Kommen wir aber mal zu der Musik: Die Songs, die nun auf dem Soundtrack zu hören sind, basieren auf der Musik, die Du zur Untermalung des Films verwendet hat, richtig?
Ja – auf dem Soundtrack sind keine Instrumentalstücke enthalten. Die Songs des Soundtracks basieren aber tatsächlich auf den Instrumentals aus dem Film. Ich hatte das Gefühl, dass ich die Songs unbedingt richtig aufnehmen müsste. Es sind natürlich schwierige Zeiten für Künstler und es ist auch schwierig, sowas zu finanzieren, aber ich habe mir gesagt, dass ich hier eine Chance hätte, etwas wirklich Relevantes zu schaffen – bevor ich etwa als nächstes an der Pandemie versterben würde. Für den Film habe ich einfach meine Vocals weggenommen und dann die Musik für den Film verwendet. Die Songs sind ja erst entstanden, als der Film schon fertig war – auch wenn ich sie teilweise auf meiner Reise bereits geschrieben habe.
Du hattest so ja auch die Möglichkeit, mittels der Songs sozusagen das Narrativ zu aktualisieren, oder?
Ja, das stimmt. Die Songs sind zwar von dem Film inspiriert, aber das Interessante ist, dass die Inhalte sich sehr stark auf die aktuelle Wahl zu beziehen scheinen. Der emotionale Bezug ist also durch den Film gegeben, aber die Texte – zum Beispiel von Songs wie „The World Is On Fire“ oder „How Will You Decide, America?“ – beschäftigen sich mit der aktuellen Frage der Spaltung, welche sich tatsächlich schon damals abzeichnete, die aber jetzt sehr viel gefährlicher geworden ist. Der Film ist also eine allgemeinen Betrachtung der Situation von 2016, die Musik und die Texte richten ihren Blick dann aber auf den gegenwärtigen Moment.
Normalerweise bietest Du ja auf deinen Alben eine breite Palette an Themen, die Du in Deinen Texten zum Ausdruck bringst. Die neuen Songs sind aber weit weniger persönlicher Natur, sondern beschäftigen sich eben mit den politischen Inhalten, die Du auch in den Gesprächen des Films diskutierst. Heißt das also, dass der Soundtrack dann quasi ein Protest-Song-Album durch die Hintertür geworden ist?
Das ist eine gute Frage. Du hast ja den Film gesehen und einer der Kritikpunkte, dem ich mich jetzt ausgesetzt sehe, ist der Vorwurf, dass ich mit diesem Film ja eigentlich eher versuche Brücken zu bauen und nicht wirklich gegen irgend etwas protestiere. Ich sehe das so, dass ich mich über den Mangel an Gesprächsbereitschaft beklage, den Mangel an Intelligenz und den Mangel einer spirituellen Verbindung in beiden Lagern – und auf diese Weise also schon protestiere. Ich würde also sagen: Es ist schon ein Protestalbum geworden – aber nicht eines aus dem linken oder rechten Lager, sondern das eines menschlichen Wesens.
Zumindest ist es aber ein politisches Album geworden, oder?
Das würde ich nicht einmal so sagen. Es geht zwar definitiv um die Gesellschaft und enthält natürlich politische Elemente. Aber die Sache ist doch die: Dieser Prozess der Spaltung, den ich beobachtete, betrifft doch alle Menschen. Wenn es uns also nicht gelingt, Wege zu finden, miteinander zu kommunizieren, dann werden wir richtige Schwierigkeiten bekommen. Das Album entspringt also einer politischen Gegebenheit – aber es protestiert eigentlich gegen diese Politik als solche. Ich positioniere mich aber nicht in eine bestimmte Richtung, sondern fordere wirklich alle auf, Verantwortung zu nehmen. Egal woher Du nun kommst. Tatsächlich verscherze ich es mir also sogar mit allen.
Wie siehst Du das denn: Kann man heutzutage als Musiker überhaupt noch einen Einfluss ausüben – bzw. Menschen erreichen, die nicht sowieso Deiner Meinung sind?
Ja, ich denke schon. Ich will gar nicht die Welt verändern, sondern sehe das eher so wie Bruce Lee, der einen Kieselstein in den Teich wirft und dann Wellen verursacht. Ich sehe das also eher aus der spirituellen Dimension heraus. Ich glaube, dass jedermanns Arbeit und jedermanns Aktionen auf die eine oder andere Weise einen Eindruck hinterlassen können. Wenn Du Dich zum Beispiel mit mir unterhältst und auf diese Weise hilfst, meine Ideen zu verbreiten, dann hilft das auch mir. Ich bin kein Idealist, glaube aber an das Erbe meiner Arbeit und meiner Werte – auch wenn es mir vielleicht mehr helfen würde, wenn ich alle würgen und sagen würde: „Du musst Dir das anhören!“ … Just kidding!
Der komplette Film:
https://www.facebook.com/Jimkroft