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Interview mit Ysma (07.09.2014)

Ysma

Wir unterhielten uns mit Gitarrist Daniel, dem Sprachrohr dieser positiv sprachlosen Band, über "Fourth Wall" und mehr ...

Wie geht ihr beim Komponieren vor - zu Hause im stillen Kämmerlein oder beim Proben gejammt?

Fourth Wall ist dieses Mal tatsächlich zu größeren Teilen im stillen Kämmerlein entstanden. Der Vorteil ist einfach, dass auf diese Weise gerade komplexere Songteile eher bzw. schneller entstehen, als wenn spontan gejammt wird. Außerdem ist es teilweise leichter, das Feeling eines Songs stimmig zu halten, wenn nur einer von uns daran schreibt. Trotzdem gibt es natürlich Songs, die beim Proben entstanden sind: Jester ist komplett gemeinschaftlich entstanden und sollte schon auf dem ersten Album landen, was leider aus Platzgründen nicht geklappt hat. Auch Pseudopolis ist größtenteils beim Proben geschrieben worden. Das gemeinsame Schreiben hat natürlich wiederum den Vorteil, dass Ideen einfließen können, die jenseits des eigenen Tellerrandes liegen. Ich glaube, dass es bei uns immer eine Mischung aus beiden Ansätzen bleiben wird – dieses Mal eben mit weniger gejammten Songs.

War der Zuwachs an Keyboard-Sounds beabsichtigt, oder hat er sich zufällig ergeben?

Mit Arne haben wir zum ersten Mal anlässlich unseres Akustik-Konzerts im Oktober 2013 zusammen gespielt. Wir haben damals schon in der Vorbereitung des Konzerts das Klavier als unheimliche Bereicherung für den Gesamtsound und die Atmosphäre der Songs empfunden. Deshalb haben wir noch am Abend des Gigs beschlossen, diese Facette dauerhaft in den Bandsound integrieren zu wollen – glücklicherweise ein beidseitiger Gedanke.

Wie betitelt man Songs, die keine Texte haben, welche Kriterien legt ihr an, um einem Stück einen Namen zu geben?

Gute Frage. Manche Titel sind einfach Wörter, Kombinationen oder Konzepte, die uns gefallen oder die wir interessant finden, wenn sie uns irgendwo über den Weg laufen. Andersherum kann es aber auch sein, dass der Song eine ganz eigene Stimmung transportiert, z.B. wenn er sehr von der Atmosphäre lebt. In diesem Fall sollte der Songtitel diese Stimmung aufgreifen und reflektieren. Da ja kein Gesang oder Songtext vorhanden ist, steht es dann dem Hörer frei, den Titel als Anstoß für eigene Assoziationen zu nehmen und den Rest selbst zu interpretieren. Das macht ein Stück weit auch den Reiz instrumentaler Musik aus: man bekommt nicht unbedingt ein fertiges Konzept vorgesetzt, sondern es ist immer Freiraum für eigene Ideen und Deutungen.

Könnt ihr euch vorstellen, mit einem Sänger zu arbeiten?

Als dauerhaftes Bandmitglied nicht, nein. Ysma ist eindeutig als instrumentales Projekt ausgelegt und wir sind uns alle einig, dass Gesang das Konzept der Band zu sehr verändern würde. Es gehört sicherlich zum Stil der Band, ein bisschen Platz in der Musik zu lassen, die man beispielsweise mit Gesang füllen könnte. Manchmal aber genau diese Pausen zu haben und nicht unbedingt füllen zu müssen, ist uns wichtig. Für einen Coversong während eines Konzerts, für eine B-Seite – wer weiß, was wir als Gimmick mal ausprobieren wollen. Auf lange Sicht wird die Band aber instrumental bleiben.

Liegt "Fourth Wall" ein übergeordnetes Konzept zugrunde?

Fourth Wall ist eher kein Konzeptalbum im klassischen Sinne, trotzdem gibt es zugrunde liegende Motive und Themen, die wiederkehren. Die "vierte Wand" meint die imaginäre Trennung zwischen Publikum und Bühne, weshalb z.B. das Artwork den Rahmen des Albums in die Theater-Situation verlagert. Die einzige Textpassage, das Sprachsample in "Jester", zeigt die Abgrenzung der Bühne vom Publikum personifiziert durch den Schalk, der große Angst davor hat, jemand aus dem Publikum könnte ihm zu nahe kommen und sehen, wer er wirklich ist. Die Innenseite des Artworks gibt ein wenig über das Innenleben des Jester preis, wenn man hinter die Fassade schaut. Auch musikalisch war es uns wichtig, bei aller Abwechslung trotzdem einen roten Faden zu haben und ein zusammenhängendes Album zu schaffen. So stellt beispielsweise Limelight, die Intro des Albums, Motive aller Songs vor, spielt aber gleichzeitig auf das letzte Album an, um so den Bogen zu Fourth Wall zu schlagen. Solcherlei Referenzen und Zitate gibt es sowohl in der Musik als auch im diesmal deutlich umfassenderen Artwork hoffentlich reichlich zu entdecken, womit wir wieder bei der Interpretationsfreiheit der instrumentalen Musik wären: ich könnte noch vieles erzählen, was der Hintergedanke bei diesem oder jenen ist – viel spannender ist aber, die unterschiedlichen, persönlichen Assoziationen mitzubekommen, die beim Hören der Musik für jeden eben etwas anders sind.

Wie sehen eure weiteren Ambitionen für die nächsten Monate/Jahre aus?

Reichtum, Macht und Ehre. Im Ernst: wir werden das Material von Fourth Wall natürlich auf die Bühne bringen, zum ersten Mal beim Release-Konzert am 27.09. in Münster. Das Ziel ist dann, live ein bisschen herumzukommen und uns dann irgendwann neuen Songs zu widmen, die zum Teil schon in der Schublade liegen. Es gibt ein paar Festivals, die wir sehr gerne spielen würden, außerdem ein paar Bands, mit denen aufzutreten eine tolle Sache für uns wäre. Wir sind als Band ja immer noch klein, was nicht schlimm ist, aber deshalb geht es auch immer noch darum, unsere Musik einfach unter die Leute zu bringen und unsere Hörerschaft zu erweitern. Auch wenn es fürchterlich cheesy klingt: solange uns genügend Menschen zuhören wollen, so dass wir den bisherigen Stil beibehalten und uns ein wenig entwickeln können, sind wir sehr zufrieden.

Andreas Schiffmann (Info)
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