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Interview mit JADE (02.12.2018)

JADE

In dem an Überraschungen keineswegs armen Musikjahr 2018 gebührt JADE der Titel als "Death Metal Newcomer", auch wenn es sich bei den Verantwortlichen um alles andere als frisch geschlüpfte Jungspunde handelt. Die Leidenschaft und Überzeugung, mit der das Trio zu Werke geht, lassen manch jüngere Band verdammt alt aussehen. Ihre stilecht auf rotes Tape gebannten Demo-Aufnahmen begeistern mich auch nach dem x-ten Hördurchgang: Genau so sollte atmosphärischer Death Metal klingen – leicht entrückt, geisterhaft, wie aus einer dämonischen Zwischenwelt, das Hier und Jetzt transzendierend. Abgründige bis epische Melodien, Gesang zwischen Höhlen-Echo und bösem Geröchel, hypnotische Songs, die nie gefällig, sondern eher etwas außerweltlich klingen... Kein Zweifel, ich musste Bandgründer J. und Schlagzeuger D. mit einigen Fragen zu diesem fulminanten Kaltstart löchern.

JADE scheinen aus dem Nichts aufzutauchen, allerdings beherbergt Euer Demo vier Lieder, die eine reife Musikalität sowie eine – immer noch lodernde oder neu erwachte? – Leidenschaft spiegeln. Was hat Euch ausgerechnet diesen Namen für Eure Band wählen lassen, der für diese Art des Neunziger-inspirierten "guten alten" Death Metal sicher nicht einzigartig ist; und wie ist es neben Euren anderen musikalischen Projekten überhaupt zu JADE gekommen?

J: Es gibt eine Flamme, die in mir gebrannt hat, seitdem ich mich der Musikwelt Mitte der Neunziger kreativ zugewandt habe. Bereits Jahre zuvor hatte mir Musik viel gegeben: Inspiration ebenso wie Ziele und die Möglichkeit, mich selbst zu entwickeln. Das ist bis heute so. Musik ist ein Schlüssel zu meinem Leben, der es mir erlaubt, nicht nur technische Fähigkeiten zu entwickeln, sondern auch meine Persönlichkeit zu bilden. Die Notwendigkeit, JADE ins Leben zu rufen, ergab sich aus den Erfahrungen in anderen Bands, sowie aus einer sehr eigenen Vision, und ich bin gespannt, wohin uns diese führen wird.
Die Festlegung einer klar umrissenen musikalischen wie ästhetischen Basis war der erste Schritt. Die Wiederentdeckung des Death Metal in den vergangenen fünf Jahren war für mich unerlässlich, um diesen ziemlich altmodischen Klang zu treffen, der sich von dem meiner Hauptband doch ein wenig unterscheidet.
Mein guter Freund D. war die beste Ergänzung, die ich mir für diese Band vorstellen konnte. Auch er hat sehr klare Vorstellungen von der angestrebten Richtung, unseren Rollen, und er bringt genauso viel Leidenschaft und Kompromissbereitschaft mit wie ich. Es war für ihn ein Leichtes, Fleisch auf das Gerippe der zunächst kargen Demo-Aufnahmen zu packen. Ihn sprach das zu Grunde liegende Konzept ebenso an wie die Idee, eine Band wie ehedem Schritt für Schritt wachsen zu lassen. Wir sind uns über vieles im Klaren, und geben ehrlich zu, dass unsere Ambitionen über das hinausragen, was wir im Augenblick überschauen.

D: JADE ist keine Musik für Kids! Keiner von uns spielt zum ersten Mal in einer Band oder betritt zum ersten Mal ein Studio. “Smoking Mirror” ist ohne einzige gemeinsame Probe zuvor entstanden. (!!! - TJ) Das kann dabei rumkommen, wenn zwei Veteranen aus ziemlich verschiedenen Metal-Bereichen sich auf einem Festival treffen, eine Idee haben und diese konsequent umsetzen. J. hatte mir die Demos geschickt, ich lernte, dazu zu trommeln, flog nach Barcelona und spielte meine Parts ein.
Für mich als Texter fühlt sich JADE an wie Wasser in der Wüste. Es hat etwas sehr Befreiendes, keine Texte schreiben zu müssen, die sich auf Okkultes oder auf Horror-Literatur beziehen, auf europäische Geschichte oder Politik. Stattdessen handeln sie von phantastischen Mesoamerikanischen und Ostasiatischen Szenerien, von seltsamen Beschreibungen der Hölle und von Kämpfen, von Alchemie und Idiotie, und vielem anderen, dass sich mit dem JADE-Stein in Verbindung bringen lässt. Ich hatte beim Schreiben viel Spaß.

Auch wenn es sich bei "Smoking Mirror" nur um ein Demo handelt, ist die Produktion kaum weniger als superb zu bezeichnen, denn sie fördert diese altehrwürdige Gothic-Atmosphäre erst richtig zu Tage. Das alles macht keinen halbherzigen Eindruck. Wie lange habt Ihr also an diesem Eisen geschmiedet?

D: Das Schlagzeug habe ich innerhalb von drei Stunden an einem SEHR heißen Tag aufgenommen. Die Texte flossen mir schneller aus den Händen als allers andere, was ich je zuvor geschrieben habe. Sämtliche Texte habe ich auf einem Inlandsflug in England geschrieben. Allerdings hatte ich sie bereits zuvor über einen längeren Zeitraum in meinem Kopf vorformuliert, zumindest als Ideen.

J: Ich konnte mich nur in den Zeiträumen auf JADE konzentrieren, wenn mir meine anderen Bands in einem von Album-Veröffentlichungen, Konzerten und Promo-Kram geprägten Jahr die Zeit dafür ließen. Ich nahm die Demos bei mir daheim auf und schickte sie D. zu, damit er wusste, welcher Vibe mir für die erste Veröffentlichung vorschwebte. Nachdem er nach Barcelona gekommen war und im Moontower Studio das Schlagzeug eingespielt hatte, benötigte ich noch einige Monate, um seine Texte einzusingen, und Gitarren und Bass neu aufzunehmen.
Zu jenem Zeitpunkt kam A. ins Spiel, denn meine Gitarrenkünste reichen über Home Recording für Demos kaum hinaus. Ich bin von Haus aus Bassist, und da A. an der Gitarre eine Klasse für sich ist, war es für mich keine Frage, dass er die Arrangements ebenso wie das Einspielen übernehmen sollte.
Wie du bereits ahnst, haben wir die Aufnahmen bis auf das Schlagzeug selbst in die Hände genommen. Javi Félez, der Zauberer im Moontower Studio, hat sie anschließend überarbeitet. Was deinen Hinweis auf die "old school Atmosphäre" anbelangt, ist Javi dafür verantwortlich, und er verlieh dem Mix Tiefe und Weite, sowie rhythmische Dynamik. Ein dichtes Klangbild ist mir bei jeglichem Musikstil, in dem ich mich ausdrücke, wichtig.

Eure Musik transportiert eine ganze Reihe an Gefühlen und Stimmungen: Ein triumphaler Charakter ist allgegenwärtig, ohne sich in den Vordergrund zu drängen. Verzweiflung und Wirrnis klingen ebenso an wie der Wille, sich zu wehren und zu überleben, und da ist eine nicht zu offensichtliche Schönheit... Vielleicht übertreibe ich gerade, doch das könnte auch daran liegen, dass ich mich wegen Euch an "The Astral Sleep" erinnere, und wie ich mich einst in dieser Musik verlor?!

J: Deine Analyse der Emotionen nehme ich als schönstes Kompliment an, Thor. Es ist kaum verrückt, dass du all diese Erinnerungen an jene frühe extreme Musik, die dunkel und brutal war, mit etwas Schönem verbinden kannst. Es gibt da Wandlungen, von kalt zu warm, von rau zu majestätisch... immer nahe der Nacht und der tiefen menschlichen Ängste. All das hat in JADEs Musik seinen eigenen Platz und seine eigene Berechtigung.
Du kannst herumstöbern, und in unserer Musik Death-, Black- und Doom Metal erkennen... Für mich sind das zeitlose Variationen von Metal-Musik, denen wir uns zugehörig fühlen, und die wiederum die unterschiedlichen Facetten von JADE spiegeln. Seit den späten Achtzigern begleitet doch viele von uns eine breite Palette an Gefühlen und Stimmungen, und ich bin mir sicher, dass du weißt, auf welche Entwicklungen in den dunklen Musikstilen ich anspiele: Von primitiven wie rauen Ausdrucksweisen hin zu anderen Gefühlen.

D: Diese Songs spiegeln Brutales und Atmosphärisches auf eine besondere Weise. J. hat sich mit den Riffs, Leitmotiven und dem Gesang selbst übertroffen. Dabei ist es von Vorteil, dass die Lieder nicht zu schnell sind. Nachdem ich jahrelang in halsbrecherischer Geschwindigkeit getrommelt habe, war es eine willkommene – und herausfordernde – Abwechslung, es langsamer angehen zu lassen und alledem einen rockigen Groove zu verleihen.

An "Smoking Mirror" gefällt mir vor allem die konsequente Umsetzung, und dass ein paar garstige Details dem Ganzen noch mal extra viel Tiefgang und Schwere verleihen. Diese Beinahe-Solo-Gitarre in "Dead Stone Mask" ist sowas von verdammt gut und episch. Welche "Qualitätskontrolle" habt Ihr in der Band?

D: Übung macht den Meister!

J: Bei jedem Song habe ich zunächst die Lead-Gitarre gespielt. Was du als Beinahe-Solo bezeichnest, ist ein sich selbst genügendes Riff. Es handelt sich um den Schlüssel zu unserer Musik, der jedem Lied etwas Eigenes verleiht, und erst später kommen die richtigen Arrangements, Bridges und so weiter hinzu.
Ich war schon immer von der Idee "weniger ist mehr" überzeugt, und ganz besonders im Hinblick auf Songs, die eines Wiedererkennungswertes bedürfen. Wie zu hören ist, treiben die Lead- / Solo-Gitarren-Linien die Songs voran, während der Gesang dem ganzen die Kohärenz und Ausdruckskraft verleiht.
Gefühle können in jeder Form von Produktion anklingen, doch es stimmt schon, dass JADE eine faulige Schönheit zum Vorschein bringen. Die tiefer gestimmten Gitarren, die Verzerrung, das langsame Tempo und der Tiefgang der Songs tragen Hand in Hand zu einer vereinnahmenden klaustrophobischen Stimmung bei.

Ihr habt "Smoking Mirror" auf Kassette veröffentlicht, also auf einem Tonträger, der unlängst eine Wiederentdeckung im Metal-Underground erlebt; wahrscheinlich vor allem aufgrund nostalgischer Motive für "unsere" Generation. Gleichwohl ich nicht der typische Sammler von extra auf diese Leidenschaft abzielenden materiellen Metal-Artikeln bin, sind mir doch einige Tapes sehr lieb, die ich mir früher auf meinen ersten Konzerten gekauft hatte, oder die mir mein alter Fanzine-Kumpel Rüdiger (r.i.p.) mit Aufnahmen seiner aktuellen Favoriten zuschickte. Welche Erinnerungen und Beweggründe spielten bei der Wahl des Mediums für Euch eine Rolle?

J: Es war eine herkömmliche Motivation, die uns dazu veranlasste, diese Songs auf 100 Tapes zu veröffentlichen, Wir haben Musik einst dadurch entdeckt und schätzen gelernt, dass wir mit Freunden Kassetten getauscht haben. Für mich hatte das etwas von einem Ritual, und es war mein Wunsch, unsere Hörer an dieser Erfahrung teilhaben zu lassen. Insofern ging es uns bei dieser Veröffentlichung um mehr als nur Nostalgie.
Wahrscheinlich lässt sich der Prozess der Songauswahl und des Überspielens auf eine Kassette mit der heute gängigen Praxis vergleichen, MP3s miteinander zu teilen. Doch zu jener Zeit, als nur Platten und Kassetten existierten, näherten wir uns Musik mit einem ganz anderen (Lebens)Rhythmus und einer anderen Herangehensweise. Gerne würde ich behaupten, dass wir uns damals bewusster mit der Musik beschäftigten, doch vermutlich handelt es sich dabei eher um die Wahrnehmung eines in die Jahre gekommenen alten Sacks.
Lass uns also einfach dabei bleiben, dass wir mit den Tapes aufzeigen, wie wir selbst früher Musik entdeckten. Vielleicht hilft das den Leuten auch, zu ahnen, wer sich hinter JADE verbirgt.

Werden die Songs auch auf einer zukünftigen Veröffentlichung auftauchen?

Wenn du auf ein theoretisches erstes Album anspielst, auf welchem diese Titel noch einmal in überarbeiteter Form auftauchen, dann lautet die Antwort nein. Für mich stellen diese Songs unser Fundament dar, von dem aus wir uns auf den Weg machen, nichts weiter.
Ich erlebe, dass Zusammenstellungen von Liedern einer Band die jeweilige Phase widerspiegeln, und ich bin überzeugt, dass es diese vier Songs wert sind, dass ihr Geist und ihre Essenz möglichst unbeschadet für eben diese erste Ära unserer Band stehen.
Einige Labels haben bereits Interesse an diesen Songs bekundet, und vielleicht erscheinen sie noch mal auf Tape oder in einem anderen Format. Doch wir wollen unser Augenmerk lieber auf zukünftige Aufnahmen legen, die neue Facetten der Band präsentieren. Das ist doch spannender und macht den Reiz aus, in den Kosmos einer Band einzutauchen.

Welche Pläne und Träume wollt Ihr denn mit JADE realisieren, oder überlasst Ihr es lieber einem – gnadenvollen – Schicksal, was die Zukunft für diese Band mit sich bringen wird?

D: Wir sind mit dem Demo wirklich glücklich, und wollen natürlich noch mehr machen.

J: Nein... Ich denke, es ist wichtig, zumindest eine grobe Vorstellung davon zu haben, was die Zukunft für einen bereithalten könnte und was man erreichen möchte. Das geht doch schon los bei der Frage, wie wir unserer Musik im Underground Gehör verschaffen. Es ist nicht gerade leicht, auf internationaler Ebene die richtigen Kanäle zu finden. Daher bin ich sehr glücklich, dass wir auf die Hilfe einiger Leute vertrauen können, die uns dabei helfen.
Die vier Songs auf "Smoking Mirror" stellen einen Einstieg in unsere musikalische Welt dar. Ihre Veröffentlichung bedeutet für uns auch, dass wir das somit in die Freiheit entlassene Biest trotzdem irgendwo unter Kontrolle halten müssen.
Wie erwähnt, stehen wir bereits mit einigen Labels in Kontakt, die jene Songs noch einmal veröffentlichen wollen. Ich bin mir sicher, dass JADE auch ohne diese Hilfe vorankäme, doch im Hinblick auf die Außenwirkung können wir sie sicher gut gebrauchen.
Was auch immer in einem Jahr oder so passieren mag: Ich würde gerne ein zweites Kapitel anbieten, wobei ich noch gar nicht sicher bin, ob es sich dabei um ein Album oder eher um eine EP handeln wird. Doch ich weiß, dass eine zweite Veröffentlichung der Band in punkto Konzerten sehr helfen würde.
JADE ist keine Eintagsfliege, und wir müssen mit unseren Ressourcen vernünftig umgehen.

Nun, danke, dass Ihr Euch die Zeit genommen habt – ich hoffe, Euch bald mal live zu sehen!

Das wünsche ich mir auch, werter Thor. Wir setzen alles daran, dass dieses Biest zu einer Stärke heranwächst, welche Konzerte ermöglicht, so dass wir uns bald irgendwo sehen. Herzlichen Dank für das erste Interview überhaupt. Es ist mir eine Ehre, einige unserer Motive hinter JADE erörtern zu dürfen.

D: Danke für die Unterstützung!

Thor Joakimsson (Info)
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