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Interview mit HARMDAUD (02.01.2022)

HARMDAUD

Hand aufs Herz, wer ist mit der Musik von HARMDAUD vertraut? Mir jedenfalls war noch nicht mal der Name bekannt, als ich das zweite Album der Schweden eines Tages in meinem Briefkasten fand. Ich nahm mir also Zeit, diese auf den ersten Blick unscheinbare CD in Ruhe anzuhören - und siehe da: “Skärvor” entpuppte sich binnen kurzer Zeit als ein Album, das ich immer mal wieder gerne auflegte, weil es einerseits für einen halbwegs jung gebliebenen Vintersorg-Fan viel Vertrautes bot, andererseits frisch und munter nach Aufbruch klang. Also wohlgemut ans Werk, und mal gefragt, was HARMDAUD-Gründer und Multi-Instrumentalist Andreas Stenlund zu berichten hat...!

Hi Andreas, ich habe neulich gesehen, dass Du einen ersten Teaser zum nächsten Album hochgeladen hast, und habe mir vorgenommen, Dein(e) - ja, was ist es eigentlich, Band oder Projekt? - dem deutschsprachigen Publikum etwas näher vorzustellen. Wenn Du neue Musik komponierst und aufnimmst, machst Du wohl gerade das Bestmögliche in dieser seltsamen Zeit?

Hi Thor, ja, das stimmt! Es handelt sich bei diesem Teaser eines neuen Songs um ein Sample, bei dem ich das Gefühl hatte, dass ich es veröffentlichen könnte. Es ist eine im Vergleich zu den Songs auf “Skärvor” ziemlich hurtige Nummer, doch wen kümmert’s? Ich bin wirklich sehr zufrieden damit, und dieses Sample deutet schon recht gut an, welche Richtung auf dem neuen Album eingeschlagen wird: Es wird etliche Überraschungen und Kurswechsel beinhalten.
Nun, HARMDAUD ist eine Band, wenn auch eine One Man Band. Von einem Projekt würde ich sprechen, wenn dem ein Plan mit einem festen Zeitrahmen von Anfang bis Ende zugrunde liegen würde. Ich zweifele allerdings, dass HARMDAUD zu einem Ende kommen wird, solange ich mich herumtreibe, haha! HARMDAUD wurde 2016 ins Leben gerufen, als ich viele Ideen ansammelte, die mit keiner anderen Band realisiert werden konnten. Ich begann also, sie aufzunehmen, veröffentlichte hier und da ein paar Teaser für die Szene und plötzlich war HARMDAUD geboren!
Und ja, zuhause Musik erschaffen, aufnehmen und daran arbeiten zu dürfen, ist wahrlich ein Weg, um zu entspannen und auf Abstand zu all dem zu gehen, was sich gerade zuträgt. Jedoch fehlt es mir wirklich, mit Freunden im Proberaum abzuhängen, oder einfach nur gemeinsam ein paar Bier zu trinken und über Musik zu fachsimpeln. Doch es werden auch wieder bessere Zeiten kommen.

Als ich dieses Interview vorbereitete, stellte ich fest, dass Du als Live-Gitarrist bei Vintersorg Anfang 2000 am Start warst, und dass es sein kann, dass wir uns bereits mal auf der Tour in 2001 mit Dornenreich gesehen haben. Ich habe damals das Konzert in Essen besucht und mich sehr gefreut, Vintersorg endlich live zu sehen. Das muss auch für Dich eine spannende Zeit gewesen sein.

Das war ganz sicher eine großartige Zeit! Wir waren in diesem Jahr mit Vintersorg mehrmals auf Tour und kamen schließlich auf rund 40 Konzerte, nicht nur in Europa, sondern auch in den Staaten und Kanada. Als junger Metal-Maniac durch die Welt zu reisen, die Fans zu treffen und Metal zu spielen, kann gar nicht anders als phantastisch bezeichnet werden. Unabhängig davon, dass wir für Mr.V. und Matte als Session-Musiker agierten, erlebten wir uns damals als Teil der Band und hatten eine wirklich schöne Zeit miteinander. In 2001 vor zehntausend Fans in Wacken zu spielen, war der Hammer! Ich habe noch viele Erinnerungen an diese Zeit, denn nicht alle davon sind in Jägermeister - unserem damaligen offiziellen Tour-Getränk - abgesoffen, haha! Dornenreich höre ich mir auch heute noch dann und wann gerne an.
Ich kann mich auch noch daran erinnern, dass Mr. V. damals viel Lob eingeheimst hat und wie wichtig es einigen Menschen war, ihn endlich mal live zu sehen. “Cosmic Genesis” erhielt damals recht viel Aufmerksamkeit. Wir sind heute noch gute Freunde und Mr.V. agiert für HARMDAUD als Produzent, der sich um Mix und Mastering sowie um die Synths und Symphonics kümmert. Er ist ein Zauberer am Computer, der das Beste aus meinen Ideen und Songs herausholt.

Ein Freund hatte mir Euer zweites Album als Geschenk zugesandt, und daher nahm ich mir wirklich die Zeit, mich darin zu vertiefen. Zu meiner Überraschung klang es viel besser, als ich bei einem ersten Blick auf das Album-Cover angenommen hatte. Würdest Du auch sagen, dass dieses Album ganz stark von den Neunzigern und den frühen 2000ern inspiriert wurde, und mit einem frischen - mitunter thrashigen! - Vibe daherkommt?

Du bist nicht der Erste, der so auf das Cover zu sprechen kommt, haha! Ich bin mir immer noch nicht sicher, worauf ihr hinauswollt? Ich liebe es, seitdem ich es zum ersten Mal sah. Nachdem ich dem Künstler erklärt hatte, was mir vorschwebt, ließ ich ihm freie Hände. Und der Albumtitel “Skärvor” wird auf dem Cover wirklich zum Leben erweckt: Dass da etwas von dir zerbricht, in Scherben oder Fragmente. Oder dass die Welt sich hoffentlich zu etwas Neuem wandelt, während sie das Alte hinter sich lässt und begräbt.
Doch es mag in der Tat sein, dass das CD- und das digitale Cover zu dunkel geraten sind, und vielleicht auch zu flach, dass also das Dreidimensionale und mit ihm zahlreiche Details beim Druck verloren gingen. Ich verspreche hiermit, dass das nächste Cover deutlicher hervorstechen wird!
Im Hinblick auf die Musik bin ich froh über Deine Beobachtungen, denn meine musikalische Reise findet nun mal innerhalb dieser Koordinaten statt. Ich höre immer noch viel Musik von damals, also Lord Belial, Old Man’s Child, Emperor, Dissection, aber auch vieles aus der frühen schwedischen Death / Thrash Szene wie Cemetary, Hypocrisy, Edge of Sanity und so weiter. Nimm düstere Bands wie My Dying Bride oder Katatonia hinzu, und dann hast du das Fundament, auf dem HARMDAUD gründet. Natürlich gibt es für mich auch andere herausragende Bands wie zum Beispiel Bathory. Ich habe nie zu viel von diesen eher folkigen Metal-Bands gehört, doch wenn du in Schweden aufwächst, dann tauchen solche Melodien wahrscheinlich ohnehin in deinem Hinterkopf auf und fügen sich wie von selbst in die Musik ein.

Nicht nur Schreiber tendieren dazu, Bands und Stile miteinander zu vergleichen, und wenn bei der Produktion eine Legende mitmischt, Gesang und Keyboard beisteuert, dann liegt der Vergleich von HARMDAUD mit Vintersorg und den entsprechenden Bands auf der Hand. Umso mehr zolle ich Dir meinen Respekt dafür, dass es Dir gelungen ist, aus den bekannten Zutaten einen eigenen Sound zu erschaffen, der härter rüberkommt. Da Du mit Mr.V. sogar bei Gravisphere zusammenspielst: Wie wichtig ist es Dir, mit HARMDAUD etwas davon Verschiedenes zu verwirklichen?

Gute Frage! Ich möchte sie so beantworten, dass wir zwei Individuen mit verschiedenen Hintergründen sind. Wir haben unsere je eigene Inspiration, und unsere Art, Musik zu schreiben und Songs zu gestalten. Dennoch bin ich wirklich froh darüber, dass einiges von seinem Talent und seinem Geist bei HARMDAUD einfließt. Bei Gravisphere bin ich es, der noch etwas durch meinen Gesang, die Gesangsarrangements und ein paar andere Ideen hinzufügt. Bei HARMDAUD ist es umgekehrt: All die Riffs und Songs, ja, die Musik in ihrer Grundstruktur, sind von mir. Dann kommt Mr.V. ins Spiel, fügt einige Keyboard-Arrangements und Melodien hinzu, die auf meinem Fundament aufbauen und meine Vision um seine Ideen erweitern. Erst dadurch verwirklichen die Songs ihr ganzes Potential. Ich glaube, genau das ist der Job eines Produzenten, haha. Für mich ist es übrigens nicht wichtig, dass ich mich von Vintersorg unterscheide, daher beschäftigt mich das nicht. Die Unterschiede sind ohnehin erkennbar, vor allem, weil ich mit seinem Talent nun mal nicht mithalten kann, haha!

Ein Schlüsselelement von HARMDAUD ist dennoch eine gewisse Komplexität, die in keinem Widerspruch zur Eingängigkeit steht. In den Liedern passiert eine ganze Menge, trotzdem klingen sie nicht zu abstrakt. Wann bist Du Dir sicher, dass Du die richtige Balance gefunden hast?

Ja, da grübele ich durchaus manchmal drüber nach, und ab und zu muss ich sogar Riffs oder ganze Songabschnitte quasi in andere Songs verschieben, damit es nicht zu eingängig, simpel oder direkt wird. Ich möchte, dass sich die Hörer an Songs erinnern, und dass sie bestimmte Passagen noch mal genauer hören wollen. Wenn Songs zu eindimensional sind, dann mögen sie vielleicht beim Hören gut klingen, werden jedoch auch schnell wieder vergessen. Sie motivieren die Hörer nicht, noch mal zurückzukommen. Meistens starte ich mit ein paar Ideen, die ich zusammenfüge, und dann entwickelt sich eine Eigendynamik bis die Songbasis steht. Im Anschluss geht es mit dem nächsten Song weiter, bis ich eine Menge Material vorliegen habe. Und das möchte im Folgenden herausgeputzt werden: Ich wechsele zwischen den Songs hin und her, während ich Details hinzufüge, sie komplexer gestalte und ihnen einige Wendungen verpasse, so, wie du es bemerkt hast. Das macht mir sehr, sehr viel Freude, so mit Musik zu arbeiten!

Wenn Du heutzutage die Nachrichten einschaltest, denkst Du dann manchmal so etwas wie “Verdammte Axt, genau darüber habe ich geschrieben und nun wird es wahr!”?

Haha, ja, lies dir mal den Text zu “Bränt Till Grund” durch, und dann weißt du es! Den Text hat zwar mein Bruder geschrieben, doch damit war er am Puls der Zeit - traurigerweise. Momentan ist es doch so, dass egal welche Katastrophe du dir ausmalst, sie Wirklichkeit zu werden scheint. Wir leben in düsteren Zeiten, doch ich hoffe, dass die Menschheit noch eine höhere Ebene erreichen und Dinge ändern kann. Mich interessiert die Frage, wie wir all das spirituell überleben können: Wo werden wir Schutz und Geborgenheit finden, wenn wir uns alle ganz alleine in diesem Universum erleben?

“Skärvor” wurde im Sweden Rock Magazine als eines der erinnerungswürdigen Alben des Jahres 2019 bezeichnet, und Du hast auch notiert, dass Du im Großen und Ganzen angenehme Rückmeldungen für die Scheibe erhalten hast. Allerdings ist HARMDAUD auf einem kleinen Label, die Band spielt nicht live, also dürften allenfalls wenige hundert CDs verkauft werden. Bist Du damit zufrieden oder möchtest Du HARMDAUD live präsentieren und größer aufziehen?

Ja, wenn man nicht live spielt, dann lassen sich CDs dieser Tage schwerlich verkaufen. Es gibt natürlich Fans, die Geld dafür ausgeben, und es gibt Leute, welche das Album auf Bandcamp entdecken, doch die meisten hören sich das Album eben nur noch digital an. Mir geht es allerdings nicht darum, möglichst viele CDs zu verkaufen, sondern ich möchte Musik erschaffen, sie an die Fans bringen, und die sollen sie in dem ihnen passenden Format genießen. Wahrscheinlich bin ich in dieser Hinsicht für Plattenfirmen eine eher schlechte Wahl, haha. Ich kann mir auch nicht vorstellen, auf einem großen Label zu landen, dem es vor allem darum geht, Geld mit der Musik zu verdienen.
Umso glücklicher bin ich mit den Menschen, die ihr Vertrauen in mich setzen wie Art Gates und xxxx (noch geheim). Außerdem gebe ich mir viel Mühe, via Social Media neue Fans zu erreichen. Xxxx wird mein erstes Album “Blinda Dödens Barn” bald auf Vinyl veröffentlichen! Das ist für mich ein echter Meilenstein, den ich nun auf meiner To-do-Liste abhaken kann. Also, ihr Fans da draußen, unterstützt die Labels wie die Künstler und ihre Musik, und kauft Platten und CDs!
Was das live spielen angeht, würde ich HARMDAUD eines Tages liebend gerne auf die Bühne bringen. Es wäre großartig, dabei die Fans zu treffen und zu schauen, ob die Songs auch live funktionieren. Derzeit ist allerdings noch nichts geplant.

Stell Dir mal vor, Du könntest Deine Hörer an einen ganz besonderen Ort einladen, um ihnen nahe zu bringen, worum es bei HARMDAUD wirklich geht: Welchen Ort würdest Du warum auswählen? Und was gäbe es zu trinken und zu essen, um die HARMDAUD-Erfahrung sinnlich abzurunden?

Nette Fragen, darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Doch ich würde ein Lagerfeuer am Meer vorschlagen, an einem späten Herbstabend, mit volkstümlichem schwedischen Bier und etwas Gegrilltem. Das ist ein Ort und eine Zeit, die mich inspirieren, und die dementsprechend auch gut zu einer HARMDAUD Listening Session passen würden.

Zu Beginn von 2020 hast Du die Single “Flickan och Kråkan” veröffentlicht, eine metallische Interpretation eines Songs von Mikael Wiehe, der zuvor bereits von Sofia Karlsson gecovert wurde, und der in Deinem Heimatland wohl recht bekannt ist. Wie bist Du darauf gekommen, ausgerechnet dieses Stück neu einzuspielen und wie haben die Menschen auf Deine härtere Version reagiert?

Die Vorstellung, ein Black / Thrash Cover eines dafür eher unwahrscheinlichen Songs zu machen, hat mich schon immer fasziniert. Und bei “Flickan och Kråkan” gefallen mir die Melodien und Texte ganz hervorragend, denn sie wirken sehr kraftvoll, auch wenn das beim Original vielleicht nicht so offensichtlich anklingt. Doch wenn man sich richtig darauf einlässt und sich den ursprünglichen Song ganz genau anhört und darin eintaucht, dann ist der Songaufbau bis zum abschließenden Crescendo einfach der Wahnsinn. Ich wollte herausfinden, ob sich das auch mit einer metallischen Cover-Version nachvollziehen lässt. Zudem begleitet mich dieses Lied bereits lange und je nach Gelegenheit taucht es immer wieder auf. Ich finde, das Cover ist wirklich gut geworden, und bei Spotify ist es das am Häufigsten gespielte Lied von HARMDAUD, insofern schätze ich, dass es auch den Fans gefällt! Wenn das dritte Album im Kasten ist, werde ich weitere Cover aufnehmen, und da werden auch Songs aus wirklich sehr unterschiedlichen Genres vertreten sein.

Welche dunklen Geheimnisse des dritten Albums magst Du denn bereits heute enthüllen und welchen Herausforderungen siehst Du Dich derweil gegenüber?

Es wird acht oder neun Songs beinhalten, und die Fans werden einmal mehr den Spirit von HARMDAUD wiedererkennen, allerdings habe ich mir die Freiheit genommen, andere Elemente als bislang einzuflechten. Wie ich zuvor erwähnt habe, weiß ich, wenn ich zu komponieren beginne, nie, welchen Weg ein Song einschlägt. Es kann vorkommen, dass ich mit einem Mal spüre, dass eine sonderbare Geschwindigkeit oder ein anderes Instrument nötig sind, um das Lied zu verwirklichen. Der Black Metal der 90er und 2000er Jahre bildet, grob verkürzt, immer noch die Ausgangsbasis, und zwar auch für das nächste Album. Ich kann es kaum erwarten, weitere Infos und einige Samples zu veröffentlichen.
Allerdings ist es gut möglich, dass es noch bis weit in 2022 dauert, bis eine Album-Veröffentlichung ansteht. Covid hat übel dazwischengefunkt und vereitelt, dass wir beginnen konnten, die Songs abzumischen. Es gab also einige Verzögerungen, doch ich bin guter Dinge, dass wir nun im Herbst damit anfangen können! Die Lieder sind soweit im Kasten, wobei einige Details noch überarbeitet werden müssen, bevor dann HARMDAUD 3.0 fertig ist.

Danke Andreas, dass Du Dir die Zeit genommen hast - ich bin gespannt, wie das neue Album klingen wird, und wünsche Dir alles Gute!

Danke dir für ein wirklich gutes Interview! Ich werde sichergehen, dass du eine Promo erhältst, wenn es soweit ist. Und Grüße an all die Metal-Maniacs!

Thor Joakimsson (Info)
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