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Omega: Gammapolis (1978) & Live At Kisstadion Budapest 1979 (1979) (Review)

Artist:

Omega

Omega: Gammapolis (1978) & Live At Kisstadion Budapest 1979 (1979)
Album:

Gammapolis (1978) & Live At Kisstadion Budapest 1979 (1979)

Medium: Do-CD
Stil:

Progressive-, Space- und Art-Rock, Kult

Label: MIG music
Spieldauer: 116:38
Erschienen: 29.07.2022
Website: [Link]

Mit dem vierten Teil von OMEGA-CD-Doppeldeckern haben es MIG music tatsächlich vollbracht, alle Bacillus-LP-Veröffentlichungen der ungarischen Kult-Space-Prog-Hard-Rocker OMEGA auf insgesamt acht CD's – verteilt auf jeweils vier Doppel-CD's im Digipak samt umfangreichen Booklets – komplett rundum liebevoll und mit viel Sachverstand sowie Leidenschaft für die weltweit bekannteste ungarische Rock-Band abzuschließen. Eine Band, die auch international jede Menge extrem abgefeierte Konzerte gab, welche locker viele internationale Acts in den Schatten stellten, die aber bei Weitem noch bis heute durch westliche Ignoranz nicht die medial-öffentliche Aufmerksamkeit erhielten, die sie sich längst verdient haben. Noch dazu konnten die kosmischen Rock-Pioniere aus Ungarn schon ganze Stadien mit weit über 15.000 Zuschauern, wie beispielsweise das Budapester Kisstadion, füllen, als im Westen über so etwas noch nicht einmal ernsthaft nachgedacht wurde.

Nach wie vor fehlt leider der Blick über den Tellerrand in Richtung Osten noch viel zu vielen Musikfreunden, die – warum auch immer – auf den östlichen Ohren taub sind und sich dabei das wahre Aha-Hörerlebnis entgehen lassen. MIG music versucht nichts desto trotz genau diese abgestumpften Hängeohren anzuspitzen, deren Taubheit wohl mitunter auch mit einer kleingeistigen, selbstauferlegten Kastration einhergeht. Man sollte endlich mal die westliche Musik-Vorhaut zurückziehen, um auf die schwer beeindruckende, darunter lauernde Ost-Musik-Eichel zu gelangen.

Denn wer sich wider Erwarten mal die Zeit und Neugier nimmt, OMEGA für sich zu entdecken, dessen Kinnlade wird nicht nur runterklappen, sondern auch jegliche halbwegs progressiv eingestellte Ohren werden schlackern, spätestens wenn sie das gigantische, teilweise auch in der ungarischen Muttersprache gesungene Mega-Konzert im KIsstadion von Budapest hören, das die MIGmusic-OMEGA-Serie als letzte CD abschließt, bei dem nicht nur die Musiker, sondern auch das Publikum jede Note und Ton mitsingen. Das trifft jedenfalls für den Original-Mitschnitt der ungarischen Doppel-LP zu – leider nicht ganz so für die Bacillus-Veröffentlichung.
Kollege Holger Grützner – ein ausgewiesener Ost-Prog-Experte – schrieb jedenfalls zum ungarischen Original unter den BBS so schön: „Kennt ihr auch so 'Kenner', die einem immer einreden wollen, dass 'Made In Japan' von DEEP PURPLE oder 'PETER FRAMPTON Comes Alive' die besten Live-Alben aller Zeiten sein sollen? Forget it! Sobald hier der OMEGA-Sänger den Mund aufmacht, gibt’s Massen-Chor. Auf allen 4 Seiten! […] Du legst irgendeine Seite dieses Albums auf und stehst mitten im Stadion.“
Genau das hier beschriebene Konzert-Gefühl ist auf der Live-Ausgabe des Bacillus-Labels leider nicht mitzuverfolgen – der Grund dafür wird etwas später innerhalb dieser Review offenbart.

Spannend ist in jedem Fall auch die Tatsache, dass dieser Konzertmitschnitt aus dem Jahr 1979, bei dem übrigens jede Menge Vertreter der internationalen Medien dabei waren, von denen sich nach solchem Live-Erlebnis dann viele – trotz ungarischen Gesangs – um OMEGA rissen, bereits einige Konzerte im selbigen Kisstadion vorausgingen, wobei eins – und zwar bereits im Jahr 1975 – eine ganz besondere Bedeutung für eine der besten ehemaligen DDR-Musikerinnen, die lange Zeit mit einem ungarischen Mann verheiratet war, hatte: VERONIKA FISCHER. Tatsächlich war es zugleich auch das allererste Konzert von ihr und ihrer Band, wozu sie anmerkte: „Das war wirklich sehr aufregend, weil unser erstes Konzert in Budapest stattfand. Mein Ex-Mann ist gebürtiger Ungar und hatte dafür gesorgt, dass wir unser erstes Konzert im Kisstadion gaben… 15.000 Leute waren da und wir waren die Vorgruppe von OMEGA. Das war schon der Hammer. Die Leute fanden es interessant, obwohl ich deutsche Lieder sang. Die Ansagen zwischendurch hatte ich in Ungarisch gemacht. Ich war sehr aufgeregt, wir hatten ein halbes Jahr lang geprobt, aber wie gesagt, noch kein einziges Konzert gegeben.“

Dies und vieles, vieles mehr rund um den Ost-(Europa)-Rock ist ganz herrlich beschrieben und zitiert im Buch „Der Ostrock ist tot… Es lebe der Ostrock!“ von FRANK FLEMMING. Also erzähle mir bitte keiner mehr, auch nicht in unserem Gästebuch, wenn ich den eclipsed-Verlag dafür scharf kritisiere, dass er es in 5 Bänden seiner 'ROCK'-Buch-Ausgabe mit mehr als 100 vorgestellten Bands und Musikern sowie dem Untertitel 'Das Gesamtwerk der größten Rock-Acts im Check: Alle Alben, alle Songs' nicht schafft, unter dem Begriff 'Rock' auch nur eine einzige Ost-Rock-Band – Noch nicht einmal OMEGA! – vorzustellen, es gäbe eben keine Möglichkeit, sich mit dem Ost-Rock auseinanderzusetzen.

Noch dazu ist gerade diese den Musik-Doppeldecker „Gammapolis (1978) & Live At Kisstadion Budapest 1979 (1979)“ abschließende Live-CD, die im Westen bei Bacillus erschien, endlich eine, die im Gegensatz zu den sieben vorausgegangenen Studio-CD's, nicht in mitunter recht holprig vorgetragener englischer Sprache dargeboten wird, sondern in der Muttersprache der Band! Schön wär's jedenfalls – doch genau diese Aussage holpert in puncto Bacillus deutlich und sollte eigentlich mächtig polarisieren...
Live sind OMEGA nämlich unfassbar stark, inklusive gigantischer Bühnenshow – darum macht sich unmissverständlich die Frage breit, warum nicht auch die ungarisch-sprachigen Ausgaben, denen deutlich mehr Authentizität als die für den Weltmarkt vorgesehenen englischsprachigen Ausgaben innewohnt, bei Bacillus veröffentlicht worden sind. Vielleicht sollte MIG music einfach als nächstes die ungarischen, auf Pepita erschienenen, Alben der Ungarn veröffentlichen, denn schließlich klingen die nicht nur der Sprache wegen anders, sondern sind echte Originale, während die Bellaphon-Alben von OMEGA extra eingespielt worden statt nur die Gesangspuren zu ändern. Lohnenswert! Denn für den alten ostsozialisierten Kritiker und viele alteingesessene OMEGA-Fans schneiden die Originale – ganz besonders „Idörablo“ („Time Robber“) – doch deutlich besser ab.

Zumindest stellt sich dieses Mal bei der finalen OMEGA-Veröffentlichung aller Bacillus-Alben die Frage nicht, ob man der kürzeren Laufzeiten wegen, wie bei den drei Doppel-CD's zuvor („Omega & III“ / „200 Years After The Last War & The Hall Floaters In The Sky“ / „Time Robber & Skyrover“), beide Alben „Gammapolis (1978) & Live At Kisstadion Budapest 1979 (1979)“ vielleicht hätte auf nur einem Silberling unterbringen können. Denn mit „ Live At Kisstadion Budapest 1979“ befindest sich nunmehr auf der zweiten CD der komplette (nachträglich überarbeitete) Livemitschnitt aus dem Jahr 1979, bei dem OMEGA ein riesiges Fußballstadion füllten, mit einer Laufzeit von knapp 75 Minuten. Und auch „Gammapolis“, das ein Jahr vor dem Konzert erschienene, recht ruhige, elektronisch verspielte und etwas poppig gehaltene Space-Rock-Studio-Album bringt es auf eine Laufzeit von über 40 Minuten.

Doch bleiben wir noch kurz bei dem Konzertmitschnitt, bei dem für Bacillus ziemlich getrickst wurde.
Highlight der Live-CD ist in jedem Falle der krachende, 12 Minuten lange Hardrock-Song „High On The Starway“ (eigentlich „Csillagok útján“), bei dem sich OMEGA als Gäste die drei Gitarristen der HOBO BLUES BAND, mit der sie gemeinsam auf Tour waren, auf die Bühne holten und ein dermaßen heißes Stück abfeuerten, das in alle Annalen hervorragender Live-Rock-Musik gehört und tatsächlich selbst jeglichem Purple-Frampton-Vergleich locker standhält.

Komisch (oder der riesige Pferdefuß) allerdings ist an dieser Live-Veröffentlichung, dass ein paar der Stücke nachträglich mit englischem Gesang 'overdubbed' wurden („Help To Find Me“ = 'Nem tudom a neved' / „Russian Winter“ = 'Léna' / „Late Night Show“ = 'Éjféli koncert' / „Metamorphosis I“ = 'Metamorfózis I' und leider auch „High On The Starway“ = 'Csillagok útján'), weswegen es im Grunde zwingend notwendig ist, auch die ungarische Ausgabe der Live-Doppel-LP unter dem Titel „Elö – OMEGA – Kisstadion '79“ zu besitzen. Als Grund für die nachträgliche Bearbeitung wurde genau die von Holger Grützner so explizit als positiv hervorgehobene Tatsache angegeben, dass die Fans bei dem Konzert immer sofort mitsangen und den in ungarischer Sprache singenden János Kóbor überstimmten. Darum hört man hier also nicht das Budapester Publikum, sondern das aus Pècs, wo OMEGA zusätzlich auch englisch sang.

Beide Alben sind – trotz dieser immensen Unterschiede – jedenfalls mit einem fast gänzlich gleichen Gatefoldcover, das auch als Foto im 12-seitigen Booklet beigefügt ist, gestaltet.

Anders sieht das bei „Gammapolis“ aus und man fragt sich, was wohl das Bacillus-Label geritten hat, dem Hochglanz-Cover des Originals mit einer utopischen Raumstation, das leider im Booklet nicht abgebildet wurde, ein völlig neues, kitschiges Hier-gehen-ein-paar-Außerirdische-dem-Omega-Symbol-entgegen-Cover zu verpassen. Zwischen beiden liegen Welten – für die Musik aber gilt wieder, dass die letzte Bacillus-Studio-LP-Veröffentlichung von OMEGA unter der Prämisse der vorherigen Alben entstand: Das ungarische Original neu bearbeitet mit englischem Gesang einzuspielen.

Mit „Gammapolis“ gelang OMEGA der schwierige Spagat zwischen Progressivem Space-Rock und bombastischem, eingängigem, radio- und stadion-tauglichen Melodic-Rock. Der 'Zeiträuber' machte nun eben in der futuristischen 'Gammapolis' Station. Kosmische Musik mit als Kosmonauten verkleideten Musikern. Das passte und begeisterte und bestätigte noch dazu den legendären Ruf der Ungarn, die, auch wenn sie nicht die ganze (westliche) Welt eroberten, zumindest den Kosmos für sich in Anspruch nehmen durften. Die 'Juri Gagarin' der Rock-Musik! Wenn man schon nicht die weltweite Musik-Szene erobern kann, dann kann einem wenigstens niemand nehmen, dass der erste Mann im Weltraum aus der Zone kam. Chapeau!

FAZIT: Es ist vollbracht! Der letzte von insgesamt vier Doppel-CD-Teilen der ungarischen Space-Prog-Hard-Rocker OMEGA mit ihren acht beim Bacillus-Label veröffentlichten Alben ist nun dank MIG music im Kasten und sollte zur Standardbestückung jeder ordentlichen Rockmusik-Sammlung gehören. „Gammapolis (1978) & Live At Kisstadion Budapest 1979 (1979)“ ist der würdige Abschluss der vier Doppel-CD-Veröffentlichungen aus Anlass des 60. Jahrestags von OMEGA mit jeweils zwei englischsprachigen Original-Alben der ungarischen Kult-Band aus den 70er-Jahren, die beim westdeutschen Bacillus-Label erschienen. So endet diese Veröffentlichung genau mit den Alben, mit denen sich OMEGA kurz vor den 80er-Jahren auf dem Zenit ihres Erfolges – live wie im Studio – befanden. Eigentlich sollte diese Geschichte aber unbedingt noch fortgeschrieben werden. Am besten mit den ungarischen Original-Alben, die den englischsprachigen der Band als Vorlage dienten – so könnte die Erfolgsgeschichte fortgesetzt und vielleicht endlich auch mal mehr Neugier für Bands entwickelt werden, die mitunter im Westen noch belächelt unter dem Begriff 'Ost-Rock' abgebucht werden. Denn genau dieser Ost-Rock ist nicht nur deutlich besser als sein Ruf, sondern auch deutlich besser als viele Bands, die mit Erfolgen sowie Aufmerksamkeit und Anerkennung überschüttet werden und wurden, nur weil sie das Glück hatten, sich musikalisch nicht in Ländern durchsetzen zu müssen, in denen man seine Menschen und Künstler und Musiker hinter Mauern einsperrte.

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 2312x gelesen, veröffentlicht am )

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Tracklist:
  • CD 1 – 'Gammapolis' (42:05):
  • Dawn In The City
  • Lady Of The Summer Night
  • Rush Hour
  • Start
  • Gammapolis
  • The Man Without A Face
  • Silver Rain
  • Gammapolis 2
  • CD 2 – 'Live At Kisstadion Budapest 1979' (74:44):
  • Vostock
  • Gammapolis
  • Help To Find Me
  • Russian Winter
  • Start
  • Time Robber
  • Late Night Show
  • Silver Rain
  • High On The Starway
  • Rush Hour
  • Metamorphosis II
  • Final
  • Metamorphosis I

Besetzung:

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