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Interview mit CAVERNOUS GATE (30.11.2019)

CAVERNOUS GATE

Leise, still und heimlich hat Sebastian von Helrunar in den vergangenen Jahren an einem Projekt gebastelt, von dem selbst im Umfeld von Prophecy / Lupus Lounge lange kaum jemand Wind bekam. Bis ich eines Tages drei Lieder mit dem Hinweis auf eben jenen Komponisten hören durfte - und die außerweltliche Musik mich vor Überraschung erstmal sprachlos zurückließ. CAVERNOUS GATE steht von Anfang an auf eigenen Füßen, so dass keine Verwechselungsgefahr mit Helrunar besteht, und präsentiert finster kriechenden, massiven Metal mit allerlei Anleihen aus Doom und Death, und tönt wie aus tiefer Grotte und längst vergangenen Tagen zu uns ahnungslosen Menschlein herauf. Was lag also näher, als in dunkle Tiefen hinabzusteigen und Sebastian zu fragen, wie es dazu kam, dass er sich einem Solo-Projekt widmet, und nun an der Seite von - genauer gesagt auf einem Split-Album mit - Sun of the Sleepless begeistert...?

Hallo Sebastian, schön, dass Du Dir Zeit nimmst, einige Frage zu CAVERNOUS GATE zu beantworen. Als ich kürzlich - als alter Freund und helfende Hand des Labels - gefragt wurde, welche die meines Erachtens nach stärkste Prophecy-Veröffentlichung des Jahres sei, musste ich bei aller Liebe zu Fen nicht lange überlegen: Schon lange hat mich aus dem keineswegs langweiligen Label-Programm nichts mehr so überraschend aus den Socken gehauen wie CAVERNOUS GATE. Ich hatte davon bis vor einigen Monaten keinen Wind bekommen, und wollte beim ersten Hören meinen Ohren kaum trauen, womit Du da um die Ecke kommst. Ist die Musik allein auf Deinem Mist gewachsen und wie lange hast Du bereits daran gebastelt?

Hallo Thor! Vielen Dank für das große Lob! Tatsächlich ist sämtliche Musik von mir geschrieben. CAVERNOUS GATE ist vollstens als Solo-Projekt zu betrachten. Für mich bestand der klare Vorsatz, ungezwungen und mal ganz alleine Musik zu machen, bzw. zu schreiben. Das ist schon sehr lange ein Wunsch von mir gewesen, aber es hatte sich bisher nicht so recht ergeben wollen. Ich meine, dass ich im Jahr 2017 irgendwann angefangen hatte, die ersten Ideen festzuhalten. Ich hatte dann in verschiedenen Zeiträumen immer wieder daran weitergearbeitet. Schließlich saß ich damals teils auch parallel noch am Songwriting für das "Vanitas Vanitatvm"-Album von Helrunar und war in diversen Live-Aktivitäten involviert. Die Musik selbst war aber eigentlich sogar relativ schnell fertig. Dann fehlten mir ganz lange Zeit aber überhaupt die Texte, da das Verfassen von Texten für mich absolutes Neuland ist. Letztendlich wollte ich das ganze Projekt frei von jeglichem "Druck" angehen und habe mir die Zeit gegeben, die es brauchte.
Ich sendete Ende 2017 dann die eigenen Demo-Aufnahmen, die aber noch rein instrumental waren, an Martin und Stefan von Prophecy Productions. Beide zeigten sich dann schlußendlich interessiert und zwei Jahre später wird es nun veröffentlicht – manche Dinge brauchen eben Zeit.

Angesichts Eurer zahlreichen Aufnahmen mit Helrunar im Studio E gehe ich davon aus, dass Du auch die drei Songs für die Split mit Sun of theSleepless dort aufgenommen hast; quasi in bestens bekannter Umgebung und mit einem Produzenten, der vielleicht ähnlich verdattert bis begeistert aus der Wäsche geschaut hat wie ich, als er zum ersten Mal hörte, was Du da fabrizierst - und der sicher extrem gerne geholfen hat, diese wuchtigen Songs klanglich zu veredeln?

Das ist richtig, ich hatte dafür wieder das Studio E gebucht. Als ich merkte, dass alles so langsam Form annimmt, entschloss ich mich, es auf jeden Fall professionell aufzunehmen – wenn es auch ohne Label im Rücken gewesen wäre. Was ich mit dem Ergebnis am Ende anfangen sollte, war mir zu dem Zeitpunkt erstmal egal. Da war für mich klar, dass ich damit zu Markus Stock gehe. Ich sehe auch keinen Grund, woanders hinzugehen. Er weiß wirklich immer das zu realisieren, was man sich vorstellt oder hat auch einfach selbst sehr gute Ideen, wenn es um Soundfragen geht. Beispielsweise hatte ich bei dem Gitarrensound bis dahin keine wirklich konkrete Idee, welchen Charakter er nun bekommen sollte. Es gibt einfach so viele unzählige und gute Möglichkeiten und da fällt mir die Entscheidung manchmal schwer. Markus kreiert dann den passenden Klang. Er kann sich einfach wunderbar auf Atmosphäre und Musikstil einlassen, das ist einfach sehr viel wert, weil er es dann zusätzlich technisch umzusetzen weiß.
Und um auf Deine Frage zurückzukommen: ich hatte einigen wenigen Freunden, darunter eben auch Markus, damals mal die Songs geschickt, noch bevor ich sie an Prophecy Productions schickte, daher kannte er das Material schon als ich ins Studio kam.

Natürlich liegt bei solcher Musik der Verdacht nahe, dass Du Dich der eigenen Jugend erinnerst und sie in der Musik nachklingen lässt, wobei sicher auch zahlreiche Leser sofort einige Beispiele parat haben, bei denen solcherlei Unterfangen peinlich nach hinten losgingen. Was gab Dir Zuversicht, Deine Ideen für CAVERNOUS GATE mit so viel Kraft vertonen zu können und eben nicht nur olle Muster abzuspulen; hatten da auch Deine Auftritte mit Sun of the Sleepless ihren Anteil?

Also, so sehr ich es absolut schätze, mit Sun Of The Sleepless live zu spielen, so hatte es aber keine - zumindestens mir bewussten - Auswirkungen oder einen Einfluß auf CAVERNOUS GATE. Vielleicht aber doch... die Frage habe ich mir nie gestellt. Meine Idee war - und ist es unbedarft - frei von Grenzen eine bestimmte Atmosphäre zu kreieren, die auf gewisse Art und Weise geisterhaft, jenseitig, dunkel und mächtig klingt, ohne in diesem Sinne unbedingt groß und pompös sein zu müssen, sondern eher kriechend, aber unaufhaltsam. Das Soundbild sollte nach Höhle und Kathedrale zugleich klingen.
Natürlich kommen da die Einflüsse zum Tragen, die man einfach über viele Jahre mit sich trägt. Es betrifft einfach jegliche Form von Metal, vorzugsweise aber sicherlich hörbar alter Death Metal und Doom Metal. Wenn mir die Vertonung tatsächlich mit so viel Kraft gelungen sein soll, dann ist es eher durch das schiere Bedürfnis, die beschriebene Atmosphäre aufzubauen, geschehen – das letztendlich durch verschiedene Musikrichtungen und somit keinen klaren Stil vor Augen zu haben.

Im finsteren Metal lässt sich ja total viel durch eine kitschige oder sterile Produktion versauen, und zweifelsohne hast Du für CAVERNOUS GATE einen ganzen Rucksack mit Klischees geschultert - baust die allerdings atmosphärisch so gelungen ein, dass Deinen Songs etwas "Klassisches" anhaftet, und ich mich an englische, schwedische und finnische Wegbereiter erinnere. Gibt es da für Dich Vorbilder, die Dich inspiriert und angehalten haben, es in keiner Hinsicht zu übertreiben und den einzelnen Song in all seiner Dramatik nicht aus den Augen (Ohren) zu verlieren?

Klar habe ich da Vorbilder und ich denke, dass die einen immer wieder auch unterschwellig inspirieren. Natürlich zählen dazu skandinavische und englische Metal-Bands, aber auch Gruppen wie Dead Can Dance, Arcana, diverse Soundtracks, altertümliche Musik, etwas klassische Musik, etc. . Doch geschieht das meiner Ansicht nach gar nicht so sehr bewusst. Also ich setze mich nicht hin und denke mir, dass ich klingen möchte wie Band XY. Eben das versuche ich schon zu vermeiden, aber bei gewissen Parts fühlt man sich eventuell auch mal an die ein oder andere Band erinnert, das bleibt vielleicht nicht aus – insofern, dass ich mir schon bewusst bin, dass der Musik was "Klassisches" anhaftet. Mir geht es hierbei auch überhaupt nicht darum, das Rad komplett neu zu erfinden, aber wie eine Kopie möchte ich natürlich auch nicht klingen. In erster Linie möchte ich das Gefühl, Wirkung und die Atmosphäre in den Fokus setzen. Da sind mir am Ende viele Stilmittel recht, das umzusetzen. Daher muss ich sagen, dass ich eher bei Soundtracks und Ambient-Sachen, oder auch was man heute als Dungeon-Synth bezeichnet, von einer bewussten Inspiration für CAVERNOUS GATE sprechen kann. Genauso inspirieren mich Bilder, Gemälde, die Natur, Filme, das eigene Gemüt. Ich denke, dass es viele verschiedene Aspekte sind, die ich zu einem schlüssigen Ganzen zu vereinen versuche.

Zugegebenermaßen bin ich vom Songaufbau hin und weg: Du lässt der Musik einerseits genügend Raum zur Entfaltung, baust die Lieder bedächtig auf, kommst andererseits absolut zwingend auf den Punkt und erzeugst so ein unheimliche Ahnung - Herr Schwadorf spräche jetzt vom "Brustangsterlebnis", andere vom "Alpdruck" - bzw. ein Gefühl, wie als ob mit jedem weiteren Riff auch noch das letzte Quentchen Luft rausgedrückt wird, sprich: CAVERNOUS GATE klingt nicht nur finster, sondern zuweilen sehr beklemmend. Wie ist Dir das gelungen, wer hat Dir bei diesen dramatischen Zuspitzungen geholfen?

Das ist ein schönes Lob, denn dann ist es mir zumindest bei Dir gelungen, dieses Gefühl bei den Songs zu vermitteln. Nun... es ist ein bisschen einfach so "geschehen", weil ich darauf bedacht bin, Songs nicht in einem bestimmten Schema zu schreiben, sondern dass ich mich eigentlich von einer Stimmung eines oder mehrerer Parts leiten lasse und ich es einfach mag, wenn Songs so aufgebaut sind, als würden sie selbst instrumental schon eine Geschichte erzählen. Dabei achte ich dennoch darauf nicht den Fokus zu verlieren.
Daher glaube ich eben, dass gerade der Einfluss durch Soundtracks oder eben auch teils klassische Musik so einen gewissen Teil dazu beigetragen haben könnten, den Songs die von Dir genannte Dramatik zu verleihen. Ich mag es zumindest in der Musik dramatisch.

Ich bin kein Fan von Split-Veröffentlichungen, doch die Eure gehört für mich zum engeren Kreis der Kandidaten für das Metal-Album des Jahres, weil eben auch Markus mit Sun of the Sleepless meine ohnehin hohen Erwartungen sogar ein kleines bisschen übertroffen hat und so draufgängerisch und finster klingt wie schon lange nicht mehr. Habt Ihr Euch beide gegenseitig dazu angetrieben, jeweils noch eine Schüppe draufzulegen, oder wie ist die Split letztlich zustande gekommen, auf der CAVERNOUS GATE zwar zweifelsohne die völlig unbekannte, jedoch trotz extrem starker SotS-Songs kaum die „schwächere“ Band ist?

Dem kann ich nur zustimmen: meiner Meinung nach ist es nämlich auch das stärkste Material, das Markus mit SOTS bisher gemacht hat! Seine Songs sind super komponiert und alles wirkt sehr zu Ende gedacht.
Ich denke, dass die Songs beider Bands wunderbar zusammenpassen, weil alle diesen erzählerischen Charakter haben und klar auf Atmosphäre ausgelegt sind. Trotzdem klingen beide Bands völlig unterschiedlich. Dadurch, dass die Musik aber so gut miteinander harmoniert, finde ich die Veröffentlichung als Split sehr angemessen. Ich erinnere mich noch, wie Markus und ich über meine Songs sprachen, als wir uns zu einer Probe für ein Konzert trafen. An jenem Abend schlug er mir dann vor, ob ich es nicht im Rahmen einer Split-Veröffentlichung mit SOTS herausbringen wollen würde... bzw. Prophecy Productions diesen Vorschlag mal unterbreiten würde. Ich fand die Idee natürlich toll!

Textlich hast Du scheinbar keine Scheu vor jenem Vokabular zu haben, das Außenstehende manchmal an Metal-Fans und ihrem Geisteszustand zweifeln lässt, während sich vor allem Doom-Fans sauwohl fühlen dürften...

Wie bereits erwähnt, war mich das Texteschreiben absolutes Neuland. Trotzdem wollte ich mich einfach selber daran versuchen. Beim Schreiben dieser habe ich mich dann von der bereits fertigen Musik leiten lassen, gepaart mit Bildern, Szenen, die ich im Kopf hatte. Die wiederum sind aus Erinnerungen an bestimmte Träume oder auch sehr Fantasy-inspiriert. All dieses habe ich versucht in ein (für mich) sinnvolles „Gespinst“ zu formen. Aber viel mehr möchte ich mich zu den Texten nicht äußern oder diese erklären.

Nun führe ich dieses Interview mit Dir als freier Mitarbeiter des Labels Prophecy, wodurch der Verdacht naheliegen könnte, dass ich CAVERNOUS GATE unkritisch abfeiere, dass also quasi "Schiebung" bei diesem Interview im Spiel ist. Was meinst Du - kommen wir aus der Nummer raus, wenn Du Dich daran erinnerst, wie harsch ich beispielsweise mit der ersten Abmischung von "Frostnacht" ins Gericht ging, oder können wir getrost davon ausgehen, dass mit Deiner Musik ohnehin so wenige Kohlen gekratzt werden, dass von einem Interessenkonflikt kaum ernsthaft die Rede sein kann?

Ich denke, dass Du Deine Glaubwürdigkeit als Journalist nun an den Nagel hängen kannst, ich aber durch die Musik in einer vergoldeten Höhle hausen werde. Aber um auf die Frage ernsthaft einzugehen: Die Reaktionen der Hörer bleiben einfach abzuwarten. Am Ende verhält es sich bei mir so, wie es immer war: ob die Reaktionen positiv oder negativ ausfallen, es ändert nichts daran, was für eine Musik ich schreibe und wie ich sie schreibe.

Wenn ich etwas zu meckern hätte, dann dass das Cover Artwork nicht wirklich die Klasse der Musik spiegelt, sondern „nur“ ein schönes von eben zahllosen schönen im Black-Metal-Underground ist, das sogar ein bisschen wie eine Kopie eines October-Falls-Albums daherkommt. Da wäre mehr drin gewesen...

Nun es ist ja am Ende immer zusätzlich eine Geschmacksfrage... ich mag das Cover-Artwork sehr! Die Frau von Markus hat dieses Bild gemalt und es ist ihr sehr gut gelungen. Ich finde, dass es eine tolle, unaufdringliche, aber düstere und beunruhigende Stimmung hat, ohne dass man diese dargestellte Landschaft wiederum meiden wollte. Ich mag daran auch die Tiefe in und durch die Schlichtheit.
Ich finde, dass es zu beiden Bands sehr gut passt! Wir entschieden uns damals für ein gemeinsames Cover, weil es vom Layout her einfach schöner ist. Im Booklet wiederum sind die Bands im Design etwas klarer getrennt.

Übrigens erinnere ich mich noch gut, wie wir uns kurz vor Deinem ersten Konzert als Gitarrist für Sun of the Sleepless begegneten und Du etwas grummelig erklärtest, dass die Aussicht, diesmal nicht den vertrauten Sitzplatz hinter dem Schlagzeug einnehmen zu können, Dich nicht gerade begeisterte. Nun hast Du bereits einige Male für SotS in die Saiten gehauen und wenn ich mich nicht täusche, ging damit zuletzt fast so etwas - vorausgesetzt Münsterländer kennen das überhaupt - wie "Freude" einher. Könnte das vielleicht sogar eines Tages dazu führen, dass wir CAVERNOUS GATE in einer Höhle im Sauerland oder andernorts leibhaftig erleben?

Ich vermute, dass ich damals wahrscheinlich vor dem Auftritt diesen Eindruck erweckte, weil ich zugegeben relativ nervös war. Es war für mich dazu noch der erste Auftritt überhaupt an der Gitarre. Demnach drang es mir wahrscheinlich innerlich nach gewohnteren Umständen. Da ich eigentlich Ost-Westfale bin und Münster für eine lange Zeit meine Wahlheimat war, fällt es mir mit der Freude wahrscheinlich noch schwerer, als dem Münsterländer. Heute macht es mir aber tatsächlich an der Gitarre schon fast etwas mehr Spaß, als am Schlagzeug... aber das ist auch immer ein bisschen situationsabhängig und da spielen dann die Umstände eine große Rolle.
Mit CAVERNOUS GATE plane ich es bewusst, KEINE Konzerte zu spielen. Ich will nun nicht "niemals" behaupten, aber für mich war dieser Gedanke von Anfang eigentlich klar und ich genieße es fast schon, CAVERNOUS GATE nur als Studioband zu betreiben. Denn das ist es, was ich am meisten am Musikmachen mag: das Komponieren, die Aufnahmen im Studio - zu hören, wie klanglich alles immer mehr wächst und der Idee und den eigentlichen Vorstellungen immer näher kommt. Eigentlich die Momente, in denen es wirklich nur um das Grundsätzliche geht: die Musik.

Danke, Sebastian, für Deine Zeit und für eine der musikalischen Überraschungen und Höhepunkte in diesem Jahr! Für jeden in der Rezi vergebenen Punkt schuldest Du mir natürlich ein Dunkelbier, haha!

Sehr gern und vielen Dank, Thor, für Dein Interesse und die Unterstützung! Auf das Dunkelbier kommen wir dann bei nächster Gelegenheit zurück!

Thor Joakimsson (Info)