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Interview mit Selim Isik (04.07.2012)
Der Gitarrist aus der Türkei hat viel zu tun: Aufnahmen mit seiner Band 80 Kalibre, Konzerte für seine Schüler organisieren und sich einem nassforschen Deutschen zum Interview stellen …
Wenn sich meine Musik melancholisch anhört, liegt das daran, dass ich mich damit auf eine Reise ins Innere meiner selbst begeben will. Es ist wie eine Art Seelenwanderung, zieht also eine Bewegung und damit auch Veränderung nach sich. Legt man Gewohnheiten und vertraute Erfahrungen ab, ist dies mit Trauer verbunden. „Göc – Soru – Re Minör“ betrachtet das Leben aus dem Blickwinkel eines Derwischs, wobei ich mir die Frage stelle, was ich in meinem Leben suche. Die Antwort findet man eben nur in sich selbst.; ich glaube, alles von Wert wohnt dem Menschen selbst inne, und deshalb heißt es im Text auch, ich finde mich selbst in mir.
In Yazgi geht es also um einen inneren Krieg („savas?“)
Nein, um tatsächliche – die Spiele der Mächtigen. Ich erzähle den Hörern von den Unschuldigen die dabei zugrunde gehen.
„Bilinmez“ spricht auch explizit von Kulturen, aber wiederum auch von Innerlichkeit …
Ich habe bewusst Worte gewählt, die verschiedene Dinge ausdrücken können, aber im Grunde genommen geht es wieder um Introspektion, da hast du Recht. Ich beschreibe das Gefühl, sein Umfeld als Belastung zu empfinden.
Auch Veränderungen? Solche zählst du nämlich in „Hayallerin Cocugu“ auf.
Ja, und ehrgeizige Vorhaben, deretwegen sich viele junge Menschen ihr Leben verbauen. Das Stück versprüht Hoffnungslosigkeit, weil der Lebenskampf niemals enden wird, egal wie viel sich auch ändert.
In „Ben Kendimden Yoruldum“ geht es dann darum, sich ausgebrannt zu fühlen; eine logische Konsequenz?
Es geht dabei um die Situation der Menschen in meinem Land. Die Türkei ist nicht der ideale Ort, um Musik zu spielen und zu produzieren, wie ich sie mache. Ich erzähle davon, wie anstrengend und zwecklos es oft anmutet. Als ich das Lied schrieb, fühlte ich mich entsprechend niedergeschlagen.
Dann widmest du „Sükün“ wiederum Opfern irgendeines Krieges – wieder eher im übertragenden Sinn?
Ich spreche von Einsamkeit. Manchmal komme ich mir so allein vor, dass ich glaube, der Tod sei mein einziger Freund. Den Kriege verstehe ich aber durchaus als real; auf diesem Boden kam es schon oft dazu, und er geht immer weiter, wobei täglich mehr Menschen sterben. Ein für Emotionen empfänglicher Künstler kann sich davon nicht unbeeindruckt zeigen, gerade Rockmusiker.
„Yasamdan Yana“ bezieht sich auch aufs Sterben; ist es als Anhang zum vorigen Stück zu verstehen?
Ich meine das Sterben der Natur und dass wir daran Schuld sind. Ich schrieb es aus der Sicht des Lebens um uns herum, vergleiche die Erde mit dessen Haut und ziehe den Vergleich, dass wir alle eins damit sind. Folglich vergiften wir unsere eigene Seele.
Wer ist dein Mitsänger Sadi Baydar?
Der Frontmann einer meiner ersten Bands, Ada Ekspresi. Er hat eine besondere Stimme, kann aber aufgrund bestimmter Begebenheiten in seinem Leben nicht mehr weiter Musik machen.
Erzähl uns etwas über das musikalische Erbe deines Landes.
Eigentlich ist es meine Generation, welche die Geschichte des Rock gegenwärtig schreibt, gleichzeitig da sie in die Fußstapfen ihrer Vorläufer tritt. Wir lernen erst noch, was dies bedeutet. Ich selbst baue für die Zukunft auf, indem ich im Alleingang 100 Gitarrenunterrichtseinheiten produziert und auf YouTube bereitgestellt habe. Wer über entsprechendes Wissen, den Glauben, Mut und Entschlossenheit verfügt, kann vieles bewirken.
„Yazgi“ betrifft aber nicht das Drama von Zeki Demirkubuz oder Albert Camus?
Nein, weder noch. Dass der Titel auch von den beiden verwendet wird beziehungsweise wurde, bekam ich erst später mit, nachdem ich ihn gewählt hatte.
Zum Schluss noch ein wenig Werbung in eigener Sache bitte …
80 Kalibre sind eine der stärksten Progressive Bands der Türkei. Dass wir nur in unserer Muttersprache singen, ist etwas Besonders, unser neues Album „7 Secilmis“ ist fertig, und du wirst es bald hören.
Oh, da freue ich mich. Fortsetzung folgt also …