Mike Hrubovcak ist ein sympathischer Verrückter, mit dessen Ansichten man nicht konform gehen muss. Dies macht seine Musik aber nicht minder interessant. Hört und staunt ...

Warum hast du AZURE EMOTE als sowieso vielbeschäftigter Musiker aus der Taufe gehoben?

Nachdem sich DIVINE RAPTURE aufgelöst hatten, begann ich schon 2003 unter diesem Namen. Die Trennung von meinen alten Mitstreitern war ein nahezu traumatisches Erlebnis, und ich hatte das Gefühl, rasch weiterziehen zu müssen. Am wichtigsten war mir aber, ein Ventil für meine negativen Emotionen zu finden, also schaltete ich mich mit guten Freunden kurz, Ryan und Pat von RUMPELSTILTSKIN GRINDER, die mir bei "Chronicles Of An Aging Mammal", dem Debüt von AZURE EMOTE, zur Seite standen. Es erschien bei dem tschechischen Label Epidemie Records, bevor ich die Band auf Eis legte, weil ich bei VILE und D MONSTROSITY einstieg, während die anderen beiden mit ihrer Sache fortfuhren. Erst 2011 juckte es mich wieder in den Fingern, etwas Eigenes auf die Beine zu stellen, denn ich hatte viele verrückte Ideen, die ich als Bandmusiker eben nicht geltend machen konnte.

Was bedeutet dir der Name AZURE EMOTE?

Nun ja, unterbewusst zieht sich die Farbe Blau schon seit Jahren durch mein Schaffen, etwa in den Artworks der Alben, an denen ich beteiligt war, und mein tägliches Leben. Meine Aura würde ich irgendwie auch mit diesem Farbton assoziieren, also liegt es nahe, meine Band auch nach ihr zu benennen. "Emote" hingegen bedeutet, sich emotional auszudrücken, was in einem Soloprojekt eindeutiger als anderswo der Fall ist. Zusammenfassend sagt der Name aus, dass ich mich meiner ureigenen Musik, dargestellt durch die Farbe Blau, mit Leidenschaft hingebe, und hebt sich obendrein von schnöden Formulierungen ab, die sich andere als Aufhänger für ihre Combos ausdenken. Übrigens sind auch meine Augen blau, die Fenster zur Seele, wie man so schön sagt, und das einzige farbige Tattoo - blau natürlich -, das ich besitzte, befindet sich auf meiner Brust; es ist das Logo von AZURE EMOTE, ein Sonnenportal mit schwarzen Dornen umgeben.

Wie kommt es, dass ihr mit mehreren Labels arbeitet?

Offiziell stehen wir bei Selfmadegod in Polen unter Vertrag. Die andere Firma sind Adipocere aus Frankreich, die das neue Album lizensiert haben, um es mit zwei Bonustracks auf Vinyl herauszubringen. Die Platte wird man nur über mich beziehen können oder auf www.adipocere.fr finden. Sie erscheint im Juni 2013 im Klappcover.

Warum hast du so lange zum Komponieren der neuen Stücke gebraucht?

MONSTROSITY und VILE tourten sieben Jahre lang ausgiebig um die Welt, ganz zu schweigen von meiner Beteiligen an den Alben "Spiritual Apocalypse" und "Metamorphosis". Daneben blieb wenig Zeit, abgesehen von einem Projekt namens ABRAXAS mit Makoto Mizoguchi von INTERNAL SUFFERING und HATE ETERNAL. Ferner fertige ich nach wie vor Artworks für andere Bands an, wozu ich die Website www.visualdarkness.com unterhalte. AZURE EMOTE sind aber meine Herzenssache und allein meine Vision, für die ich einstweilen alles andere hintanstellte.

Wie bist du darauf gekommen, dich unter anderem mit Jack Kevorkian und dem Euthanasie-Problem zu beschäftigen?

Ich setze mich von jeher stark für persönliche Freiheit ein und schlage mich auf Jacks Seite, der im Laufe seiner Karriere bekanntermaßen viele Hiebe einstecken musste. Er bekam sogar Briefe von mir, als er im Gefängnis saß, und gerade als ich die neue Musik komponierte, hörte ich von seinem Tod und widmete ihm schließlich sowohl das Intro des Albums als auch den Opener. Er war ein brillanter Mensch und verdient mehr Anerkennung nach dem ganzen Bockmist, der über ihn erzählt wurde. Kervorkian starb einen Märtyrertod für eine hehre Sache: das Recht auf den eigenen Freitod, das auch ich mir herausnehmen würde, so ich vor der Wahl stünde. Leider hat die Gesellschaft immer noch keine Fortschritte getan, was dies angeht, woran vor allem religiöse Eiferer und generell rückschrittliche Denkweisen Schuld tragen. Ich fürchte, Euthanasie wird nicht eher akzeptiert, bis alle Religionen abgeschafft wurden und die Menschen anfangen, ihre Hirne zu benutzen, statt sich von ihren Ängsten leiten zu lassen, die letztlich auf den Mythen beruhen, an die sie glauben. Kervorkian war seiner Zeit voraus, aber wir brauchen mehr Menschen wie ihn, um die Entwicklung des Menschen voranzutreiben; damit meine ich jetzt auch alle anderen Ebenen der Wissenschaft. Sein Schicksal steht sinnbildlich dafür, dass der Mensch als Individuum sein Potenzial zur Freiheit anscheinend nicht ausschöpfen möchte, denn sonst hätte man ihm keine Knüppel zwischen die Beine geworfen.

Richtest du dich mit "The Color Of Blood" an den Menschen insgesamt, oder beschreibt das Stück eine persönliche Art von Apokalpyse?

Ersteres. Ich weise darauf hin, wie frappant es ist, dass unser Blut die gleiche Farbe wie Rost oder Schlamm hat, woraus sich ergibt, dass wir im Grunde genommen dazu verdammt sind, zu Erde zu werden. Weshalb sollte man sein Leben also allzu ernst nehmen? Eine persönliche Komponente hat das Stück aber dennoch: Er handelt von verzwickten Beziehungen und närrischen Idealen, denen Menschen in ihren Erwartungen nachhängen, sei es in der Liebe, im Familiären oder der Gesellschaft und Arbeitswelt insgesamt, der Politik und so weiter. Kurz gesagt ist dies ein Song über meinen Ekel vor alledem.

Und wie kommst du von dort zur Mythologie Mesopotamiens, die zum Beispiel in "Annunaki Illuminati" anklingt?

Na ja, ich will nicht hinnehmen, dass wir allein in diesem Universum sein sollen, und akzeptiere nicht, wie man sich unsere Existenz gegenwärtig erklärt, weil die Theorie zu löchrig ist - und vor allen Dingen verabscheue ich jedwede religiöse Rechtfertigung der Schöpfung. Folglich müsste rein von der Logik her mehr Wissenschaft anhand historischer Funde und Fakten betrieben werden, egal inwieweit die Ergebnisse irgendwelche Dogmen widerlegen. Dieses Lied befasst sich mit uralten Glaubenssystemen, die bei den Illuminaten und gewissen Regierungen nach wie vor hoch im Kurs zu stehen scheinen, da immer noch Obeliske gebaut werden, die auf bestimmte Sterne zeigen, und massenweise vorzeitliche Symbole im Gebrauch sind, gerade in den Kreisen der Herrschenden. Klar, ich spreche im Text auch von Außerirdischen und deren möglichem Einfluss auf unsere Entwicklung bis heute. Ein UFO habe ich sogar schon selbst gesehen, und dieses Erlebnis war nichts weniger als Ehrfurcht gebietend. Seitdem bin ich neugierig und interessiere mich für abwegige Entwürfe zur Erklärung all dessen, während die tonangebenden Mächte seit Jahrzehnten das gleiche fragwürdige Zeug verbreiten. Mir ist egal, dass mir meiner Haltung wegen wohl nicht wenige Leute aufs Dach steigen oder den Vogel zeigen werden, aber stellt doch selbst Nachforschungen an und glaubt, was ihr wollt; für mich klingt vieles von dem stimmiger, was uns nicht vom wissenschaftlichen Konsens eingetrichtert wird. Solche Themenkreise passen sehr gut zu AZURE EMOTE und sind viel besser als die typische Reiterei auf Satan, Mord und Totschlag, an der sich Death-Metal-Bands in der Regel erfreuen.

Inwieweit muss man den Suizid in "Veils Of Looming Despair" metaphorisch betrachten?

Wenn ich im Text schreibe "Silent mind - inward outcries, the analogy of suicide, gravity and spirit", beziehe ich mich auf das intensive Bewusstsein eines bevorstehenden Todes, den man entweder herbeigesehnt hat oder schlicht nüchtern zur Kenntnis nimmt. An uns zerrt sowohl die Mondschwerkraft als auch unsere eigene spirituelle Energie im Inneren. Diese Dreiheit ist für mich etwas Besonderes, und die Schwärze eines Ozeans bezaubert mich ebenso wie die Helligkeit des Mondes andererseits. Demzufolge widmet sich dieser Song dem Gefühl, das mir durch den Kopf geht, wenn ich nachts am Strand stehe und die Kälte beziehungsweise verzückende Leere vor mir sehe. Gerade wenn es mir dreckig geht ziehe ich mich spät abends an die Küste zurück, um das Leben wieder in angemessenen Relationen zu sehen: einerseits die schwarze Leere, am Himmel aber das Licht des Lebens sowie die Endlosigkeit, gleichzeitig da ich auf festem Grund stehe und den Sand zwischen meinen Zehen spüre. Ich kann mir keinen passenderen Ort feststellen, um mir ein klareres Bild des großen Ganzen zu machen und am Ende fokussierter oder anders gesagt mit einem klareren Verständnis Abstand zu nehmen.

Wer manipulier und unterdrückt in "Dissent" und "The Living Spiral"?

Das erste Stück handelt von den Illuminaten und der Wut, die sich zunächst einstellt, weil einzelne Teile des Puzzles Mensch keinen Sinn zu ergeben scheinen, bis man sie zusammenlegt, sodass sie ein eindrückliches, realistisches Bild fernab des beschränkten etablierten Denkens ergeben. Sobald man über seinen Schatten springt, wird vieles klarer, und man versteht sogar, wie Ameisen ticken, wenn man mit offenem Geist durch die Welt schreitet. Ich habe auch nach den Anschlägen vom 11. September 2013 Antworten gesucht und Hinweise entdeckt, die auf allseits geleugnete Wahrheiten hindeuten, aber wie dem auch sei: "The Living Spiral" hat mit alledem nichts zu tun, sondern erörtert nur das Auf und Ab, das uns allen im Alltag geschieht: Ungerechtigkeit, Herausforderungen und Leid wiederholen sich wie in Wellen eines unausweichlichen emotionalen Strudels. Zuletzt zieht es jeden von uns für immer hinab. Daneben streift der Song das Thema Genetik im Zusammenhang mit dem Universum und dem Einfluss der Planeten auf den Menschen.

"Obsessive Time Directive" klingt für mich wie ein abstrakter Text über Sucht ...

... und damit liegst du richtig. Es geht um die Süchte, denen wir alle nachhängen: Womit möchtest du dein Leben füllen, ehe du stirbst? Alles ist möglich, aber um der Sinnlosigkeit des Daseins zu entfliehen, stürzen wir uns in Arbeit - auch im Rahmen der Kunst - und mühen uns ab, um etwas zu erschaffen oder zu erreichen, einfach eine Bedeutung für uns selbst zu finden. Der eine malt, der andere macht Musik, der nächste treibt Sport, hat Kinder oder einen Bürojob und so weiter. Ich für meinen Teile ging die vergangenen drei Jahre lang AZURE EMOTE als Obsession nach, und zwar so beharrlich, dass die Musik andere Ebenen meines Lebens negativ beeinflusste. Man kann nur bis zu einem gewissen Punkt balancieren und jonglieren, bis man einen Ball oder zwei fallenlässt.

Drückt "Epoch Of De-Evolution" deinen Widerwillen gegen den wissenschaftlichen Kanon der Gegenwart aus?

Ja, denn wir schreiten in der Technologie vorwärts und verlieren dabei den gesunden Menschenverstand, ganz zu schweigen von spiritueller Empfindsamkeit oder altertümlichem, bewährtem Wissen aus allen Bereichen des Lebens. Wie weit sind wir gekommen? Wir beugen uns vor Computern, die unsere Augen kaputtmachen, saugen welchen Bullshit auch immer aus dem Internet auf und leben praktisch in einem System, das uns ständig erreichbar bleiben lässt. Der Text erklärt sich mehr oder weniger von selbst, denn gleichzeitig da wir uns in technischer Hinsicht entwickeln, werden wir immer dümmer und leben uns auseinander, nicht zu vergessen unsere zunehmende Distanz von der Natur. Letzten Endes führt diese Selbstbezogenheit zu unserem Niedergang.

In "Sunrise Slaughter" sampelst du Schweine, die geschlachtet werden - Kritik eines überzeugten Veganers?

Nein, ich esse sehr gerne Fleisch, bin mir der mit dem Schlachten einhergehenden Grausamkeit aber bewusst. Angesichts unsere technologischen Standes heutzutage ist es aber ein Unding, unter welchen Bedingungen Massentierhaltung abläuft. Im Vergleich zu Urvölkern, die jeden Teil der erlegten Tiere verwendeten, gehen wir zudem arg respektlos mit ihnen um. Die gegenwärtige Menschheit erweist sich als eigentliches Tier und zeigt ihre hässliche Fratze in diesem Bereich besonders drastisch. Ich wollte mit diesem Stück aufmerksam machen auf einen Missstand, der eigentlich offensichtlich ist, einen morbide Realität. Die fröhliche Melodie, die auf der Mundharmonika erklingt, während die Schweine getötet werden, weist darauf hin, dass wir allzu gern ausblenden, was uns unbequem erscheint. Denkt mal darüber nach!

Die ganzen Formeln und religiösen Symbole im Booklet der CD stellen vermutlich den bloßen Glauben der Wissenschaft gegenüber.

Könnte man so sagen, ja. Ich beschäftige mich ein wenig mit Quantenphysik und betrachte Spiritualität deswegen aus wissenschaftlicher Sicht.

Planst du Auftritte mit einer richtigen Band?

Mir wurden schon Festivals für diesen Sommer angeboten. Das würde ich sehr gerne wahrnehmen und vielleicht auch eine kleine Tournee anschließen, bloß ist damit eine Menge organisatorischer Trubel verbunden, also hängt die Sache weiterhin in der Schwebe je nachdem, wieviel ich finanziell aufbringen kann und ob die anderen Beteiligten mitziehen. Die meisten sind ja ständig mit ihren Projekten unterwegs und leben in verschiedenen Ländern, also muss ich wohl auf eine andere Besetzung zurückgreifen.

Wie organisierst du dich langfristig mit AZURE EMOTE?

Keine Ahnung, aber der Titel "The Gravity Of Impermanence" verdeutlicht schon, dass das Ende jederzeit kommen kann und offen bleibt. Die Band soll einen steten Wandel unterworfen sein, aber immer auf Ehrlichkeit und finsterer Musik basieren. Das Leben ist kein Zuckerschlecken, und was auch immer ich mit diesem Projekt erreiche wird flüchtiger Art bleiben. Ich hoffe aber, zumindest hier und dort ein Zeichen zu setzen und Menschen Gefühle zu vermitteln beziehungsweise sie zum Nachdenken anzuregen. Vorerst nehme ich also alles, wie es eben kommt, und spekuliere auf das Interesse potenzieller Hörer, die AZURE EMOTE so weit bringen, wie ich es verdiene oder auch nicht.

Hehre und bescheidene Ziele - vielen Dank für das informative Gespräch, Mike!

Ich habe zu danken, Mann.