Musikreviews.de bei Facebook Musikreviews.de bei Twitter

Partner

Statistiken

Candlemass - Psalms For The Dead - Massen-Review

14.06.2012

Candlemass "Psalms For The Dead" CoverOhne Zweifel sind CANDLEMASS eine legendäre Doom Metal Band. Seit 1984 aktiv, haben die Schweden mit ihren ersten Alben Geschichte geschrieben und haben das Subgenre des epischen Dooms entscheidend mitgeprägt. Legendär ist aber auch das Chaos, für das die Band schon immer ein Gespür hatte. Nicht umsonst hat man inzwischen den zweifelhaften Spitznamen CANCLEMASS. Das neueste Kapitel: der Rauswurf von Sänger Rob Lowe eine Woche vor Veröffentlichung des Abschiedsalbums "Psalms For The Dead", das von den Doom-Fans mit Spannung erwartet wurde. Wie es geworden ist, beurteilen vier unserer Redakteure.

 

Review von: Andreas Schiffmann (Profil)

Leif Edling ist ein hervorragender Songwriter, weil er es versteht, geschickt das Beste von seinen Impulsgebern zu stehlen, und auf diesem angeblichen Abschiedsalbum tut er dies besonders dreist ausgerechnet im besten Track: "The Killing Of The Sun" orientiert sich an "Iron Man" und ragt wegen des zittrigen Gesangs aus dem auf angemessenem Niveau Pflichten erfüllenden Rest heraus.

Obwohl: Diese Pflichten sollte man im Zusammenhang mit der in jüngerer Zeit erspielten Klientel sehen, denn reinrassiger Doom sind die Schweden ohnehin nur mit Unterbrechungen gewesen, wobei gerade die Messiah-lose Zeit die interessantesten und besten Alben abgeworfen hat (Dactylis Glomerata", "From The 13th Sun"), zumindest für den Rezensenten. Heuer nähert sich Edling einerseits seinen orgeligen Soloausflügen an (im "Siren Song" sind die Tasten-Eskapaden das eigentliche Highlight), anderseits und vor allem einer Form von verträglichem Power Metal mit passend düsterer Note. "Dancing In The Temple Of The Mad Queen Bee" oder "Prophet" sind purer Classic-Stoff mit recht einfallslosen Refrains, weshalb die oftmals abrupten Tempowechsel zum packenden A und O werden. Obendrein verfügen CANDLEMASS über Gitarristen, die wie wenige andere im Doom-Bereich von den Zweigespannen der alten Schule geprägt wurden, was allein schon die Vielzahl der Leads und Solos beweist.

Die Laut-leise-Schleicher "Waterwitch", "The Sound Of Dying Demons" sowie der Titelsong (Rob kehrt bislang seltene Seiten seiner Stimme hervor) hätten abgesehen von den lebendigeren Mittelteilen auch auf "King Of The Grey Islands" stehen können, wohingegen "The Lights Of Thebe" wie beinahe obligatorisch fürs Genre auf melodischen Schlangenlinien gen Orient ausreißt. "Black As Time" besticht eingangs durch gesprochene Worte in herrlich britisch klingendem Englisch, doch die Komposition an sich zerfasert, als sei sie ein bloßer Aufhänger fürs Intro, weil "time is black" – voll evil, viel Doom und so.

FAZIT: Um noch einmal auf den Bandkopf zurückzukommen: Leif Edling ist auch ein kundiger Geschäftsmann, dem man fürs Verramschen von CANDLEMASS in tausend bunten Vinyl-Farben und eingedenk ertragreich verteilter Bonusstücke den Hintern versohlen sollte. Selbst wenn "Psalms Of The Dead" das erhoffte Superalbum wäre und keine unpersönlich klingende "Nächster Song bitte, ich will heim"-Veranstaltung, die nach Zweckgemeinschaft riecht, wäre ein solcher Sell-out nicht zu rechtfertigen.

8 von 15 Punkten


Review von: Lothar Hausfeld (Profil)

Es fällt zugegebenermaßen schwer, sich angesichts der langen Liste der Peinlichkeiten – von abgesagten Festivalauftritten über das Sängerkarussell in ANTHRAX-Geschwindigkeit bis hin zum finalen Rausschmiss von Sänger Rob Lowe direkt vor der Veröffentlichung von "Psalms For The Dead" – ausschließlich auf die Musik von CANDLEMASS zu konzentrieren.

Nun gut, über das, vorsichtig formuliert, unglückliche Auftreten der Schweden sind genügend Worte verloren worden, also soll es hier tatsächlich ausschließlich um die Musik auf dem als "letztem Album" angekündigten "Psalms For The Dead" gehen.

Dass CANDLEMASS den Weg des reinen Doom Metals verlassen haben, ist keine bahnbrechende Neuheit mehr, auch auf den letzten Alben waren einige Songs enthalten, die eher dem Bereich Power Metal zuzuordnen waren; ob es eine glückliche Wahl ist, ausgerechnet das flotte und mit einer unverschämt klebrigen Melodie ausgestattete "Prophets" an den Beginn der Scheibe zu stellen, mag dahingestellt sein. Beinharte Verfechter des "True Doom" werden mit dem Song jedenfalls nichts anfangen können.

Glücklicherweise besinnen sich CANDLEMASS anschließend auf ihre Wurzeln, auch wenn der verstärkte Einsatz der Hammondorgeln für weitere Stirnrunzler sorgen wird. Dem Album fehlen– wie Kollege Daniel zurecht anmerkt – ein paar handfeste Hits. Ist das der Grund, warum Songs wie das äußerst genretypische "The Lights of Thebe" oder der Titeltrack, dem die melodischen Parts deutlich besser zu Gesicht stehen als dem Opener, so herausragen? Manches wirkt bemüht anders, manches wirkt bemüht stiltreu – und insgesamt weckt "Psalms For The Dead" den Eindruck, als wisse Leif Edling nicht, ob er stilistisch mutig oder linientreu agieren soll. Ein Song wie "Siren Song" ist da sinnbildlich zu nehmen: Simples Songgerüst, die Gitarren riffen im Slo-Mo-Tempo, ein wirrer Orgelsound (inklusive schrägem Solo) aber torpediert das Ganze – auch wenn Rob Lowes Vocallines am Ende noch ein bisschen retten können.

FAZIT: Ein wirklich schwaches Album ist "Psalms For The Dead" nicht. Allerdings auch nicht der erhoffte Paukenschlag zum Abschied. Dass Rob Lowe hier wieder einmal eine überragende Gesangsleistung bringt, zeigt allerdings, zu welchen Großtaten man zu leisten in der Lage wäre, wenn man denn ein wenig professioneller und zielgerichteter agieren würde. Wenn das Album tatsächlich die letzte Studioarbeit CANDLEMASS’ sein sollte, muss man sagen: Ein konfuses Album - einen typischeren Ausstieg könnte es nicht geben. 

9 von 15 Punkten


Review von: Oliver Schreyer (Profil)

Ein denkbar schlechter Zeitpunkt, sich eine Woche vor Release vom Sänger zu trennen. Zumal "Psalms For The Dead" nun wirklich das letzte CANDLEMASS-Album sein soll. Doch das nur am Rande, denn aufgenommen wurde noch im bekannten Line Up mit Robert Lowe.

Eine wirklich schwere Kür, nach einem Überalbum wie "Death Magic Doom" genau dort anzuknüpfen und um es gleich vornweg zu nehmen, "Psalms For The Dead" schließt den Kreis nur bedingt und hinkt seinem Vorgänger um einiges nach. Nicht dass CANDLEMASS hier einen Totalausfall abliefern würden, nein – aber die Magie des letzten Albums ist einfach weggeblasen. Obwohl einzelne Songs durchaus überzeugen können, gibt es viel Ausgelutschtes und 'must-Doom' – bestes Beispiel hierfür 'The Killing Of The Sun', das mit einem frechen BLACK SABBATH-Rip Off daherkommt und ziemlich in diese Hose geht.

Auf der anderen Seite gibt es durchaus starke Nummern, welche den Gesamteindruck deutlich aufhellen: man höre nur einmal den Titeltrack, 'Waterwitch' oder 'Dancing In The Temple (Of The Mad Queen Bee)', welche die Band in bester Manier zeigen und zu fesseln wissen. Leider bleibt es hier vielleicht bei der Hälfte der Tracks, die wirklich überzeugen und jeder Fan der Band wird nach diesem Album wohl fragend gen Himmel schauen und den Herrn bitten, dass dies nicht das letzte gewesen sein darf, was die Band abgeliefert hat.

FAZIT: Rundum ist "Psalms For The Dead" ein solides Album mit Höhen und Tiefen, welches irgendwo in der Mitte ihrer Schaffenszeit völlig in Ordnung gegangen wäre. Für ein würdiges Abschiedsalbum allerdings fehlt es der Platte sowohl an Charme, als auch an Übersongs. Eigentlich schade, denn nachdem sich Lowe nach dem etwas sperrigen "King Of The Grey Islands" auf "Death Magic Doom" derart perfekt in die Band integrierte, hätte man hier viel mehr erwarten können, als ein für ihre Verhältnisse eher mittelmäßiges Abschiedsalbum. Und so wird der Fan dann doch wehmütiger zurückgelassen, als es mit einem würdigen letzten Release der Fall gewesen wäre.

10 von 15 Punkten


Review von: Daniel Fischer (Profil)

Den Beginn ihres geplanten Abschieds auf Raten haben sich CANDLEMASS gründlich versaut: Quasi "in true and legendary Candlemass style" (wie um sich selbst und dem eigenen Chaos treu zu bleiben) feuert man Sänger Robert Lowe eine Woche vor Veröffentlichung des groß angekündigten, definitiv letzten Albums. Anschließend wollte sich die Band laut ursprünglichem Plan noch ein paar Jahre auf Live-Auftritte beschränken, hat aber jetzt gar keinen festen Sänger mehr. Leif Edlings Kumpel Mats Leven (die beiden musizieren gemeinsam bei KRUX) springt nur als Aushilfe für die wenigen bereits gebuchten Shows ein. Und ob es Sinn macht, jetzt einen neuen Mann nur für den ausgedehnten Abschied zu engagieren, ist mehr als fraglich.

Es ist also einmal wieder unklar, wie es mit den schwedischen Doom-Königen weitergehen wird. Man muss es leider so hart sagen, die Band hat wohl den richtigen Zeitpunkt zum Abtreten verpasst. Der gefeierte Vorgänger "Death Magic Doom" (2009) klang so stark nach klassischen CANDLEMASS wie keines der Alben seit der Reunion. Anschließend wurde das 25. Jubiläum mit einigen Shows mit Ur-Sänger Johan Längqvist und der Veröffentlichung des Boxsets "Doomology" zelebriert. Die Band war nach einer überaus erfolgreichen Zeit bei Nuclear Blast wieder vertragsfrei, das wäre wohl der Zeitpunkt zum Aufhören gewesen. Doch jetzt schiebt man mit "Psalms For The Dead" das sogenannte "Farewell"-Album nach, welches aus verschiedenen Gründen, soviel sei vorweggenommen, nicht wirklich dem Anlass entspricht. Der Abgang des seit fünf Jahren etablierten und wohlgemerkt noch auf der Platte zu hörenden Sängers bestätigt nur das rundum unglückliche Timing.

Aber nun zum eigentlichen Thema, wie klingt denn "Psalms For The Dead"? Wo der Vorgänger sehr fokussiert, klar arrangiert, durchdacht und damit eingängig wirkte, gehen CANDLEMASS hier experimenteller und sperriger zu Werke, stellenweise gar ein wenig konfus. Richtige Hits lassen sich nur schwer ausmachen, stattdessen werden ausgerechnet auf dem letzten Album der Band einige neue Elemente prominent platziert. Neben den typisch düsteren Stücken gibt es einige für CANDLEMASS-Verhältnisse fast fröhliche Gitarrenmelodien (z.B. im Opener und im Titeltrack) und beschwingte, rockige Nummern wie "Dancing In The Temple (Of The Mad Queen Bee)" oder "The Killing Of The Sun" zu hören. Ungewohnt offensichtlich sind hier der BLACk-SABBATH-Einfluss und ein gewisses Siebziger-Jahre-Flair spürbar. Dass Leif Edling eine Schwäche für schräge Keyboard- und Orgelsounds hat, weiß man bereits aus seinen anderen Projekten. Aber ob man ein ganzes CANDLEMASS-Album damit zukleistern muss, ist zumindest diskussionswürdig. Im Gegensatz zu den typischen Gitarrenriffs, die sind einmal wieder ganz große Klasse, klingen unglaublich massiv und ergänzen sich perfekt mit den überragenden Leads von Lars Johansson.

Leider fällt aufgrund der weniger eingängig strukturierten Songs das Fehlen der großen Melodien diesmal deutlich stärker ins Gewicht. Auch auf den letzten Alben gab es einen Mangel an echten Refrains und majestätischen
Gänsehautmelodien zu vermelden, die früher ein Markenzeichen der Band waren. Die zwingenden Songstrukturen auf "Death Magic Doom" konnten dies noch weitestgehend ausgleichen. Diesmal verzettelt man sich jedoch einige Male, ohne richtig zum Abschluss zu kommen. Soll heißen, oft wartet der Hörer vergeblich auf einen Höhepunkt. Ganz schlimm z.B. in "Siren Song", das lediglich aus zwei Parts besteht, die jeweils wiederum nur aus zwei, drei durchgeschlagenen Akkorden aufgebaut sind. Wie um den mangelnden Einfallsreichtum zu kaschieren, darf die Hammond-Orgel den ganzen Song lang durchdudeln und sogar solieren. In anderen Tracks schiebt die Band nach zunächst interessantem Beginn oder der typischen Laut-/Leise-Dynamik, die Robert Lowe beherrscht wie kein Zweiter, einfach keinen echten Refrain nach. Stattdessen gibt es verschiedene Breaks oder Zwischenparts zu hören oder der (Ex-)Sänger muss einmal wieder einfallslos den Songtitel mehrmals hintereinander intonieren. Egal, ob nun "prophet... prophet...", "waterwitch... waterwitch..." oder "time is black... time is black...", das Prinzip ist meist das gleiche. Generell kleben die Gesangslinien einfach zu oft an den Gitarren und heben sich kaum ab. Letztendlich fräsen sich Nummern wie z.B. die ersten drei Tracks auch so ins Hirn, aber frühere Refrains waren sowohl melodisch als auch lyrisch interessanter. Lediglich das gutklassige Titelstück bietet den Ansatz zu einer ergreifenden Hookline, die aber dann in der Mitte abgewürgt wird.

Die meisten Riffs auf dem Album machen trotzdem Spaß und bieten den typisch schweren CANDLEMASS-Sound, der zudem perfekt produziert wurde. "Prophet" oder "Black As Time" ragen hier besonders hervor. Aber reicht das für das letzte Studiowerk einer Legende wie CANDLEMASS?

FAZIT: Als würdiger Abschied taugt "Psalms For The Dead" aufgrund des eher untypischen Songmaterials nicht wirklich, das dritte Album mit Robert Lowe am Mikro ist zudem das schwächste der Reihe und für mich persönlich eine große Enttäuschung. Losgelöst von den ganzen Widrigkeiten und Erwartungen bietet "Psalms For The Dead" dennoch einiges: jede Menge tonnenschwerer, massiver Riffs und eine herausragende Leadgitarrenarbeit, die ausgezeichnet produziert wurden, sowie einen ausdrucksstarken Sänger, der leider nur keine vernünftigen Melodien zu singen bekommt. Das mag dem ein oder anderen sogar zusagen, da es weniger pompös, bomabastisch und "kitschig" wirkt, sondern in den besten Momenten fieser und düsterer als der klassische CANDLEMASS-Sound. Über weite Strecken klingt das Material dadurch jedoch nicht packend und schlüssig genug, sondern wie eine etwas beliebige Zusammenstellung toller Doom-Riffs.

9 von 15 Punkten

Durchschnittspunktzahl: 9 von 15 Punkten

zu den Massen-Review-Charts >>>

 

Andreas Schulz (Info)